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20 Jahre Neue Synagoge Dresden und Gedenken an die Reichspogromnacht

Öffentliches Gedenken, Veranstaltungen und City-Light-Plakate

Plakatmotiv mit Davidstern im Hintergrund; davor der Schriftzug "Jüdisches Leben in Dresden"

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten jüdische Synagogen in ganz Deutschland. Auch in Dresden war die Synagoge am Hasenberg angezündet worden, viele jüdische Geschäfte wurden gebrandschatzt und geplündert, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger verhaftet. Zahlreiche Veranstaltungen erinnern in diesem Jahr an die Geschehnisse der Reichspogromnacht vor 83 Jahren, widmen sich dem 20-jährigen Jubiläum der Weihe der Neuen Synagoge Dresden und gestalten das Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ aus. Darauf weisen auch städtische City-Light-Plakate (siehe Anhang) im öffentlichen Raum vom 2. bis 16. November hin.

Öffentliches Gedenken am Dienstag, 9. November, 15.30 Uhr

Anlässlich des 83. Jahrestages der Reichspogromnacht findet am Dienstag, dem 9. November 2021, um 15.30 Uhr, die Gedenkveranstaltung an der Stele Brühlscher Garten, Hasenberg, statt. Hier stand die von Gottfried Semper entworfene und 1840 eingeweihte Dresdner Synagoge bis zu ihrer Zerstörung in der Reichspogromnacht.

Zur Gedenkveranstaltung sprechen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, Michael Hurshell und Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Zusätzlich verliest Claus Dethleff vom Stolpersteine für Dresden e. V. einen Erinnerungsbericht einer jüdischen Familie aus dieser Zeit. Der Synagogenchor Dresden umrahmt musikalisch die Gedenkveranstaltung. Es folgen das „El mole Rachamim“ und das Kaddisch-Gebet. Anschließend findet eine Kranzniederlegung durch Repräsentanten aus dem Sächsischen Landtag, des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden statt. Es besteht die Möglichkeit, Blumen niederzulegen. Dresdnerinnen und Dresdner sowie die Gäste der Stadt sind herzlich dazu eingeladen.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert ruft auf: „Lassen Sie uns gemeinsam zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht der Opfer gedenken und die Erinnerung wachhalten. Auch Jahrzehnte nach der Shoah sehen sich Jüdinnen und Juden in unserem Land mit Anfeindungen, Hass und oft auch Gewalt in ihrem Alltag konfrontiert. Gleichzeitig ist der 9. November auch der Tag, an dem mit der Weihe der Neuen Synagoge das jüdische Gemeindeleben vor 20 Jahren an seinem Platz im Herzen Dresdens neu erblühte. Damit dies so bleibt, müssen wir uns auch in Zukunft für Jüdinnen und Juden in unserer Stadt stark machen und Rassismus und Antisemitismus energisch entgegentreten“.

Dr. Nora Goldenbogen, Vorsitzende des Landesverbands Jüdischer Gemeinden in Sachsen, hebt hervor: „Für die jüdische Gemeinschaft bleibt der 9. November 1938 als der Tag im historischen Gedächtnis, an dem die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der deutschen Juden durch die Nationalsozialisten öffentlich wurde. Mit der organisierten Zerstörung und Verwüstung von Synagogen und Friedhöfen, Angriffen auf jüdische Geschäfte und den massenhaften Verhaftungen wurde offenbar, dass es für Juden in diesem Land keine Zukunft mehr geben würde – ein Ziel, das später auch in allen vom Hitlerregime besetzten europäischen Ländern verfolgt wurde. Die Schoah gehört seitdem zu den historischen Grunderfahrungen der jüdischen Gemeinschaft weltweit. Wir können sie nicht streichen, so erleichternd es vielleicht wäre. Wir müssen uns erinnern, auch in kommenden Generationen. ,Schuldkult‘ und ,Nazikeule‘ lauten heute nicht selten Vorwürfe, die wir hören, wenn wir dieses Erinnern einfordern oder darum bitten, genauer hinzusehen und hinzuhören. Begriffe aus der Nazizeit wie beispielsweise ,Volksverräter‘ gehören schon seit geraumer Zeit wieder zum Standardvokabular nicht weniger Bürgerinnen und Bürger in Sachsen – ebenso die Meinung, Menschen aus fremden Kulturen oder mit fremden Religionen sollten raus aus Deutschland, weil sie nicht hierhergehören. Die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl, weisen aus, wie viele es inzwischen sind, für die das Erinnern lästig geworden ist, längst überholt und erledigt. Auch deswegen haben wir als jüdische Gemeinschaft in Sachsen unsere Befürchtungen öffentlich geäußert, dass sich seit geraumer Zeit eine besorgniserregende Entwicklung nach rechts vollzieht, mit der wir uns gemeinsam auseinandersetzen müssen.“

Veranstalter des Gedenkens ist die Landeshauptstadt Dresden in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Nach der offiziellen Gedenkveranstaltung findet für geladene Gäste der Festakt „20 Jahre Weihe Neue Synagoge Dresden“ in der Synagoge statt. Im Internet unter www.dresden.de/juedisches-leben ist es möglich, diese Veranstaltung zu verfolgen.

City-Light-Plakate und Veranstaltungen zu „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“

Ab Dienstag, 2. November, weisen etwa 250 städtische City-Light-Plakate (siehe Anhang) im gesamten Stadtgebiet für zwei Wochen auf das Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und die in Dresden thematisch begleitenden Veranstaltungen hin. Die Landeshauptstadt Dresden unterstützt das Projekt durch ein vielschichtiges Programm mit Veranstaltungen, Ausstellungen, Workshops, Lesungen und weiteren Angeboten, die die lange Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens in Dresden sichtbar machen.

Mit diesen Kultur- und Bildungserlebnissen zeigt die Landeshauptstadt Dresden die Relevanz der vitalen und wechselvollen jüdischen Kultur und Geschichte für Dresden, für Sachsen, für Deutschland und Europa und tritt mit den Vermittlungsangeboten gleichzeitig den allgegenwärtigen antisemitischen Herausforderungen der Gegenwart entgegen.

Im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten zum Festakt 20 Jahre Weihe Neue Synagoge Dresden bereichern am und um den 9. November verschiedenste Akteure und Institutionen, Vereine und Verbände die Aktivitäten.

Dazu zählen zum Beispiel:

  • Freitag, 5. November 2021, 19.30 Uhr, Zentralbibliothek im Kulturpalast Dresden: „Von unseren Vorfahren zu uns – Tausend Jahre Jüdische Musik“ aus der Veranstaltungsreihe „Masel im Palast“

Von hebräischen Liedern aus den späten 1000er Jahren bis zu den Klageliedern aus dem 13. Jahrhundert des Minnesängers Süsskind von Trimberg. Schwungvolle jiddischen Lieder aus dem 16. Jahrhundert treffen auf gefühlvolle und glückselige Lieder und Tänze von den ersten Jahren des letzten Jahrhunderts aus Osteuropa. Das musikalische Programm zeichnet die farbenfrohe Geschichte der jüdischen Musik von weit zurückliegenden Spuren bis in die Gegenwart nach.

  • Dienstag, 9. November, bis Mittwoch, 10. November 2021, bis 21 Uhr, Neues Rathaus Dresden, Goldene Pforte, Rathausplatz 1: Interaktive Kunstinstallation „Verschwindende Wand“

Wie an vielen Orten Deutschlands steuerte das NS-Regime die Pogromnacht zentral – so auch in Dresden. 83 Jahre später laden die Landeshauptstadt Dresden, das Goethe-Institut und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora an die Goldene Pforte des Neuen Rathauses ein. Oberbürgermeister Dirk Hilbert eröffnet das Kunstwerk „Verschwindende Wand“ am 9. November, 10 Uhr. Es erinnert an die Opfer des Holocaust, die Gräuel der NS-Diktatur sowie an die Reichspogromnacht. Es sprechen außerdem Dr. Nora Goldenbogen (Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden), Johannes Ebert (Generalsekretär Goethe-Institut) und Prof. Dr. Jens-Christian Wagner (Stiftungsdirektor Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora).

Die interaktive Installation „Verschwindende Wand“ vereint auf 6.000 Holzklötzchen Zitate von Überlebenden der Konzentrationslager Buchenwald, Mittelbau-Dora und deren Außenlager. Die Zitatklötzchen sind beweglich in einer Plexiglaskonstruktion als Wand zusammengefügt und machen die Botschaften der Überlebenden sichtbar. Besucherinnen und Besucher des Kunstobjektes werden unter Einhaltung der geltenden Hygieneregeln dazu eingeladen, die Zitatklötzchen herauszuziehen, zu lesen und mitzunehmen, so dass die Wand sich allmählich leert und verschwindet, die Botschaften der Überlebenden jedoch weitergetragen werden.

  • Dienstag, 9. November 2021, 19 Uhr, HANSE 3 e. V., Atelierhaus auf dem Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs: Stolperstein Alter Leipziger Bahnhof – eine Leerstelle in der Erinnerungskultur der Stadt Dresden

Der Alte Leipziger Bahnhof ist als ältester Fernbahnhof Europas ein industriegeschichtliches Denkmal von besonderem Rang und ist seit Jahren zum größten Teil eine Ruine. Am Dienstagabend, 9. November, wird er mit einer dreiteiligen Videoprojektion auf der Fassade des Gebäudes symbolisch „zum Leben“ erweckt. Besucherinnen und Besucher, die vor das Gebäude kommen, werden ihre Schatten auf die Fassade werfen, wenn sie in die Projektionen anfahrender Züge treten. Erinnert werden soll damit zum einen an die frühere Funktion des Ortes. Zum anderen soll die Installation auf eine Lücke in der Erinnerungskultur aufmerksam machen. Am 21. Januar 2022 jährt sich zum 80. Mal die Deportation Dresdner jüdischer Menschen von eben diesem Ort. Für den anstehenden Diskussionsprozess um eine würdige und angemessene Bezeichnung und Gestaltung dieses Ortes und seiner Geschichte möchte diese Videoinstallation eine Anregung sein.

  • Donnerstag, 11. November 2021, 19.30 Uhr Zentralwerk, SOCIETAETSTHEATER gGmbH: SHIR HA SHIRIM – Cantar de los cantares – Lied der Lieder, Paul Hoorn & Freund*innen – Kapelye CORAZON

Das poetische Konzert zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 in Deutschland versammelt Lieder aus den jüdischen Ghettos in Vilna und Krakow, lateinamerikanische Lieder von Victor Jara, Silvio Rodriguez u. a., den Mauthausen-Zyklus von Mikis Theodorakis, die Todesfuge von Paul Celan und das Lied von der Moldau von Bertolt Brecht/Hanns Eisler. Es werden wie selbstverständlich Bögen geschlagen ins Hier und Heute, voller Schmerz und Hoffnung. Der Ort des Konzertes schafft eine eindrückliche Verbindung zu den Liedern: Das heutige Zentralwerk war in der Zeit des zweiten Weltkriegs eine Rüstungsfabrik, in der zahlreiche Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter tätig waren, darunter 700 Frauen aus Konzentrationslagern, die hier untergebracht waren. Dieses Konzert soll an diesem Ort ein Gesang der Klage und des Eintretens für die Würde von Opfern grausamer Gewalt und Entmenschlichung sein, aber auch ein Aufstand gegen Mutlosigkeit, eine Vision von einem friedlichen Leben. Nach einer kurzen Pause wird vor dem zweiten Konzertteil ein Dokumentarfilm gezeigt, in dem die damalige jüdische Zwangsarbeiterin Henny Brenner Auskunft gibt über ihre Erlebnisse an diesem Ort.

  • Sonntag, 14. November, 11 bis 15 Uhr, Treff Kreuzkirche: Weg der Erinnerung – Mit dem Fahrrad auf den Spuren jüdischen Lebens in Dresden „Verfolgung der Juden und der 13. Februar 1945 in Dresden“

Der 13. Februar bedeutete für Dresden die massive Zerstörung der Innenstadt und den Tod vieler Menschen, darunter auch Zwangsarbeiter, Juden und andere Verfolgte. Manchen jedoch gelang es im Chaos jener Tage, zu fliehen oder sich bis zur Befreiung zu verstecken. Der diesjährige Weg der Erinnerung setzt sich damit auseinander und sucht Orte in Dresden auf, die mit diesen Ereignissen verbunden sind. Die einzelnen Stationen werden von Schulklassen und Jugendgruppen gestaltet.

  • Dienstag, 16. November 2021, 10 bis 16.30 Uhr, Neues Rathaus Dresden, Rathausplatz 1: Jüdische Vielfalt in Deutschland – Regionalkonferenz Dresden

Das Jubiläumsjahr 2021 ist ein doppeltes: Es feiert „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ wie auch die Einweihung der Neuen Synagoge in Dresden vor 20 Jahren. Beide Jubiläen bieten die Chance, die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland, Sachsen und Dresden angemessen zu würdigen. Die Deutsche Gesellschaft e. V. lädt Sie gemeinsam mit dem Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden und der Landeshauptstadt Dresden ein, mit Expertinnen und Experten aus Bildung, Kultur, Politik und Wissenschaft ins Gespräch zu kommen und sich über jüdisches Leben und jüdische Kultur auszutauschen.

  • noch bis 31. März 2022: Dauerausstellung im Dresdner Stadtmuseum, Wilsdruffer Straße 2 (Eingang Landhausstraße): „Rethinking Stadtgeschichte“, Erkundungen in die unterschiedlichen Dimensionen des Jüdischen

Flagge vor dem Dresdner Rathaus

Die Landeshauptstadt Dresden hisst am Neuen Rathaus, Dr.-Külz-Ring 19, in diesem Jahr eine Flagge, die auf das Festjahr „2021 – Jüdisches Leben in Deutschland“ hinweist. Sie wird am Dienstag, 9. November 2021, anlässlich der Reichspogromnacht und des 20-jährigen Jubiläums der Weihe der Neuen Synagoge Dresden, und am Sonnabend, 11. Dezember 2021, zum Jahrestag des Edikts von 321, gehisst. Am 11. Dezember 321 hatte der römische Kaiser Konstantin die Stadtoberen in Köln per Edikt angewiesen, jüdischen Menschen Bürgerrechte einzuräumen und sie öffentliche Ämter ausüben zu lassen.

Die Flagge war erstmals am Sonntag, 5. September 2021, dem Tag der jüdischen Kultur, vor dem Neuen Rathaus, Dr.-Külz-Ring 19, zu sehen. Der Dresdner Stadtrat hat die Beflaggung in seiner Sitzung Anfang Juli beschlossen.

Flagge mit bunten Querstreifen mit dem Text zum Festjahr 2021 "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland"