Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.dehttps://www.dresden.de/de/rathaus/aemter-und-einrichtungen/unternehmen/stadtarchiv/archivalien-des-monats.php 08.04.2021 15:55:52 Uhr 14.04.2021 21:31:18 Uhr |
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Archivalien des Monats
April 2021

© Stadtarchiv Dresden, Repro
Zweite Eingemeindungswelle 1921 erfasste mehr als 20 Orte. Vor 100 Jahren dehnte die Stadt Dresden ihre Grenzen aus wie nie zuvor
Im Jahre 1921 – vor genau 100 Jahren dehnte die Stadt Dresden ihre Grenzen aus wie nie zuvor. Grund dafür waren die Eingemeindungen von vormals eigenständigen Orten. Zwar gab es vorher auch Einverleibungen – so mitunter der Sprachgebrauch – nach Dresden, aber nicht in diesem Ausmaß.
Von 1836 bis 1999 wurden insgesamt 65 Landgemeinden, vier Gutsbezirke sowie die Stadt Klotzsche nach Dresden eingemeindet. Es gab vier große Eingemeindungswellen: 1903, 1921, 1950 und nach 1990.
Die erste Eingemeindung war der Anschluss von Altendresden (Innere Neustadt) im Jahr 1549. Für mehr als zwei Jahrhunderte veränderte sich das Stadtgebiet durch die Anlage von Festungsbauten kaum. Erst mit Schleifung der Bastionen, die die Stadt nach außen schützten, aber gleichzeitig jede Ausdehnung verhinderten, erweiterte sich Dresden in den 1830er Jahren über das so genannte Weichbild. Dies betraf vor allem die Friedrichstadt, die Radeberger Vorstadt, die Antonstadt und die Leipziger Vorstadt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die Eingemeindungsbestrebungen wieder Fahrt auf. Striesen und Strehlen wurden schon 1892 sowie Pieschen, Wilder Mann und Trachenberge 1897 angeschlossen. 1901 folgten Gruna ein Jahr später Räcknitz, Seidnitz und Zschertnitz. Mit der ersten großen Eingemeindungswelle im Jahr 1903 kamen Cotta, Kaditz, Löbtau, Mickten, Naußlitz, Plauen, Trachau, Übigau und Wölfnitz zu Dresden. Nach einer kurzen Unterbrechung waren auch Tolkewitz (1912) und Reick (1913) bereit, sich unter die Haube der sächsischen Hauptstadt zu begeben.
Gemeindegrenzen änderten sich insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umwälzungen. Häufig gingen Eingemeindungen mit einer dramatischen Entwicklung in Politik und Wirtschaft einher. Einer solchen Krise folgte auch die Eingemeindungswelle von 1921. Der Erste Weltkrieg bescherte der Bevölkerung viele Sorgen und Nöte und für die Gemeinden waren wirtschaftliche Einbrüche nicht zu verhindern. Mancher Ort wollte sich freiwillig Dresden anschließen, andere wiederum versuchten, die Eingemeindung unter allen Umständen zu vermeiden. Am 1. April 1921 kam es dann zur Massenvermählung von Dresden und den Gemeinden Blasewitz, Briesnitz, Bühlau, Coschütz, Dobritz, Gostritz, Kaitz, Kemnitz, Kleinpestitz, Kleinzschachwitz, Laubegast, Leuben, Leutewitz, Loschwitz, Mockritz, Niedergorbitz, Obergorbitz, Rochwitz, Stetzsch und dem mondänen Weißen Hirsch.
An besagtem Tag wurden vormittags von jeder der betroffenen Gemeinden ein besoldetes Ratsmitglied entsandt, begleitet von mehreren unbesoldeten Ratsleuten mit einem Schriftführer. Nach der „Ordnung für die Übernahmefeiern in den Gemeinden“ übernahm dann Oberbürgermeister Bernhard Blüher in Bühlau, Weißer Hirsch und Rochwitz zwischen 9 und 12 Uhr persönlich die Verwaltungsgeschäfte. Taggleich wurden von anderen Bürgermeistern und Stadträten die Verwaltungsgeschäfte in den nun eingemeindeten Orten übernommen. Blasewitz, Loschwitz und der Weiße Hirsch wehrten sich bis zuletzt gegen die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit. Aus der langen Auseinandersetzung gingen die Befürworter siegreich hervor. Am 1. Oktober 1921 bestätigte das Sächsische Ministerium des Inneren die Eingemeindung der drei Orte.
Inzwischen erfasste die Eingemeindungswelle 1921 drei weitere Orte: Ebenfalls zu Dresden kamen am 1. Juni Leubnitz-Neuostra, Prohlis und Torna hinzu. Dreißig Jahre später sollte die nächste Eingemeindungswelle folgen.
Quellen: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XIII3991, 1949.
Wie ein angekündigter Aprilscherz zu Mord und Brandstiftung wurde. Die Verbrechen des Johann Gottlieb Reichel am 1. April 1816
Als Aprilscherz wird laut Duden „Spaß“ oder „Ulk“ definiert, mit dem jemand in den April geschickt wird. Eher als makabrer Scherz ist das zu verstehen, was am 1. April 1816 geschah. Im Bereich der Amtsgemeinde Neuer Anbau, ab 1832 als Stadtteil Antonstadt bekannt, ereignete sich an diesem Tag ein Familiendrama. Darüber berichtete die ausführliche Anzeige des Polizey-Collegii vom 2. April 1816 - das Archivale des Monats April 2021.
Zunächst deutete nicht viel darauf hin, dass an diesem Tage etwas Grauenhaftes geschehen sollte. Morgens frühstückte Johann Gottlieb Reichel „in Ruhe und mit Appetit“, ehe er nach 6 Uhr das Haus verließ. Nachdem der Zimmermann sich bei einem Herrn Kiesling in der Weißengasse unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zutritt zu dessen Boden verschafft hatte, legte er dort Feuer, wodurch auch eine Stube im Haus abbrannte. Er begab sich anschließend zum Gehöft eines Herrn Huhle, wo er brennenden Schwamm und Schwefel in einer Lade mit Stroh versteckte. Dieses fing glücklicherweise kein Feuer. Besagtes Stroh legte er nahe der Gebäude ab. Nach dieser Tat setzte er das in der Nachbarschaft zu seinem eigenen Haus gelegene Heim seiner Schwiegereltern in Brand. Er drang, bewaffnet mit einem Säbel ins Haus ein, wo ihm zuerst die 60-jährige Schwiegermutter zum Opfer fiel. Dieser schlug er in den Kopf, das Rückgrat und die Arme. Dem 75-jährigen Schwiegervater, der hinter einer Kinderwiege stand, trennte er den Arm und zwei Finger einer Hand ab. Seine hochschwangere Ehefrau, die durch den Lärm herbeigeeilt kam, erstach er. Auf seiner Flucht tötete er außerdem zwei im Stall befindliche Pferde, ehe er sich mittels einer alten Pistole selbst richtete.
Im Dresdner Anzeiger war vier Tage später, am 5. April 1816, zu lesen, dass der Körper des Mörders und Brandstifters Johann Gottlieb Reichel am selben Tage durch den Knecht des Scharfrichters „auf den Richtplatz gebracht und dort verscharret“ wurde. Seine Schwiegereltern befanden sich zu dieser Zeit schwerverletzt im Stadtkrankenhaus. Lediglich sein einziges Kind, eine zweijährige Tochter, blieb unverletzt.
Offen blieb das Motiv für diese Taten. Eine Erklärung könnte sein, dass Reichels Schwiegermutter ihn wegen Holzdiebstählen angezeigt hatte. Die als „zanksüchtig“ und „boshaftig“ beschriebene Frau war jedoch selber wegen kleinerer Marktdiebstähle bekannt. Aufgrund der Anschuldigungen wurde Reichel für den 1. April in das Justizamt vorgeladen, um rechtlich belangt zu werden. Soweit kam es jedoch nicht, da er, wie am Tag zuvor in einer Bierschänke verkündet: „die ganze Gemeinde zum Ersten April“ schickte.
Patricia Ottilie
Quellen: Stadtarchiv Dresden, 17.5, Handschriftensammlung, Hs 1921/22.8.2318
Stadtarchiv Dresden, 18, Wissenschaftlich-Stadtgeschichtliche Fachbibliothek, Zt. 1, Dresdner Anzeiger, Nr. 38 vom 5. April 1816
März 2021

© Elvira Wobst
Wenn es juckt und brennt, fragen Sie einen Arzt oder Apotheker – aber bitte einen Seriösen. Zum illegalen Medikamentenhandel in der Dresdner Friedrichstadt um 1835
In Zeiten der anhaltenden Corona-Pandemie richten sich die Fragen zum Umgang mit Krankheiten und den damit einhergehenden Folgen nicht nur an die medizinische Wissenschaft und Forschung, sondern zunehmend auch an den Erfahrungsschatz der Geschichtswissenschaft. Im Zuge von Recherchen nach pandemiebezogenen Quellen im Stadtarchiv Dresden gelang den Mitarbeitern ein kleiner Sensationsfund.
Sie entdeckten, dass eine Akte aus dem Ratsarchiv mit dem Titel „Acta von Handel mit Medikamenten“ zwei kleine papierne Faltumschläge enthält. Der Inhalt war durchaus überraschend, handelt es sich doch um eine Teemischung sowie um ein Pulver zur Behandlung von Skabies, umgangssprachlich Krätze genannt. Erste Erkenntnisse zur Erforschung dieser Krankheit gelangen dem italienischen Forscher Giovanni Cosimo Bonomo (1666 bis 1696), der mittels Mikroskop ein kleines Tierchen entdeckte, das sich in der Oberschicht der Haut verbarg und als Verursacher der Beschwerden identifiziert werden konnte. Aus den neuen Informationen eine Behandlungsstrategie abzuleiten, vermochte allerdings erst der Wiener Mediziner Ferdinand von Hebra (1816-1880) um 1850. Bis dahin musste auf Rezepturen zurückgegriffen werden, die bereits seit dem Mittelalter im Umlauf waren und für alle Anbietenden ein gutes Geschäft bedeuteten.
Im vorliegenden Fall verkaufte ein selbsternannter „Ober-Wundarzt“ namens Kämpfe, wohnhaft in der Friedrichstadt im Haus Nr. 43 neben der Apotheke, ein Mittel gegen besagte Krätze. Um sich von dem juckenden und quälenden Übel zu befreien, zahlten die Käufer kleine Vermögen, weit über ihre Zahlungsfähigkeit hinaus. Aufmerksam auf diese Machenschaften wurde ein Arzt namens Gustav Friedrich Gruner durch einen medizinischen Notfall in der Weißeritzstraße 64. Nachdem sich die unter Nervenfieber leidende Patientin erholt hatte, berichtete sie Gruner, dass sie Medikamente eingenommen habe, die ihr Ehemann aufgrund seines Krätzleidens von oben benanntem Kämpfe gekauft hatte. Nachdem der Arzt wenige Tage später erneut in das Haus auf der Weißeritzstraße gerufen wurde, um einen 7-jährigen Jungen gegen ein Hautleiden zu behandeln, kam auch hier das Gespräch auf diese Medikamente. Laut Angabe der Pflegemutter war die Behandlung erfolgreich und der Hautausschlag zurückgegangen, der Gesundheitszustand des Kindes aber kritisch und das Vermögen der Familie aufgebraucht. Die Dame überließ dem Arzt die Tee- und Pulverproben, die Gruner in der hiesigen Apotheke analysieren ließ. Da der Preis für die einzelnen Bestandteile keineswegs gerechtfertigt war, ging Gruner davon aus, dass es sich bei vorliegender Sache um „bedeutenden Wucher“ und „Geldprellerey“ handle. Auch die hohe Qualität machte Gruner skeptisch, sodass der Arzt einen professionellen Hintergrund vermutete, bei dem gut wirksame Medikamente zusammengemischt wurden. Das daraus resultierende Heilmittel als Ganzes aber wurde weit über Wert verkauft. Zudem stand es keineswegs jedem Arzt oder Apotheker frei, Medikamente in Umlauf zu bringen. Aus diesem Grund formulierte am 13. Januar 1835 der Arzt Gruner beim Dresdner Amtsphysikus, gemeint ist damit ein approbierter Arzt, der auf einer amtlichen Stelle der städtischen Gesundheitsverwaltung tätig war, eine Beschwerde. Damit sich der Amtsphysikus selbst vom dargelegten Tatbestand ein Bild machen konnte, übersandte Gruner die heute noch erhalten zwei Päckchen an den Rat der Stadt Dresden.
Welche Ingredienzen zur Herstellung des erfolgreichen Krätzheilmittels notwendig sind und ob der Beklagte Kämpfe tatsächlich eine Rechtswidrigkeit begangen hat, kann nur ein Blick in die Akte verraten.
Sylvia Drebinger-Pieper
Quelle: Stadtarchiv Dresden 2.1.5 F.XVI.102 u
Februar 2021

© Stadtarchiv Dresden, Repro
Spitzensport in Dresden. Der SC Einheit Dresden und seine Olympiateilnehmer 1972.
Die Olympischen Spiele gehören zweifellos zu den Höhepunkten im Leben eines Sportlers. Alle vier Jahre werden wenige von ihnen ausgewählt, sich in den Wettkämpfen zu beweisen. Vom 26. August bis zum 11. September 1972 fanden in München die XX. Olympischen Sommerspiele statt, zugleich die ersten Sommer-spiele mit einer souveränen DDR-Olympiamannschaft. Mit dabei waren auch Sportlerinnen und Sportler des SC Einheit Dresden. 1954 gegründet, war der SC Einheit Dresden für die Förderung des Leistungssports im Bezirk Dresden zuständig. Spätestens mit dem vom SED-Politbüro im Hinblick auf die Spiele in München gefassten Leistungssportbeschluss von 1969 konzentrierte man sich auch hier auf die besonders medaillen-trächtigen Sportarten. 1972 gingen schließlich Dresdner Athleten in den Sportarten Rudern, Kanu, Schwimmen, Turmspringen, Gewichtheben und in der Leichtathletik an den Start.
Die abgebildete Fotomontage entstand im unmittelbaren Vorfeld der Olympischen Spiele. Zu sehen ist unter anderem der legendäre, mehrere Jahre die Weltspitze dominierende Rudervierer ohne Steuermann. In der Besetzung Frank Forberger, Frank Rühle, Dieter Grahn und Dieter Schubert errangen sie zum zweiten Mal nach 1968 die Goldmedaille. Es blieb der einzige Sieg für Dresdner Sportler in jenen Tagen. Dennoch konnten weitere Erfolge gefeiert werden: Christine Herbst schwamm mit der 4x100 Meter Lagenstaffel in Europarekordzeit zu Silber. Ebenfalls Silber gab es für die Sprinterin Evelin Kaufer, die in der 4x100 Meter Staffel als Startläuferin zum Einsatz kam. Eine Bronzemedaille erhielt Gudrun Wegner nach ihrem starken Rennen über 400 Meter Freistil, das sie in neuer DDR-Rekordzeit beendete. In dieser Aufzählung sollen die Fußballer der SG Dynamo Dresden nicht unerwähnt bleiben. Hans-Jürgen Kreische, Reinhard Häfner, Siegmar Wätzlich und Frank Ganzera, übrigens jeder ein Torschütze im Turnier, wurden mit der DDR-Nationalmannschaft, unter anderem nach einem Zwischenrundensieg gegen die Auswahl der BRD, überraschend Dritter.
Auch allen anderen Athleten, nicht nur den Medaillengewinnern, können hervorragende Leistungen attestiert werden. Absolut beeindruckend ist, dass beinahe alle Dresdner Sportler das Finale in ihrer jeweiligen Disziplin erreichten. Doch allein der Blick in die Ergebnislisten lässt nichts von den dramatischen Ereignissen erahnen, die außerhalb des Sportlichen bis heute in Erinnerung geblieben sind. Am 10. Wettkampftag nahmen palästinensische Terroristen Mitglieder des israelischen Nationalteams als Geiseln. Der anschließende Befreiungsversuch durch die bayerische Landespolizei endete in einem Desaster. Der bereits erwähnte Dieter Grahn meinte später, die Geschehnisse hätten „für einen Bruch in dem bis dahin friedlichen Fest gesorgt“. Wie alle, genoss er die zuvor tolle Stimmung, aber „plötzlich war alles abgeriegelt und so bedrückend.“ Nach einem halben Tag Unterbrechung wurden die Spiele fortgesetzt. „The Games must go on“, wie IOC-Präsident Avery Budage verkündete.
Sportlich waren es insgesamt überaus erfolgreiche Tage. Die Mannschaft der DDR belegte mit 66 Medaillen, darunter 20x Gold, 23x Silber sowie 23x Bronze, Platz drei in der Nationenwertung, hinter der UdSSR und den USA. Damals wie heute treibt jeden Athleten der Siegeswille zu Höchstleistungen an. Aktuell bereiten sich die Olympiakandidaten des Dresdner SC auf die kommenden Olympischen Spiele in Tokio vor.
Quelle: Fotomontage „Teilnehmer der Olympischen Spiele 1972. SC Einheit Dresden“, Stadtarchiv Dresden, 13.68 SC Einheit Dresden / DSC 1898 e.V., Nr. 75;
Zitat Dieter Grahn entnommen aus Maik Schwert: Ein Bruch im friedlichen Fest, Sächsische Zeitung (Ausgabe Dresden) vom 16. Juni 2004, S. 13.
Patrick Maslowski
Januar 2021

© Stadtarchiv Dresden; Fotograf unbekannt
Schwimmen und Schwitzen im großen Stil. Zur Geschichte des Güntzbades in Dresden
Mit den Worten „Dem Bauherrn zur Ehr‘, der Stadt zur Zierde, den Mitbürgern zum Segen“ übergab Stadtbaurat Hans Erlwein (1872-1914) im Dezember 1905 feierlich das neu errichtete Güntzbad in die Hände der Stadtverwaltung. Nach der Eröffnung am 2. Januar 1906 verfügte die Großstadt Dresden somit endlich über ein modernes städtisches Hallenbad. Bereits 1897 soll Oberbürgermeister Otto Beutler (1853-1926) bei einem Besuch des „großen Schwimmbads“ in Stuttgart die Idee hierzu entwickelt haben. Die Initiative für die Realisierung des Projektes ergriff die gemeinnützige Dr. Güntz’sche Stiftung, die für sämtliche Baukosten aufkam und der Stadt zusätzlich einen Reservefond zur Instandhaltung zur Verfügung stellte. Die Stiftung erwarb am 1. April 1899 zunächst Grundstücke unmittelbar an der Carolabrücke in der Marschnerstraße und am Elbberg. Die beiden Straßenfronten wurden mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut, während die Badeanlagen im hinteren Teil der Grundstücke errichtet wurden. Für Anregungen zur baulichen Gestaltung reiste Stadtbaurat Edmund Bräter (1855-1925) sogar eigens zum Müller‘schen Volksbad nach München.
Das Güntzbad war einer der bedeutendsten Jugendstilbauten in Dresden und verfügte über ein Herren- und ein Damenbecken, ein römisch-irisches Schwitzbad, ein Hundebad sowie etwa 50 Zellen für Wannenbäder. Auch ein Erfrischungsraum, eine Wäscherei und ein Friseur waren vorhanden. Das Wasser wurde über einen eigenen Brunnen bezogen und ein Pumpwerk sorgte für einen regelmäßigen Wasseraustausch. Der Gesamtaufwand für den Bau betrug etwa 1,5 Millionen Mark. Von Anfang an entwickelte sich das Bad zum Besuchermagnet: 1906 waren bereits 195 232 Gäste zu verzeichnen, bis 1925 erhöhte sich die Zahl auf 703 228. Der Blick auf die insgesamt rund 558 000 Besucherinnen und Besucher im Jahr 2019 in allen sieben Dresdner Schwimmhallen erlaubt Vermutungen über das damalige Gedränge in den Badeabteilungen und Schwitzstuben. In der Folge verschwanden viele der etwa 50 kleineren, privaten Badeanstalten und das Güntzbad konnte den Besucherstrom nicht mehr aufnehmen. Daher wurde 1925 unter Stadtbaurat Paul Wolf (1879-1957) ein Erweiterungsbau mit Kurbadeabteilung projektiert, der im April 1927 eröffnet werden konnte. Zugleich erfolgte eine Modernisierung der älteren Bauten und der technischen Betriebsanlagen. So war das Güntzbad möglicherweise das erste deutsche Hallenbad mit Unterwasserbeleuchtung. In der Badeanstalt fanden nun 143 Personen eine Beschäftigung, darunter auch ein „Badearzt“.
Bei den Luftangriffen im Februar 1945 wurden die Gebäude zwar beschädigt, aber nicht zerstört. Die Wiederherstellung fand bis Ende der 1950er Jahre weitgehend Befürwortung, da der Bäderbedarf in Dresden hoch war und durch den teilweise sehr guten Erhaltungszustand hierfür nur „verhältnismäßig geringe finanzielle und baustoffmäßige Mittel“ notwendig waren. Trotzdem wurde die Instandsetzung immer wieder verschoben und das Güntzbad 1964 schließlich abgerissen. Damit verschwand ein Wahrzeichen der Dresdner Bade- und Stiftungskultur endgültig aus dem Herzen der Stadt.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1, Stadtplanungsamt Bildstelle, Schlüssel II8942, Nr. 1, unbekannter Fotograf, bearbeitet.
Johannes Wendt
Archivalien des Monats aus dem Jahr 2020
Dezember 2020

© Stadtarchiv Dresden, Repro
Katalog zur II. Dresdner Katzenausstellung vom 29. Oktober bis 1. November 1927. Zur Geschichte des Tierschutzes in Dresden
„Viele tausende deutsche Katzenfreunde haben sich zu einem Bunde zusammengeschlossen, der Zucht und Schutz der Katze zur Aufgabe hat.“ so berichtet der Ausstellungskatalog der II. Katzenausstellung aus dem Jahr 1927 – unser Archivale des Monats Dezember 2020.
Obwohl die Geschichte der Katzenausstellungen bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, wird erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von Katzenschauen im heutigen Sinne gesprochen. Nach großen Ausstellungen in New York und London fand die erste deutsche Katzenausstellung im Oktober 1897 in München statt. Die erste internationale Veranstaltung wurde am 15. März 1900 in Mannheim abgehalten. Gleichzeitig bildete sich eine Vielzahl von Vereinen, wie beispielsweise der 1925 in Dresden gegründete „Bund für Katzenzucht und Katzenschutz e. V.“, kurz BKK e. V. genannt, der sich die Katzenzucht und den Katzenschutz zur Aufgabe machte. 1931 war der BKK e. V. bereits der mitgliederstärkste Zuchtverein in Deutschland. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben dem Tierarzt Dr. Georg Lunze, der Zoologie-Professor Dr. Friedrich Schwangart und der Redakteur der „Tierbörse“, einer Fachzeitschrift für Kleintierzüchter, Alexander Silgradt. Die Schwerpunkte der II. Dresdner Katzenausstellung 1927 sowie der Arbeit des Vereins insgesamt lagen auf der Aufwertung der „gemeinen Hauskatze“ gegenüber ihren Artgenossen edler Abstammung. So benennt der Ausstellungskatalog 252 Katzen, die sich zum Teil aus „Aristokraten des Katzengeschlechts“ zusammensetzten, aber auch aus „guterzogene(n) und betreute(n) Hauskatzen“. Bereits in der von Silgradt 1926 herausgegebenen Publikation: Das Katzenbuch – Rassen und Zuchtziele, Lebensgewohnheiten und Charaktereigenschaften, verfasst von Wolf von Metzsch-Schilbach, wird der „missverstandene Charakter der Haus- und Hofkatzen“ thematisiert. Ähnlich wie heute, entbrannte der Disput zwischen Katzenliebhabern und -gegnern um die schrumpfende Population der Singvögel. Da insbesondere die Freigänger dem Töten der ‚geflügelten Gesangswunder‘ beschuldigt wurden, präsentierten die Macher der Katzenausstellung unter der Rubrik „Vogelstuben-Katzen und Katzen mit anderen Tieren zusammen“ einige besonders gesellige Exemplare, die in friedlicher Koexistenz mit Vögeln, Hunden, Hühnern sowie einem Eichhörnchen im Freien sowie in Wohnungen lebten. Silgradt selbst ließ sich im Ausstellungskatalog mit schwarzer Angorakatze im Arm, der eine weiße Ratte auf dem Rücken saß, ablichten.
Die aus 27 Seiten bestehende Broschüre umfasste neben dem Aufruf zur Beteiligung am Katzenschutz sowie der Aufstellung der teilnehmenden Tiere auch zahlreiche Werbeanzeigen, darunter „Spratt’s Katzenfutter“, Fress- und Trinknäpfe, der Katzenkasten „Ideal“ für eine hygienische und gutriechende Katzentoilette sowie Körbchen, Transportboxen und Bettchen. Für das körperliche Wohlergehen der Katze warben mehrere Tierärzte sowie eine Katzenapotheke. Nicht zu unterschlagen sind aber auch die Annoncen für Felle und das Ausstopfen von Tieren. Am Ende des Vorwortes zum Ausstellungskatalog wendet sich Silgradt, in seiner Position als Bundesvorsitzender des Dresdner Vereins, mit einer Mahnung an seine Leserschaft, die auch heute, insbesondere in der Vorweihnachtszeit aktuell ist und Beachtung finden soll: „So werden junge Kätzchen, ihres bestechenden Liebreizes wegen, als lebendes Spielzeug betrachtet, um später ausgesetzt zu werden und einen Leidensweg zu gehen, zu dem sie der Schöpfer wahrhaftig nicht bestimmt haben kann.“
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.4.1 Drucksammlung bis 1945, Nr. 104.
Sylvia Drebinger-Pieper
November 2020
Die Gartenstadtbewegung: Städtebautrend 1908 in Dresden
Der Begriff der Gartenstadt ist untrennbar mit der Gartenstadtbewegung in England verbunden. Im Stadtarchiv Dresden gibt es eine Abhandlung "Über die englische Gartenstadtbewegung" der Deutschen Gartenstadtgesellschaft aus dem Jahr 1926. Einer der Vordenker der Gartenstadt war der Engländer Ebenezer Howard (1850 – 1928). In London geboren konnte er die Nachteile einer schnell wachsenden Großstadt für dessen Bewohner in der Zeit der Industrialisierung bezeugen. Zwar tritt die Idee der Gartenstadt schon seit 1845 in Publikationen verschiedener Autoren in Erscheinung, Howard jedoch ist es zu verdanken, dass das theoretische Konzept mit der Gartenstadt Letchworth, in der Nähe von London im Jahr 1903, in die Realität umgesetzt wurde. In seinen Büchern „Tomorrow. A Peaceful Path to Real Reform“ von 1898 und in dessen Neuauflage 1902 mit dem Titel „Garden Cities of Tomorrow“ beschreibt Howard die Grundsäulen einer Gartenstadt. Die Gründung der Deutschen Gartenstadtgesellschaft und deren Veröffentlichungen verdeutlichen das große Interesse an dem Thema auf deutscher Seite und den Austausch zwischen den beiden Nationen.
In Sachsen unterzeichnete am 31. März 1908 der Gemeindevorstand von Rähnitz einen Vertrag mit der noch zu begründenden „Gartenstadt Hellerau GmbH“ und verankerte damit einen Teil der Rahmenbedingungen für die Entstehung der Gartenstadt Hellerau auf den Fluren von Rähnitz und Klotzsche. Der Möbelfabrikant Karl Schmidt (1873 - 1948) hatte 140 Hektar Land von dort ansässigen Bauern gekauft und machte die Gartenstadtgesellschaft Hellerau mbH im weiteren Verlauf des Jahres 1908 zur Grundeigentümerin der neuen Gartenstadt. Schmidt plante zu der Zeit die Erweiterung seines immer erfolgreicheren Unternehmens „Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst Karl Schmidt“. Es sollte jedoch nicht nur bei einem Fabrikneubau bleiben. Vielmehr wurde die Betriebserweiterung dafür genutzt eine planmäßig angelegte Siedlung aufzubauen. Geprägt von dem Geiste der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts, sollte diese weit mehr als nur eine Werkssiedlung für die eigenen Arbeiter sein. Der Anspruch der Gartenstadt war es, durch die architektonisch-künstlerische Gestaltung die sozialen Bedürfnisse der Bewohner zu beachten. Das aktuelle Archivale des Monats zeigt eine Werbepostkarte der Baugenossenschaft Hellerau mit dem Beispiel einer Mietvilla im großzügigerem Stil. Gleichzeitig bot die Genossenschaft Mitobjekte im Kleinwohnungsbau an, die trotzdem die Vorzüge und Lebensqualität einer Gartenstadt ermöglichten.
Für die Flurstücke der Gartenstadt gab es einen besonderen Bebauungsplan, der auch für die Gemeinde Rähnitz verpflichtend war. Dieser Gesamtbebauungsplan stammte von Richard Riemerschmid (1868 – 1957), Architekt aus München, und bildete die Grundlage für die spezielle städtebauliche Ausrichtung der Gartenstadt. Zusätzlich wurde die besondere künstlerische Bebauung der Gartenstadt durch die Schaffung einer Bau- und Kunstkommission abgesichert. Dieses gewählte Gremium genehmigte, neben den amtlichen Verfahren, alle Bauten in der Gartenstadt Hellerau. Der Vertrag nennt die Bau- und Kunstkommission und schreibt der Gemeinde Rähnitz vor „in die innere Entwicklung der Gartenstadt Hellerau tunlichst nicht einzugreifen und insbesondere den von dieser Kunstkommission gebilligten Bauten, …, nicht entgegenzutreten.“.
Bis 1913 wurden 31 Gartenstädte gegründet, aber Hellerau wird bis heute als Deutschlands erste Gartenstadt gefeiert, vor allem, weil die Howardschen Vorgaben von genossenschaftlichem Wohnungsbau und dem Ausschluss von Bodenspekulationen durch Wohlfahrtsland, hier im hohen Maße realisiert wurden.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.4.1, Drucksammlung bis 1945, 24-25.
Ann-Marie Rajda
Oktober 2020

© Stadtarchiv Dresden, Fotograf unbekannt
Ein „herausragendes städtisches Projekt der Weimarer Republik“. Das Sachsenbad in Dresden-Pieschen
Das vom Stadtbaurat Paul Wolf (1879–1957) entworfene Volksbad Dresden Neustadt Nord-West in Pieschen, seit den 1930er-Jahren auch als Sachsenbad bezeichnet, entstand in den Jahren 1927 bis 1929 und gehört neben dem Bau des Deutschen Hygienemuseums zu den bedeutenden noch existierenden Großbauten der Klassischen Moderne in Dresden.
Der Bau entstand zusammen mit der angrenzenden Volksbibliothek, mit der er durch einen überdachten Gang verbunden ist und einen rechteckigen Platz mit Wasserbecken umschließt. Er ist Teil eines größeren stadtplanerischen Zusammenhanges. Das Bauensemble bildete den Auftakt zu den sich anschließenden Sportanlagen sowie zu einem Grünzug mit Schrebergärten. Der Idee eines Forums folgend, bildete die Anlage den baulichen wie ideellen Mittelpunkt eines teilweise neu entstehenden Wohnviertels, zu dem unter anderem eine modern-dynamische Wohnsiedlung von Hans Richter (1882–1971), dem wichtigsten Dresdner Architekten des Neuen Bauens, gehört. Das Ensemble wurde, so die Argumentation der Denkmalschutzbehörde, „als herausragendes städtisches Projekt der Weimarer Republik, das Funktionen, wie Bildung, Sport und Wohnen miteinander verband“ unter Schutz gestellt.
Die vielfältigen Funktionen (Schwimm-, Wannen- und Brausebad, Kurabteilung, Gymnastiksaal, Erfrischungsraum, Friseur, Bibliothek) dieses einstigen Stadtteilzentrums wurden im Laufe seines 65jährigen Betriebes rege genutzt, zeitweise von über 300.000 Besuchern im Jahr. Daraus ergibt sich neben seinem architektur- und kulturgeschichtlichen Wert eine hohe orts- und sozialgeschichtliche Bedeutung für die umliegenden Stadtviertel. Zugleich verbindet sich mit dem Bau ein Identifikationspotenzial, welches seit seiner Schließung im Jahr 1994 auch gegenwärtig ungebrochen stark erscheint und sich seit 2006 auch in Form einer starken Bürgerinitiative, Petitionen und anderen Aktionen äußert.
Dresden hat neben Hellerau und dem Hygienemuseum bezüglich der Reformbewegungen der klassischen Moderne ein vielfältiges materielles und immaterielles Kulturerbe aufzuweisen, welches derzeit erst schrittweise wiederentdeckt und in seiner Bedeutung neu erkannt wird. Dessen wissenschaftliche, kulturelle und auch touristische Erschließung dürfte für die Stadt Dresden auch zukunftsperspektivisch von besonderem Wert sein.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II7602, II7248, II7241, unbekannter Fotograf, 1929–1934.
Stefan Dornheim
September 2020

© Stadtarchiv Dresden, Repro
„Ich leiste für die Sicherheit und Haltbarkeit dieser Koffer jede Garantie.“ Die Dresdner Reiseutensilien- & Lederwaaren-Fabrik G. L. Lippold
Am Ende des 19. Jahrhunderts führten der wirtschaftliche Aufschwung und die moderne Entwicklung des Verkehrswesens zu einem gesteigerten Reisebedürfnis in der Bevölkerung, in dessen Folge sich ein Massenmarkt für Reisegepäck etablierte, allen voran in der Kofferproduktion. Allein in Dresden gab es um die Wende zum 20. Jahrhundert zehn Kofferfabriken. Eine davon war die 1863 gegründete „Dresdner Reiseutensilien- und Lederwaarenfabrik G. L. Lippold“, die sich aufgrund der außerordentlichen Qualität ihrer Produkte über Dresden hinaus einen Namen machte. Der Begründer und Inhaber, Gottfried Luithard Lippold (1836-1904), war ein gelernter Täschner und Tapezierer aus dem Vogtland, dessen Erfolgsprinzip auf der Verwendung hochwertiger Materialien und innovativer Herstellungsprozesse gründete. Im Februar 1863 beantragte er das Dresdner Bürgerrecht sowie das Gewerberecht für ein Täschnerei- und Tapezierereigewerbe. Dank der rastlosen Tätigkeit und der hervorragenden Fachkenntnisse Lippolds florierte das Geschäft. Wie aus der historischen Geschäftsempfehlung, unserem Archivale des Monats September, ersichtlich ist, wurden in der Fabrik zunächst Reise- und Musterkoffer gefertigt sowie Taschen aller Art und Militärausrüstungsgegenstände. Später nahm G. L. Lippold auch die Produktion der truhenartig gestalteten Rohrplattenkoffer auf. Dieses Koffermodell erfreute sich bei den Reisenden wegen seiner Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit – trotz des erhöhten Preises – großer Beliebtheit. Im Jahr 1880 meldete Lippold die aus Javarohr gefertigten Koffer zum Patent an. Die eingetragene Schutzmarke, die im Briefkopf des abgebildeten Schreibens zu sehen ist, betont auf kreative Weise noch einmal die Leichtigkeit der Koffer – der Storch im Zentrum des dreieckigen Metallblättchens bringt kein Neugeborenes, sondern einen Lippold‘schen Rohrplattenkoffer.
Wie aus der im Stadtarchiv aufbewahrten Bürger- und Gewerbeakte für Herrn Lippold hervorgeht, reichte der ursprüngliche Fertigungsort auf dem Grundstück Trompeterstraße 19 bald nicht mehr aus, so dass weitere Werkstätten in der Stephanienstraße 49, in der Blasewitzer Straße 45 und in der Trinitatisstraße 36 eingerichtet wurden. Im Kellergeschoss befanden sich Rohrhandpressen und eine „Fraismaschine“ für das Zerlegen des Rohrs und das Pressen der Platten. In den oberen Etagen waren die Arbeiter mit Beziehen, Streichen, Schablonieren, Lackieren, Leimen und Trocknen beschäftigt. Der „durch das Leimen und Beziehen der Rohrplatten entstehende nach der Straße abziehende widerwärtige Geruch“ führte zu Beschwerden aus der Nachbarschaft, weshalb der für die Überprüfung verantwortliche Bezirksinspektor festlegte, dass die straßenseitigen Fenster stets geschlossen zu halten seien. Die Ausstattung der Werk- und Arbeitsräume entsprachen den damaligen neuesten Standards. Die Räume waren hell, geräumig und gut ventiliert und mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung ausgestattet. Neben einem Essraum standen den mehr als 100 männlichen Arbeitern im Alter von über 16 Jahren sanitäre Anlagen zur Verfügung. Auch auf Maßnahmen zum Arbeitsschutz wurde Wert gelegt.
Auch wenn die Dresdner Reiseutensilien-Fabrik G. L. Lippold 1931 in Folge der Weltwirtschaftskrise erlosch, können Liebhaber bis heute Exemplare der Lippold‘schen Rohrplattenkoffer im Antiquitätenhandel erwerben. Zeitlos ist auch der Verweis auf die Fabrik in der Weltliteratur Erich Kästners. Wie im vierten Kapitel seiner Autobiographie „Als ich ein kleiner Junge war“ nachzulesen ist, ging sein Vater jeden Morgen in die Trinitatisstraße, um in der „Kofferfabrik Lippold“ den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, Bestand 17.4.1 Drucksammlung bis 1945, Sign. 277, Geschäftsempfehlungen „L“.
Claudia Richert
August 2020
Das verschollene Kruzifix. Werden und Vergehen eines Wahrzeichens
Die Hochflut der Elbe im Jahr 1845 war eine der bedeutsamsten Naturkatastrophen in der sächsischen Geschichte. In der damals einzigen städtischen Elbüberquerung, der heutigen Augustusbrücke, fand der aufgewühlte Strom einen besonders unliebsamen Widersacher. Auf dem Höhepunkt des Hochwassers am 31. März 1845 riss die Elbe einen Teil des fünften Brückenpfeilers mitsamt dem darauf befindlichen Wahrzeichen in die Tiefe. Dabei handelte es sich um ein vergoldetes Kruzifix, das auf einem mit Inschriftentafel versehenen Felsenpostament aus Pirnaer Sandstein über der Elbe thronte und insgesamt etwa acht Meter hoch gewesen sein soll. Das Monument war ein beliebter Ort der Andacht und des Gebets für fromme Christen und galt als Symbol für die „historisch begründete Verbindung der Brücke mit dem Heiligen Kreuz“ in Dresden.
Der bekannte Glockengießer Andreas Herold (1623–1696) goss das Kruzifix aus Metall, das bereits 1670 unter Kurfürst Johann Georg II. (1613–1680) aufgestellt wurde. Aber schon im 16. Jahrhundert hatten ältere Kruzifixe die Brücke geziert. Bei den Brückenarbeiten unter August dem Starken (1670–1733) wurde das jüngste Modell im Jahr 1731 versetzt und durch den massiven Unterbau aus Sandstein nach Entwürfen von Zacharias Longuelune (1669–1748) ergänzt. Als unterer Abschluss des Kruzifixes wurde eine vergoldete Weltkugel mit Schlange gesetzt. Vor der Sprengung der Brücke im Jahr 1813 durch die französische Armee konnte das Monument noch entfernt werden und blieb somit unversehrt. Den unnachgiebigen Kräften des Elbstroms vermochte es jedoch nicht zu entkommen: am Vormittag des 31. März 1845 zeichnete sich ein Riss im sogenannten „Kreuzpfeiler“ ab, bevor dessen Hinterhaupt und Zierde „mit lautem Getöse" in die Fluten stürzte. In den folgenden Jahren ergaben sich jedoch keine Kapazitäten, die Wiederherstellung des Wahrzeichens voranzutreiben, da zunächst die Behebung der schweren Flutschäden höchste Priorität hatte.
Die Reparatur der Brücke wurde zwar umgehend in die Wege geleitet, allerdings konzentrierten sich die Arbeiten auf die schnelle und zugleich langfristige Sicherung des infrastrukturell höchst bedeutsamen Bauwerkes. Ab den 1850er Jahren erregte die Frage nach der Wiederherstellung des Kruzifixes zunehmend das öffentliche Interesse. Insbesondere gab es mehrfach private Initiativen, das Kruzifix zu bergen und wieder aufzustellen, damit „das lebendige Andenken an diese christliche monumentale Zierde“ nicht verloren ginge. Bei den Erörterungen im Stadtrat wurde dann zwar auch eine Prüfung der Wiederherstellung beschlossen, allerdings verlief das Projekt im Sand. Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass bereits bei der umgehend eingeleiteten Reparatur die erneute Aufnahme eines derart ausladenden Bauwerks wegen der statischen Problematik nicht berücksichtigt wurde. Obwohl in den ersten Jahren nach dem Unglück sogar ein „Taucherapparat“ für die Auffindung verwendet worden sein soll und auch später zahlreiche Nachforschungen erfolgten, blieb das Kruzifix bis heute verschollen.
Quelle: Pescheck, C. J. L.: Der Einsturz des Kreuzpfeilers beim Hochwassers 1845, Dresden, um 1845, bearbeitet.
Johannes Wendt
Juli 2020

© Repro Stadtarchiv Dresden
Schneller und bequemer über die Elbe. Die Einweihung der Carolabrücke vor 125 Jahren
Im Juli vor 125 Jahren gab es in Dresden ein Großereignis. Nach fast drei Jahren Bauzeit konnte am 6. Juli 1895 die Königin-Carola-Brücke eingeweiht werden. Benannt wurde sie nach Carola von Wasa-Holstein-Gottorp, der sächsischen Königin und Ehefrau von König Albert. Die Einweihung fand im Beisein der königlichen Familie statt. Zudem hatte die Stadt, in Person des Oberbürgermeisters Beutler, viele Honoratioren zum Festakt eingeladen. Die Carolabrücke war mit Fahnen und Laubgewinden geschmückt und auf der Altstädter Seite standen die beteiligten Gewerke in ihrer Tracht und mit ihren Abzeichen aufgereiht. Um 10 Uhr „kündeten lebhafte Hochrufe von seiten des zahlreichen Publikums das Nahen der königlichen Majestäten an.“ Oberbürgermeister Beutler begrüßte das Königspaar und begleitete sie zu ihren Plätzen in den tempelförmigen Schmuckbau, der mit blau gelben Tüchern geschmückt war.
Der Stadtbaurat Herrmann Klette leitete den Bau der Brücke, mit dem man dem zunehmenden Verkehrsaufkommen der Großstadt Rechnung trug. In der Mitte fuhren zweigleisig die Straßenbahnen. Für den Güterverkehr waren links und rechts der Schienen die Fahrwege für die Fuhrwerke sowie anschließend Gehwege angelegt. Für die Überquerung der Carolabrücke wurde ein Brückenzoll erhoben, so wie es auch schon bei der Augustus- und Albertbrücke üblich war. Personenwagen bezahlten 10 Pfennige je Zugtier. Ebenso mussten 10 Pfennige für beladene und unbeladene Fuhrwerke je Zugtier bezahlt werden. Eine Ausnahme bildeten Hundefuhrwerke. Da reduzierte sich der Brückenzoll um die Hälfte auf 5 Pfennige. Vom Brückenzoll ausgeschlossen waren alle Hofequipagen, kaiserliche, königliche und städtische Beamte, Militär und Feuerwehr sowie Leichenwagen. Nach Ende der Einweihungsfeierlichkeiten wurde die Brücke dem öffentlichen Verkehr übergeben.
Bis zum 7. Mai 1945 verband die Carolabrücke die Altstädter und Neustädter Seite. Einen Tag vor Kriegsende wurde sie, vor der anrückenden Roten Armee, gesprengt. Die Beschädigungen waren so groß, dass man sich nach Kriegsende entschied, die Brücke stückweise abzureißen. Erst 1967 begannen die Arbeiten für eine neue Elbquerung an alter Stelle. Die neue Brücke trug den Namen des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten und Dresdner Oberbürgermeister, Dr. Rudolf-Friedrichs. 1991 erhielt sie ihren ursprünglichen Namen zurück.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.1.1 Ratsarchiv, A.XXIV.90.
Marco Iwanzeck
Juni 2020
Zur Historie der Badekultur an der Prießnitz. Erquickende Heilkraft und „anstößigste Schauspiele“?
Erstmals im Jahr 1810 beantragte der Amtsrichter Carl Gottlieb Hartzsch (1757-1811) eine Konzession für die Anlegung eines Flussbades in der Prießnitz. Nach dessen Beschreibung waren zu dieser Zeit täglich „mehrere hundert Menschen“ in dem Flüsschen baden. Zahlreiche Wohlhabende hätten sogar wegen der medizinisch erprobten Heilkraft des Wassers ihre Sommerwohnung in der Nähe gewählt. Bei dem Andrang auf das Badeparadies ergaben sich allerdings Bedenken, da das Baden an den nur wenigen tiefen Stellen besonders begehrt war und hier wegen der fehlenden Geschlechtertrennung „die größte Schaamlosigkeit“ herrschen würde. Spazierende wären so dem „anstößigsten Schauspiel“ ausgesetzt und „anständige“ Badewillige am heilsamen Baden gehindert. Gesundheitliche und soziale Benachteiligungen sollten demnach mit der Einrichtung eines ordnungsgemäßen Badebetriebes beseitigt werden. Der Antrag wurde aber zunächst mit Verweis auf mögliche Schäden an den kostbaren königlichen Holzplantagen im Prießnitzgrund durch den Besucherverkehr abgelehnt.
Die Konzession für die Anlegung eines Bades mit Separierung der Geschlechter und adäquatem Sichtschutz erlangte dann erst der Kaufmann Carl August Rehbock (1802-1848) im Jahr 1835, sodass die „vorzügliche Heilkraft“ auch denjenigen zugänglich gemacht werden konnte, „in denen noch nicht der letzte Funken von Tugend und Gefühl für Sittlichkeit erloschen“ wäre. Anfangs störten die Vergnüglichkeiten in der Badeanstalt unweit des Alaunplatzes nur die lautstarken Übungen der Tamboure auf dem Exerziergelände. Eine zugehörige Restauration versorgte die Gäste sogar mit „Butterbrod“, Bier und Wein. Nach einer chemischen Untersuchung im Jahr 1838 konstatierte der renommierte Arzt und Apotheker Dr. Friedrich Adolph August Struve (1781-1840) eine exquisite Reinheit des Prießnitzer Wassers und verglich dessen Qualität sogar mit Heilquellen in Leuk und Pfäfers in der Schweiz. Auch dem feinen Sand wurde eine besondere Heilwirkung beigemessen: „Sandbaden“ hatte damals Konjunktur und konnte an der Prießnitz mit ihren sandigen Böden ausgiebig gepflegt werden.
1839 übernahm der Arzt Dr. Friedrich Wilhelm Ruschpler (1789 - 1861) das Prießnitzbad mitsamt Schank- und Speisewirtschaft, der im Übrigen zuvor auch das erste Dampfbad in Dresden eröffnet hatte. Aufgrund der befürchteten sittlichen Verführungen wurden sonstige Badeplätze für die jeweiligen Geschlechter restriktiv festgelegt und streng kontrolliert: bei Zuwiderhandlungen war mit „ernsthafter Zurechtweisung und nach Befinden gesetzlicher Bestrafung“ zu rechnen. Trotzdem erfolgte schon 1872 die Schließung des Badeplatzes für Frauen wegen vermeintlichen „Unzuträglichkeiten“. Letztlich verschwanden aber vor allem mit der fortschreitenden Bebauung entlang des Prießnitzlaufes sukzessive die offiziellen kostenfreien Badeplätze, obwohl diese insbesondere für die zahlreichen ärmeren Kinder aus der Antonstadt auch stets eine wichtige hygienische Funktion erfüllt hatten. Eine Verschiebung der Freiräume war kaum möglich, da die Heide als Staatsforst dem Zugriff der Stadt entzogen war. Die Prießnitzmündung blieb hingegen als Refugium der Badekultur an der Prießnitz für Kinder erhalten.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.2, Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XV664, unbekannter Fotograf.
Johannes Wendt
Mai 2020
„Appetitlich frisch – für den Gästetisch“ eine Menüempfehlung von Rudolf Hoppe. Ein Meilenstein Dresdner Gastronomiegeschichte residiert im Stadtarchiv Dresden
Kennen Sie noch den „Hoppe-Keller“ oder „Neustädter-Keller“ im Bahnhof Dresden-Neustadt? In der Zeit von 1936 bis 1945 wurde dieser von Rudolf Hoppe geleitet. Ein Teil seiner persönlichen Sammlung konnte durch das Stadtarchiv übernommen werden und ergänzt die Bestände zur Gastronomie um bedeutende Unterlagen. In der Sammlung befinden sich neben persönlichen Unterlagen und Erinnerungsstücken aus dem 1. Weltkrieg auch zahlreiche Speisekarten des ehemaligen „Hoppe Restaurants“ im Bahnhof Neustadt. Die Speisekarten geben nicht nur Auskunft über das Angebot von Speisen und Getränke, sondern spiegeln in Bild- und Textgestaltung die politische Lage der jeweiligen Zeit. So zeigt die Sammlung Rudolf Hoppe die Entwicklung der Dresdner Gastronomie während der beiden Weltkriege bis in die 1970er Jahre hinein.
Rudolf Hoppe wurde am 29. September 1894 geboren und entschied sich nach dem Vorbild seiner Eltern für eine Ausbildung im Gastgewerbe. 1913 schloss er seine Gesellenprüfung als Koch ab und begab sich für Praxiserfahrungen nach Stockholm, Rom und Paris. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges kehrte er nach Dresden zurück und trat in den Militärdienst ein. Ab 1920 beteiligte er sich am Geschäft seiner Eltern, die das Restaurant im Bahnhof Dresden-Neustadt, den sogenannten Hoppe-Keller, unterhielten. Als 1936 sein Vater starb, übernahm Hoppe die alleinige Führung des Gasthauses.
Hoppe zeichnete sich durch kreatives Handeln und ideenreiches Marketing aus. Das brachte dem „Hoppe-Keller“ viel Aufmerksamkeit und Erfolg einbrachte. Der Gastronom entwickelte für sich eine eigene Philosophie, bei der die Zuwendung gegenüber dem Gast an erster Stelle stand. So machte er sich seine im Ausland gewonnenen Erfahrungen zu Nutze und schuf illustre zum Teil mehrsprachige Speisekarten, die nicht nur das Angebot, sondern auch Sprüche zur Unterhaltung und Werbung für sein Restaurant enthielten. In diesem Kontext entstand auch unser Archivale des Monats April der „Leitfaden für HOPPE Gäste“. Dabei handelt es sich um die Menükarte der Bahnhofsgaststätte, liebevoll als „Magen-Fahrplan“ deklariert, für Pfingsten 1943. Während die eine Seite die Auswahl an Speisen auflistet, darunter Gulasch mit Leipziger Allerlei, Kalbs- und Schweinebraten sowie ein vitaminreicher Gemüseteller mit Kartoffeln „Fleischlos und doch so gut“ genannt, befand sich auf der Rückseite der erwähnte „Leitfaden“. Auf humoristische Weise wurde der Gast mit seinen Aufgaben im Rahmen seines Aufenthaltes im Restaurant konfrontiert. Dazu gehörten neben dem Bereithalten der Lebensmittelkarten, die, „Gefühlskontrolle“ bei längerer Wartezeit sowie das pünktliche Verlassen des Restaurants bei Ladenschluss „Letzte Strassenbahn“ genannt.
Nach Kriegsende wurde ihm die Weiterführung seines Restaurants untersagt. Für Hoppe waren die Jahre nach 1949 eine durchwachsene Zeit, in von finanziellen und persönlichen Krisen geprägt war. Dennoch bewahrte sich der Gastronom sein optimistisches Auftreten, sein Engagement sowie seine Zielstrebigkeit und war im Alter von 71 Jahren sogar wieder Restaurantleiter des HO-Gaststättenbetriebes Dresden.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.2.88 Gastronomische Sammlung
Meike Dietrich
April 2020
Stadtplanung mal anders. Ein Vorschlag zum Wiederaufbau Dresdens
Schon einen Monat nach Kriegsende, im Juni 1945, arbeitete die Stadtverwaltung daran, den Wiederaufbau der Stadt zu planen und zu organisieren. Dafür wurden im Stadtgebiet Plakate für die Bevölkerung ausgehangen, die insbesondere Architekten und Bauplaner ansprechen sollten, um Ideen und Konzepte für den Wiederaufbau an die Stadtverwaltung zu senden. Der Aufruf zur Beteiligung erfuhr ein sehr großes Echo und viele Vorschläge und Skizzen wurden eingesandt.
Einen besonderen Vorschlag zur Gestaltung der Innenstadt liefert der Grafiker und Werbefachmann Fritz Müller. Nach eigenen Worten stellte seine Stadtplanung „eine kühne Lösung dar, aber wenn diese in der Durchführung von einem genialen Bauwillen, technischen Können und restloser Hingabe der Mitschaffenden getragen werde, so dürfte ein neues, der Stadt würdiges Neubild entstehen.“ Die Genialität seiner Idee bestand darin, die zerstörte Innenstadt „als warnendes Menetekel“ im Zustand vom Juni 1945 zu belassen und nur die Hauptverbindungsachsen Nord-Süd und West-Ost als Geschäftsstraßen zu erneuern. Müller meinte, dass man für die Verkehrsführung das historische Georgentor entsprechend erweitert oder verbreitert. Die zum großen Teil zerstörte Innenstadt wollte Müller mit einem großen begehbaren Wall, als breiten bepflanzten Wandelgang, umgeben, der in einer späteren Ausbaustufe mit „kleinen Bastionen, Ausstellungsgebäuden, Trinkhallen, Gaststätten geschmückt werden“ kann. Die starken Außenmauern dieses Stadtwalls sollten aus den Quadern und Steinen der vorhandenen Schuttmassen entstehen und sich „als abschließender Kranz dem Barock-charakter der alten Innenstadt anpassen.“ Die Ausmaße des Walls betrugen bei einer Länge von sieben Kilometern, zwanzig Meter Breite und zwölf Meter Höhe.
Die Innenstadt war nur noch über vier Straßenunterführungen der Hauptverkehrsachsen erreichbar. Vor dem Wall sollte eine breite Ringstraße angelegt werden, die den vorhandenen Straßen angepasst und als zentrale Geschäftsstraße gedacht wurde. Müller plante für den Bereich der Altstadt ein riesiges Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung in Form der stehengebliebenen Ruinen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 4.1.9 Dezernat Aufbau, Nr. 9, Bl. 20.
Marco Iwanzeck
März 2020

© Stadtarchiv Dresden, Repro
„So er wil haben frembd getrenck an weyn und bier..“ Eindrücke vom Ratskellerbetrieb vor 400 Jahren
Anfang des 15. Jahrhunderts wurde der älteste Dresdner Ratskeller im Rathaus auf dem Altmarkt erstmals in Baurechnungen erwähnt. Zwischen 1460 und 1569 war es allein das Privileg des Dresdner Rates, „frembde“ Weine und Biere auszuschenken. Der Verkauf in den Ratskellern entwickelte sich dadurch bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhundert zu einer außerordentlichen städtischen Einnahmequelle, zumal das einheimische Bier damals keinen besonders guten Ruf hatte. 1550 waren die Einnahmen sogar fast so hoch wie die direk-ten Steuern und machten rund ein Viertel der gesamten Einnahmen aus. Das fremde Bier stammte vor-nehmlich aus Freiberg, aber auch aus Torgau, Belgern, Kamenz, Naumburg, Ortrand und Zerbst. Zunächst hatte der Schenke, später ein eigens verpflichteter Bier- und Ohmherr oder Kellermeister zu gewährleisten, dass nur „wol schmeckende und unthadelhafftigk“ Weine und Biere bezogen wurden. Der Verkauf von Nei-gen oder „schal und vertorbenen“ Getränken war dem Schankwirt ausdrücklich untersagt. Preislich war das importierte Bier etwa doppelt so teuer wie das einheimische, insofern stammte auch das Publikum im 16. Jahrhundert eher aus wohlhabenderen Kreisen und war überschaubar: im Jahr 1505 standen gerade einmal 27 Zinnkännchen als Trink- und Schankgefäße zur Verfügung. Mit der Eingemeindung der heutigen Dresdner Neustadt 1549 und der Anlegung eines Kellers im Gewandhaus auf dem Neumarkt 1592 bereicherten zwei weitere städtische Bier- und Weinkeller den Schankbetrieb.
Nach der Kellerordnung vom 1. April 1619 hatten sich alle Gäste zu richten, die sich in den Ratskellern „eines Truncks erhohlen“ wollten. Fluchen, Schelten, Gotteslästerung und Schmähen „frommer ehrlicher Leuthe“ wurden hiernach mit Geld- und Gefängnisstrafen geahndet, die Beleidigung der „lieben Obrigkeit“ sogar mit Leib- und Todesstrafen. Auch für Handgreiflichkeiten, etwa indem „einer dem andern Maulschellen“ gab, waren Geldstrafen vorgesehen. Kamen dabei aber „Tolche oder Brod-Messer“ zum Einsatz, wurde hierfür die „frevelnde“ Hand, mit der die Klinge gezogen wurde, abgehauen. Diese martialische Ahndung war seit 1564 auch durch ein Gemälde, bestehend aus einer Komposition von Stock, Hand und Beil, in der Trinkstube des Kellers auf dem Altmarkt präsent. Ansonsten waren etwa Karten- und Würfelspiele ausdrücklich zuge-lassen, insofern sie friedlich und ohne Betrügereien verliefen. „Viehisches Schreyen und Jauchtzen“ waren hingegen verboten, ebenso „das liebe Geträncke“ vorsätzlich zu verschütten oder Tische und Bänke mit Namen, Reimen oder gar „unnützen unverschämten Gemäldten“ zu verunstalten. Nach einer Feuersbrunst im Jahr 1653, die sich durch Unachtsamkeit beim Rauchen im Neumarktskeller entwickelt hatte, wurde auch das damals so bezeichnete „Taback-Trincken“ in den Ratskellern ausdrücklich untersagt. Im Übrigen wurden diejenigen, die sich etwa aus mangelnder Einsicht an der Kellerordnung vergriffen, mit vier Wochen Gefäng-nis bei Wasser und Brot bestraft. Da war gutes Benehmen bei einem „wol schmeckenden frembden“ Bier im Ratskeller durchaus die bessere Alternative.
Quelle: Abbildung nach Emil Rieck (1852-1939), in: Baensch, W. (Hg.): Erinnerungen an den Ratskeller. Deutsche Städte-Ausstellung, Dresden 1903 (Ausschnitt, retuschiert).
Johannes Wendt
Februar 2020
"Geheimnisse unter der Maske" - Fasching 1906. Vom Tanz- und Maskenball im Dresdner Geselligkeitsverein "Harmonie"
Werden die kalten dunklen Wintermonate mit Tristesse und Schwermütigkeit in Verbindung gebracht, so galt die Ballsaison in den vorangegangenen Jahrhunderten als probates Mittel zur vergnügsamen Geselligkeit. Die Ballsaison startete am 11. November eines jeden Jahres und erlebte in den Monaten Januar und Februar ihren Höhepunkt. Den krönenden Abschluss bildeten die Faschingsveranstaltungen mit aufwendigen Maskenbällen. Wie eine solch illustre Veranstaltung ausgesehen haben kann, verrät unser Archivale des Monats. Dabei handelt es sich um eine spielerisch und farbenfroh gestaltete Festordnung der Gesellschaft Harmonie aus dem Bestand Drucksammlung mit dem Titel: „Harmonie Dresden - Maskenfest am 27. Febr. 1906“.
Ballvergnügungen waren um diese Zeit keineswegs mehr der adligen Gesellschaftsformation vorbehalten. Bereits ab der Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich im Zuge bürgerlicher Angleichungsprozesse in Dresden Geselligkeitsvereine gegründet. Der Verein „Harmonie“ wurde 1786 als Lesegesellschaft gegründet. Der Zweck der Verbindung bestand in „Erholung im geselligen Umgange“ und vor allem “unschuldiges und erlaubtes Vergnügen zu genießen und auf mehrere und gute Menschen zu verbreiten“. Den Mitgliedern der Harmonie stand neben dem Garten mit Kegel- und Schießplatz weiterhin ein Klub-, Spiel- und Lesezimmer in ihrem Gesellschaftshaus zur Verfügung. In den Gesellschafträumen wurde für Weinausschank und Gastronomie gesorgt. Neben Konzerten fanden auch Theateraufführungen, Liederabende und Ausflüge statt.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich aber die Feste und Bälle, die vornehmlich samstags, sonntags und montags veranstaltet wurden. Voraussetzung zur Teilnahme war neben der Mitgliedschaft in der Harmonie eine „salonfähige Kleidung“ entsprechend der Kleidungs- und Ballordnung. Das Maskenfest der Harmonie am 27. Februar 1906 begann um 19.30 Uhr mit dem ersten Programmpunkt „Geheimnisse unter der Maske“. In dieser Zeit traten geladene Gäste wie eine spanische Tänzerin oder ein Pariser Pantomimen-Quartett auf. Um 22 Uhr erfolgte der Aufruf zur Polonaise und zur anschließenden Demaskierung der Teilnehmer. Abschließend führten ausgewählte Mitglieder der Harmonie ein Theaterstück auf, dessen Text als Begleitheft den Besuchern zur Verfügung gestellt wurde. Auf einem Thronsessel auf dem Podium saß die in „olympischen Höhen residierende Harmonie“, die einer dringlichen Einladung des Vorstandes zur Teilnahme am Maskenfest gefolgt war. Die Rolle der Harmonie übernahm Fräulein Opitz. Nach dem Gruppentanz kam Prinz Karneval, in Person von Herrn Dr. Schaffrath, mit seinem Auto in den Festsaal gerast, um die Harmonie zu ehelichen. Die Harmonie wies ihn wegen seines ungestümen Werbens ab. Damit den lebensfrohen Prinzen Karneval nicht die Traurigkeit übermannte, vermählte die Harmonie ihn mit der reichen Industria. So nahm die Theateraufführung beim Maskenball das Zeitgeschehen auf witzige Art und Weise aufs Korn.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.4.1 Drucksammlung, Nr. 142
Sylvia Drebinger
Januar 2020
Vom Mehlspeicher zum Geschichtsspeicher der Stadt Dresden. Vor 20 Jahren bezog das Stadtarchiv die Heeresbäckerei.
Am 18. Januar 2000 öffnete das Stadtarchiv Dresden seine frisch sanierten Pforten in der ehemaligen Heeresbäckerei auf der Elisabeth-Boer-Straße 1. Der vergangene Hauptsitz auf der Marienallee im alten Kriegsarchiv der sächsischen Armee verfügte über sieben weitere Außenstellen in der Stadt seit 1945 und war stark sanierungsbedürftig. Der Stadtratsbeschluss vom 25. September 1997 bestätigte den neuen Standort des Stadtarchivs und dessen Entwicklungskonzeption mit den benötigten Finanzplanungen. Somit können seit der Zusammenführung mit den Außenstellen im Jahr 2000 und dem dazugehörigen Zwischenarchiv (2012) derzeit 42 Kilometer Archiv- und Sammlungsgut aufbewahrt werden. Darunter befinden sich 4200 Urkunden, 123 000 Karten, Pläne und Risse, 517 000 Fotos sowie 45 000 Bibliotheksbände aus der über 800-jährigen Geschichte der Stadt Dresden.
Das Gelände der ehemaligen Heeresbäckerei in der Dresdner Albertstadt umfasst ungefähr 9 ha und war Bestandteil der nach dem Deutsch-Französischen Krieg vom damaligen sächsischen Kriegsminister General von Fabrice entworfenen Garnisonsstadt. Nach 1877 wurde dieses Areal nach König Albert umbenannt. Die für das Militär konzipierte Heeresbäckerei nutzten bis 1991 die jeweiligen Militärverbände, zuletzt die Sowjetarmee. Von 1993 bis 1999 verfiel das Gebiet und eine Nutzung erfolgte nur teilweise.
Die Archivale des Monats zeigt eine Momentaufnahme des ehemaligen Mehlspeichers aus dem Jahr 1993. Professor Jörg Schöner dokumentierte im Auftrag für den Freistaat Sachen die ehemaligen GUS-Liegenschaften. 2000 zog nach der schrittweisen Sanierung des denkmalgeschützten Areals das Stadtarchiv ein. Anstelle von Mehl lagern stattdessen historische Archivalien – dazu zählen auch die zahlreichen Fotografien von Jörg Schöner. Das Stadtarchiv Dresden übernahm im September 2018 den fotografischen Bestand von Professor Schöner mit circa 32.000 Fotos. Anlässlich seines 75. Geburtstags zeigt das Stadtarchiv eine besondere Auswahl von seinen Fotografien. Die Bilder dokumentieren öffentliche Bauvorhaben des Freistaats Sachsen und der Stadt Dresden. Zu seinem Portfolio gehören ebenfalls Bilder von den Sparkassengebäuden am Güntzplatz und Altmarkt sowie von der Kreuzkirche, Hofkirche und Synagoge. Jörg Schöner entwickelte ein digitales System zur Darstellung von Fassaden- und Gebäudeoberflächen in Originalgröße. Diese Methode unterstützt Restauratoren bei Aufmaßarbeiten und bildet die Grundlage der Zustandsdokumentation des rekonstruierten Historischen Grünen Gewölbes und dem Monitoring-Programm am Dresdner Zwinger. Vervollständigt wird der Bestand durch die Übergabe seines Luftbildarchivs der Jahre 1992 bis 2011, in dem besonders die Veränderungen der Dresdner Innenstadt dokumentiert wurden.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.6.2.23, Bildarchiv, Jörg Schöner.
Annemarie Niering
Archivalien des Monats aus dem Jahr 2019
Dezember 2019
„Alle Jahre wieder“ beginnt die Jagd nach den Geschenken. Geschäftsempfehlungen für ein freudiges und stressfreies Weihnachtsfest 1893
Spätestens ab September eines jeden Jahres begegnen sie uns, die Pfefferkuchen, Weihnachtsmänner, Marzipankartoffeln und viele andere mehr. Auf diese Weise wird jedem Supermarkteinkäufer klar – es weihnachtet sehr. Dagegen hilft die alljährliche Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes ebenso wenig wie die statistischen Erhebungen zum gewünschten Verbot eines verfrühten Verkaufes einschlägiger Weihnachtsprodukte. Nicht selten geht die Kritik mit einer Verklärung der vorangegangenen Weihnachtsfeste mit dem Duktus der „guten alten Zeit" einher, in der Besinnlichkeit, innere Einkehr und die Freude am Selbstgemachten vermeintlich im Vordergrund standen. Doch wann liegt dieser Zeitraum historisch verortet? Vor einigen Jahrzehnten oder bereits im vorletzten Jahrhundert? Versucht man dieser Frage über ihren rhetorischen Charakter hinaus nachzugehen, sieht man sich mit der Recherche nach dem Beginn der modernen Konsumgesellschaft konfrontiert.
Zwar können wir mit unserem „Archivale des Monats“ die Forschung nicht bahnbrechend vorantreiben, aber wir können anhand unserer 50-seitigen Broschüre „Unser Weihnachtsmarkt 1893/94. Wegweiser für Käufer zu empfehlenswerthen Geschäften“ einen kleinen Einblick in das Einkaufsverhalten der Dresdner für das Weihnachtsfest 1893 geben. Das aufwändig gestaltete Deckblatt stellt den Leser bereits auf die nahenden Feierlichkeiten ein und verspricht mit seiner reichen Sammlung an ebenfalls detailreich gezeichneten Geschäftsempfehlungen die Suche nach dem richtigen Geschenk für Freunde und Familie zu verkürzen. Empfohlen wurden Leckereien wie Schokolade und Kakao der Firma „Jordan & Timaeus“, edle Taschenuhren und Stiefel für den Herrn, Schmuckstücke und Einrichtungsgegenstände für die Dame, Kinderfahrräder der Firma „Seidel & Naumann“ sowie Musikinstrumente und Künstlerbedarf. Die Broschüre leistete aber durchaus mehr und vermittelte mit einem mehrseitigen Bericht über die Sehenswürdigkeiten der Stadt ein kulturelles Angebot, das an den freien Tagen mit möglichen Feiertagsgästen genutzt werden konnte. Zum Service der Broschüre gehörte ebenfalls eine Auflistung der Theater- und Opernhäuser, die zugleich mit einem Sitzplan und passenden Preiskategorien ausgestattet war. Darüber hinaus garantierten Fahrpläne für Straßenbahnen und Omnibusse eine sichere An- und Abreise. Auch die Angabe der anfallenden Portogebühren beim Paketversand sollte die Besorgung der Weihnachtsgeschenke vereinfachen. Der Kauf von Geschenken spielte augenscheinlich bereits am Ende des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Auch wenn die Tradition des Geschenkes bereits seit dem Mittelalter verbrieft ist, kann über die Jahrhunderte hinweg ein Wandel im Stellenwert der Präsente nachvollzogen werden. Beeinflusst wird die Geschichte der Geschenke insbesondere durch die Tatsache, dass diese ursprünglich selbst gefertigt und nicht gekauft wurden. Ein Blick in die Werbeannoncen um 1800 bestätigt, dass das Weihnachtsfest beziehungsweise der Nikolaustag den Handel zu dieser Zeit kaum tangierte. Einen wahren Boom erlebte die „Geschenkelobby“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, befördert durch die Industrialisierung zahlreicher Gewerbezweige. Ein reich gedeckter Gabentisch und ein ausgeprägtes Festmahl fanden sich aber keineswegs in jeder Stube, auch wenn die Produktvielfalt der Geschäftsempfehlungen dies suggerierten. Die Kinder weniger gut situierter Familien gingen häufig leer aus oder erhielten Selbstgemachtes wie beispielsweise Handschuhe oder Holzspielzeuge. In ihrem Weihnachtsfest überlebt die Tradition vom Selbstgemachten bis in die heutige Zeit hinein und verspricht uns allen „So viel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit“.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Wissenschaftlich-Stadtgeschichtliche Fachbibliothek, Hist. Dresd. 1875.
Sylvia Drebinger
November 2019
Die Individualität der Ansichtskarte.Vor 90 Jahren wurde der Bau des Hochhauses am Albertplatz auf einer Ansichtskarte verewigt
Als am 1. Oktober 1869, vor 150 Jahren, die österreichisch-ungarische Post die „Correspondenz-Karte“ eingeführt wurde, traf sie damit genau den Zeitgeist der Bevölkerung nach kurzer bildlicher Kommunikation. Schon in den 1870er Jahren kam die Idee auf, das neue Medium zum populären Bildträger weiterzuentwickeln. Kaum ein Thema wurde ausgespart: Gruß- und Glückwunschkarten, Ansichten von Landschaften, Städten und Dörfern. Abgebildet wurden Vergnügungsorte, Kunst, Sport, Liebe, Erotik und Humor. Die Bandbreite umfasste ebenso Bilder aus der Politik und technische Errungenschaften. Der Ausdruck der Individualität ging soweit, dass sogar der Rohbau des Hochhauses am Albertplatz auf einer Ansichtskarte abgebildet wurde, die im Stadtarchiv im November vor dem Lesesaal ausgestellt ist.
Noch heute prägt das markante Gebäude die Silhouette des Albertplatzes und bildet den Eingang in die Äußere Neustadt. Der Stahlbeton-Skelettbau wurde im Jahr 1929, vor 90 Jahren, nach Plänen von Hermann Paulick für den Regierungsrat Dr. Alfred Hesse geschaffen. Als Bauherr hatte Hesse ursprünglich andere Vorstellungen über die architektonische Bauausführung. Vorgesehen war eine zeittypische Eckbebauung mit Gewerbe- und Wohnnutzung in fünf Geschossen. Erst später veränderte man die Entwürfe und entschloss sich, ein Hochhaus zu bauen. Das Gebäude am Albertplatz ist damit das älteste Bürohochhaus in Dresden.
Auf der Postkarte lässt sich am Baugerüst ein Schriftzug erkennen, auf dem zu lesen ist „Wer schnell bauen will – baut in Betonskelett“. Für die Bauausführung des Hochhauses konnte mit Benno Löser ein anerkannter Betonfachmann gewonnen werden, der schon das Stahlbetonskelett der Yenidze konzipierte. Löser schaffte es mit dem seinerzeit neuen frühhochfesten Zement, jede Woche ein Geschoss zu vollenden. Das elfgeschossige und 37 Meter hohe Verwaltungsgebäude fand in der Sächsischen Staatsbank in den Jahren von 1929 bis 1945 seinen Hauptnutzer. Bei den Luftangriffen 1945 wurde das Hochhaus beschädigt, aber nicht zerstört. Laut Bauakte waren „durch Bombenwirkung Teilschäden an der Umfassung, sehr viel eingedrückte Scheidewände, fast sämtliche Türen, Fenster und Parkettfußböden zertrümmert und verbrannt, die Dächer stark beschädigt“.
Schon im August 1945 ging man an den Wiederaufbau, indem man den Ausbau einer Zahlstelle der Sächsischen Landesbank sowie Räume für die Dresdner Straßenbahn AG plante, um die Straßenbahnverwaltung, die bisher im Alten Rathaus untergebracht war, hier einziehen zu lassen. Knapp fünf Jahrzehnte war das Hochhaus dann bis 1996 Verwaltungssitz der Dresdner Verkehrsbetriebe. Heute beherbergt das Hochhaus auf vier Etagen das Museum „Die Welt der DDR“.
Quelle: 17.6.1 Ansichtskartensammlung, SN071
Marco Iwanzeck
Oktober 2018
„..eine heimbliche und verborgene Entzündung..“ Vor 350 Jahren verursachten Blitze eine Feuersbrunst in der Kreuzkirche
Am 29. April 1669 erschütterte gegen 22 Uhr ein mächtiger Donnerschlag den Himmel über Dresden. Zugleich durchschlugen mehrere Blitze die Fenster in der Stube des Stadtpfeifers und der darüber liegenden Kammer im Turm der Kreuzkirche, sodass das Fensterblei zerschmolz und sich ein Leinentuch entzündete. Außerdem fuhr der „ein oder andere Strahl“ in die Turmspitze, wodurch sich im Inneren des Turmes eine „heimbliche und verborgene Entzündung“ entfaltete. Daher wurde das glimmende Feuer zunächst nicht wahrgenommen. Vielmehr vermuteten Zeugen, dass der dezente Lichtschein im Turm durch die Laternen der Wächter bei ihrem Kontrollgang verursacht wurde. Erst das „Geschrey von der Gaßen“ machte auf das Feuer aufmerksam, das aber nun schon „mit voller Lohe“ aus allen Seiten des Turms herausstob.
Zur Alarmierung der Einwohnerschaft wurde die große Seigerschelle im Turm geläutet, wobei unglücklicherweise auch noch Glut auf die darunterliegende hölzerne Haube fiel, die in kurzer Zeit in vollen Brand geriet. Damit wurde eine rechtzeitige Erstickung der Flammen aussichtlos. Nach etwa eineinhalb Stunden stürzte die zermürbte Turmspitze samt Knopf und Kreuz auf das benachbarte Eckhaus und gegen den Seitenturm der Kreuzkirche, der dadurch gleichsam Feuer fing. Außerdem zerschmetterten herabstürzende brennende Balken und Teile des steinernen Geländers „mit großem Gepraßel“ das Kirchdach und drohten, auch dieses in Brand zu setzen. Die Bürger und Handwerker der Stadt bekämpften die Flammen nach Leibeskräften, allerdings mussten sie das Wasser von Hand zu Hand über die zahlreichen Turmtreppen zu den Brandherden reichen.
Das Feuer loderte daher allein sechs Stunden lang „liechter lohe“ und die gesamten Löscharbeiten dauerten noch bis zum 1. Mai 1669 an. Dadurch wurde die Kirche zu guter Letzt noch völlig überschwemmt. Ungeachtet der verbrannten, hölzernen Bauteile war das Mauerwerk aus Pirnaer Sandstein durch die Hitze geborsten, durch herabgestürzte Trümmer stark beschädigt und durch das Löschwasser durchweicht. Einige Turmglocken, das Uhrwerk und die vier auf dem Turm zur Stadtverteidigung aufgestellten Kanonen, sogenannte Feldschlangen, waren durch den Brand gänzlich zerschmolzen und das Metall im Inneren der Kirche überall versprengt. Am Morgen des 1. Mai 1669 wurde sofort mit der Sicherung des stark beschädigten Gebäudes begonnen. Der Wiederaufbau, der durchweg von dem Bürgermeister und Brückenamtsverwalter Paul Zincke (1608 – 1678) geleitet wurde, dauerte schließlich mehr als fünf Jahre, bevor im November 1674 die Kreuzkirche wieder in neuem Glanz erstrahlen konnte. Im Übrigen zersprang beim Einsturz auch der Turmknopf und offenbarte diverse goldene und silberne Objekte, die der eifrige Festungsobrist Johann Siegmund von Liebenau (1607 – 1671) umgehend beschlagnahmte. Genaueres zum Inhalt des Turmknopfes kann in diesem Monat im Lesesaal des Stadtarchivs nachgelesen werden.
Quelle: Grimmer, Ch. F. (Hg.): Abbildungen von Dresdens alten und neuen Pracht-Gebäuden, Volks- und Hof-Festen, Dresden 1835, Fol. 73.
Johannes Wendt
September 2019

© Stadtarchiv Dresden
"Flambieren und tranchieren - zur Kulinarik im Kulturpalast"
„Seit Monaten freue ich mich auf den Augenblick, wo wir Leute vom Bau als erste im festlichen Saal des Kulturpalastes sitzen werden.“ Tage später betitelte die „Sächsische Zeitung“: „Ein Juwel großen Ausmaßes präsentiert sich am Altmarkt […] Bauarbeiter übergaben drei Monate vorfristig.“
Im September 1969 berichtete die Presse beinah täglich über die städtebaulichen Errungenschaften im Dresdner Stadtzentrum. Am 5. Oktober 1969 war es dann soweit, pünktlich vor dem 20. Jahrestag der DDR, eröffnete der Kulturpalast und war seitdem zentraler Austragungsort des kulturellen- und politischen Lebens. Zu den kulturellen Ereignissen zählten auch die alljährlich stattfindenden Silvester-Veranstaltungen, die den krönenden Abschluss eines Jahres bildeten. Die Köche des Hauses gestalteten Menüs, die den feierlichen Abend kulinarisch hervorhoben. Seit Eröffnung des Kulturpalastes galt die Preisstufe III im Restaurant, ausgenommen waren Sonderveranstaltungen wie die zum Jahreswechsel. An den Abenden dinierten die Gäste nach der Preisstufe Sonderklasse. Innerhalb der DDR-Gastronomie galt ein Klassifizierungssystem mit Preisstufen nach den Kategorien I bis IV, darüber hinaus rangierten die Restaurants der Sonderklasse. Je höher die Kategorie, desto umfangreicher und qualitativ hochwertiger war das Angebot an Speisen und Getränken. Beispielhaft dafür servierte das Fachpersonal 1972 ein Silvester Menü aus insgesamt fünf Gängen. Die Gäste erhielten als Erstes einen „Toscasalat" und als zweiten Gang eine Kraftbrühe „Royal“. Der Bratengang „Storchennest“ bestand aus Kartoffelnestern, einer Schweins- und Rindslende mit Champignonköpfen. Als Süßspeise folgte der Eisbecher „Silvester" und abschliessend Pfannkuchen. Im Jahr 1973 konnten die Gäste zwischen zwei Gedecken auswählen. Das erste Silvester-Gedeck eröffnete die Speisenfolge mit zwei Wachteleiern garniert auf Remoulade. Danach servierten die Kellnerinnen und Kellner eine Känguruschwanzsuppe sowie als dritten Gang eine glacierte Putenbrust mit Rosenkohl und Kartoffelbällchen. Die Eisschale „Silvester“ vollendete den kulinarischen Abend. Das zweite Silvester-Gedeck unterschied sich ausschließlich im Hauptgang. Ein gespicktes Kalbsfricandeau „Gärtnerinart“ mit Schloßkartoffeln gelangte hier auf die feierliche Tafel der Gäste. Charakteristisch für die gehobenen Restaurants der Preisstufe IV bis zur Sonderklasse war die Warenbelieferung von qualitativ hochwertigen Produkten wie beispielsweise die Fleischsorten Rind und Kalb. Hinzu kamen wie im „Restaurant Kulturpalast“ die gastronomischen Sonderleistungen. Dem Anlass entsprechend wendeten die Kellnerinnen und Kellner den englischen oder französischen Service an. Dazu gehörte auch das Flambieren und Tranchieren vor dem Gast. Zu den Qualitätsmerkmalen zählte außerdem das Angebot gedruckter Speisen- und Getränkekarten mit Tageskarten. Diese wurden in der Regel wie die Abbildung zeigt, schlicht gestaltet. Kennzeichnend besaßen sämtliche Restaurantkarten das prägnante Logo des Kulturpalastes.
Das historische „Restaurant Kulturpalast“ mit der dazugehörigen Küche befand sich in den heutigen Räumen der Zentralbibliothek im ersten Obergeschoß. Daneben schloss sich eine Kantine für die Belegschaft des Hauses sowie ein kleiner und großer Gesellschaftsraum für Besucher an. Nach der Sanierung von 2013 bis 2017 ist die besondere Deckengestaltung des Restaurants und der handgewebte Gobelin „Heitere Reminiszenzen aus Dresden“ von Christa Engler-Feldmann gesichert und erhalten geblieben.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.2.58, Sammlung Kulinarisches.
Annemarie Niering
August 2019

© Stadtarchiv Dresden
Keine „unerfahrnen und ungeschickten Purschen“!
Vor 200 Jahren wurde die Dresdner Fiacre-Anstalt gegründet
Als im Jahr 1818 der Berliner Unternehmer Alexi Mortgen den sächsischen König um die Einräumung eines Privilegs für die Einrichtung eines Mietkutschendienstes in Dresden ersuchte, waren die Dresdner Lohnkutscher in hellem Aufruhr. Umgehend wurde mit Blick auf die „Concurrenz fremder Entrepreneurs“ durch das Stadtpolizei-Kollegium ein Regulativ für eine lokale „freiwillige Fiacre-Anstalt“ entworfen, um das einheimische Lohnkutschergewerbe zu schützen. Die Fiacre-Anstalt war eine Vereinigung von Dresdner Lohnkutschern, die das Privileg genossen, Fahrgäste spontan und kostenpflichtig mit der Droschke in Dresden befördern zu dürfen. Frühere Versuche zur Etablierung einer ähnlichen Körperschaft waren zuvor nicht nur am Widerstand der Chaisenträger, sondern auch an der fehlenden Nachfrage gescheitert, denn auf Grund der Straßenverhältnisse waren die Sänften komfortabler und flexibler einsetzbar.
Die Fiaker als Vorläufer der Taxis ermöglichten auch dem allgemeinen Publikum und insbesondere Gästen, spontan, „ohne cörperliche Ermüdung“ und in kurzer Zeit an den zahlreichen, auch weiter entfernten Natur- und Kulturschätzen der sächsischen Residenz und des Umlandes zu partizipieren. Gemäß des Regulatives vom 6. September 1819, dass sich inhaltlich an bereits bestehenden Ordnungen aus anderen Städten wie Augsburg, Berlin und Wien orientierte, mussten die Mitglieder der Anstalt ortsansässig sein und durften keinen sonstigen Erwerb haben. Die Fiaker sollten „von leichter, aber solider Bauart“, „reinlich“ und mit einer eindeutigen Nummer in weißer Ölfarbe gekennzeichnet sein. „Scheue und nicht eingefahrene“ Pferde sowie „unerfahrne und ungeschickte Purschen“ durften ausdrücklich nicht zum Einsatz kommen. Zunächst wurden drei Standorte für die Fiaker bestimmt: auf dem Neumarkt, im italienischen Dörfchen auf dem heutigen Theaterplatz und auf dem Neustädter Markt.
Die Kutscher waren verpflichtet, „ein bescheidenes und höfliches Benehmen“ an den Tag zu legen und „auf Verlangen eines Fahrlustigen“ die Fahrt anzutreten - eine Weigerung konnte sogar mit Gefängnisstrafe geahndet werden. Längere Fahrtzeiten als eine Stunde für einen Einspänner und drei Stunden für einen Zweispänner hingen hingegen von der „Willkühr“ der Kutscher ab. Die Geschwindigkeit sollte bei den Fahrten einen „guten Trab“ betragen. Die Fahrtkosten richteten sich streng nach einer pro Fahrgast festgelegten „Taxe“, eine Annahme von Trinkgeldern war bei Androhung einer „harten Ahndung“ verboten. Zustiege in einen besetzten Fiaker waren nur mit Einwilligung der vorhandenen Fahrgäste möglich, allerdings mussten diese bei Nichteinwilligung auch für den entgangenen Verdienst aufkommen. Eine Einzelfahrt kostete höchstens bis zu acht Groschen pro halbe Stunde, das entsprach in etwa dem Tagesverdienst eines Maurergesellen. Für Wartezeiten über 15 Minuten und Kinder bis 10 Jahren wurde übrigens die Hälfte der Taxe veranschlagt.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.2, Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. V17, unbekannter Fotograf, undatiert, bearbeitet.
Johannes Wendt
Juli 2019

© Repro Stadtarchiv Dresden
Theater in Dresden
Die Sommersaison 1867 im Königlichen Großen Garten ist eröffnet
Vor 135 Jahren verlor Dresden sein zum damaligen Zeitpunkt einzig noch verbliebenes Sommertheater. Das Nesmüllersche Sommertheater wurde 1856 im Großen Garten in dem von Querallee, Südallee, Zoologischem Garten und Großer Wirtschaft eingerahmten Areal erbaut und im Sommer 1884 abgerissen. Das Archivale des Monats Juli präsentiert das Titelblatt der Dresdner Theaterzeitung vom 18. Mai 1867. Darin wird auf die Eröffnung der Sommersaison des Zweiten Theaters im Großen Garten Bezug genommen und das neu einstudierte Lustspiel „Ein geadelter Kaufmann“ besprochen.
Der Eigentümer und Namensgeber war der aus Mähren stammende bedeutende Schauspieldirektor, Bühnendichter, Schauspieler und Tänzer Joseph Franz Ferdinand Müller genannt Nesmüller. Er gastierte ab 1850 wiederholt in Dresden, ließ sich schließlich hier nieder, erwarb das Bürgerrecht und gründete das Zweite Theater, das seinen Sitz im Gewandhaus hatte. In den Monaten von Mai bis Ende September bespielte Nesmüller außerdem das Sommertheater im Großen Garten. Bedauerlicherweise ist nur eine einzige Abbildung dieser Bühne überliefert, die uns zeigt, dass es sich um ein so genanntes Tivoli-Theater handelte, also um ein Theater mit unbedecktem Zuschauerraum. So sehr sich Nesmüller künstlerisch hervortat – unter anderem fanden zahlreiche Werke Offenbachs und Suppés ihre Dresdner Erstaufführung in Nesmüllers Haus – so schwierig blieb die Finanzierung seiner Bühnen. Schließlich musste Nesmüller im Jahr 1881 Konkurs anmelden, und die Königliche Kreishauptmannschaft Dresden entzog ihm die Theaterkonzession.
Die letzte Aufführung im Sommertheater fand am 10. Juli 1881 statt. Das Gebäude sollte zufolge einer früheren Entscheidung abgerissen werden. Mehrere Gläubiger Nesmüllers richteten im Januar 1884 jedoch eine Petition an die Ständeversammlung des Königsreichs Sachsen und ersuchten um Weiterbetrieb des Sommertheaters, da das Theatergebäude „bei den übrigen Verhältnissen Nesmüllers“ das einzige Objekt sei, durch welches sie „einige Deckung erhalten können“. Außerdem war es die einzige Sommerbühne in ganz Dresden, ein „anerkannt praktisch und geschmackvoll angelegtes Haus in der herrlichsten Umgebung, in einem geradezu berühmten Rosengarten“, das künftig unter der Regie des Theaterdirektors Karl von Neuem erblühen sollte. Die Petenten erklärten sich ausdrücklich dazu bereit, die notwendigen baulichen Veränderungen am Sommertheater zu veranlassen, um damit den Bestimmungen der 1882 in Kraft getretenen Verordnung über die Sicherung der Schauspielhäuser gegen Feuersgefahr Genüge zu tun. Der Architekt und königliche Baurat Ernst Giese erstellte ein Gutachten über die bauliche Beschaffenheit des Sommertheaters und listete darin Vorschläge zur Verbesserung des Brandschutzes auf.
Trotz aller Bemühungen kam es im Sommer 1884 zum Abriss des Theaters. In den darauffolgenden Jahren wurde das Gelände in die Umgestaltung des Großen Gartens durch Johann Carl Friedrich Bouché einbezogen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, Bestand 18 Stadtgeschichtliche Fachbibliothek, Sign. Z.214
Claudia Richert
Juni 2019
Eine Schulzahnklinik auf vier Rädern
Das Schwelmer Vorbild – ein Nachahmungsmodell für Dresden?
Mit dem freudigen Aufmacher „Juchhei, juchhei, das ist gewiß, ich brauche später kein Gebiß!“ berichtete der Sonderabdruck des „Schwelmer Tageblattes“ vom 27. April 1929 über die Einrichtung einer neuen Schulzahnklinik in Schwelm. Das Besondere daran war allerdings die Unterbringung der Zahnarztpraxis in einem Wagenaufbau, der auf einen Mercedes-Benz mit Niederrahmen-Fahrgestell und Sechszylindermotor montiert wurde. Wie die Fotografien in einer Akte des Dresdner Schulamtes zeigen, befand sich in dem Wagen eine modern eingerichtete Zahnklinik mit elektrischer Beleuchtung, Warmwasserbereiter, Abwassertank und Heizung. Außerdem waren ein Schreibtisch, ein Kinderuntersuchungsstuhl, ein Waschbecken sowie ein Wartebereich mit zwei ausklappbaren Sitzen eingebaut. Die Stromversorgung erfolgte über einen Anschluss an die Starkstromleitung der Schule.
Diese Erfindung von Prof. Kantorowicz aus Bonn weckte auch das Interesse des Dresdner Finanzamtes, welches darin eine mögliche finanzielle Entlastung sah und das Schulamt bat, sich mit der Beschaffung eines solchen Wagens zu befassen. In Dresden existierte bereits seit 1921 eine Städtische Schulzahnklinik mit zwei Zweigstellen in Cotta und Pieschen in denen alle Schüler der Klassenstufen 2 bis 5 eine kostenfreie Untersuchung erhielten. Dresden besaß damit als eine der wenigen Großstädte eine die gesamte Volksschuljugend umfassende Schulzahnpflege. Aufgrund der sehr guten Auslastung war eine dritte Zweigstelle in Planung, welche gegebenenfalls durch den zahnärztlichen Wagen ersetzt werden sollte.
Für eine solche mobile Zahnklinik sprach aus Sicht des Dresdner Schulamtes lediglich, dass der Schulzahnarzt auch vor die kleinste Dorfschule fahren konnte und die Kinder nicht in eine weit entfernte Landstation gebracht werden mussten. Allerdings würden die Kosten von ca. 12 200 RM für eine stationäre Einrichtung weit unter denen eines zahnärztlichen Automobils in Höhe von 23 000 RM liegen. Auch seien höhere Personalkosten zu erwarten, da man neben dem Zahnarzt und einer Schwester zusätzlich einen Kraftwagenführer einstellen müsse. Darüber hinaus wurde bezweifelt, dass der Zahnarzt an kalten Wintertagen ohne gesundheitliche Schäden arbeiten könne. Ebenfalls unklar war der Stellplatz des Wagens. Die öffentlichen Verkehrswege neben der Schule durften keinesfalls durch das über den Gehweg liegende Stromkabel, wartende oder schreiende Kinder behindert werden. In die Schulhöfe konnte der schwere Wagen aber auch nicht fahren, da die Reifen den ungepflasterten Boden zerstören würden.
Aus der Akte geht hervor, dass das Dresdner Schulamt alles in allem zu dem Schluss kommt, die Frage der Automobil-Schulzahnklinik vorerst auf sich beruhen zu lassen und abzuwarten, ob die Idee aus Schwelm zwei Winter übersteht. Die zunehmend schwierige finanzielle Lage der Stadt ab 1929 führte in den folgenden Jahren dazu, dass die fahrende Schulzahnklinik nie wieder zur Debatte stand und auch keine dritte stationäre Zweigstelle eingerichtet wurde.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.3.20 Schulamt, Nr. 0368
Sophie Richter
Mai 2019

© Repro: Stadtarchiv Dresden
60 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Breslau und Dresden
Mit Blick auf einige außergewöhnliche Festkarten
Am 7. Mai 1959 wurde zwischen Wrocław und Dresden ein Abkommen über die kulturelle und gesellschaftliche Zusammenarbeit von Bolesław Iwaszkiewicz (1902-1983), Vorsitzender des Präsidiums des Nationalrates der Stadt Wrocław, und Herbert Gute (1905-1975), Oberbürgermeister der Stadt Dresden, unterzeichnet. In der zeittypischen Stilisierung wurde in der Präambel des Vertrages die zweitälteste Städtepartnerschaft Dresdens begründet, „von dem Willen erfüllt, die Freundschaft zwischen den Städten Wrocław und Dresden zu festigen, und sich gegenseitig beim Aufbau des Sozialismus zu unterstützen“. Hierzu wurde ein ständiger Erfahrungsaustausch auf allen Gebieten des gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Lebens avisiert. Besonderes Interesse galt unter anderem der Wohnungswirtschaft, der „unterirdischen Ausstattung der Stadt“, der Bevölkerungsversorgung, dem Gesundheitswesen sowie der Bildung, der Kultur und dem Sport. Hierfür waren Delegationsbesuche, Konsultationen, künstlerische und studentische Erfahrungsaustausche, sportliche Wettbewerbe sowie Schülerkorrespondenzen vorgesehen. Nach der Wiedervereinigung wurde dann die Fortsetzung und Intensivierung der gemeinschaftlichen Aktivitäten mit der novellierten Vereinbarung vom 27. August 1994 „in Anbetracht der traditionell guten, freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Städten“ konsolidiert.
Mit Blick auf die 60jährige Freundschaft werden in diesem Monat Muster besonderer Ratsfestkarten von Robert Langbein (1864-1932) im Lesesaal des Stadtarchivs präsentiert. Der Maler und Radierer warb im Jahr 1912 mit Kunstdrucken vom Breslauer Rathaus beim Dresdner Rat, um einen Auftrag zur Anfertigung von äquivalenten Festkarten für Dresden zu erhalten. Auf der Suche nach einer grafischen Vorlage stellte Stadtbaurat Professor Hans Erlwein (1872-1914) allerdings fest, dass die Auswahl aus Mangel eines geeigneten Aufnahmestandpunktes sehr eingeschränkt wäre, weil das Rathaus „frei und auf einem architektonisch nicht geschlossenen Platz im Stadtbild“ stand. Langbein verwendete schließlich zehn Fotografien und einige Postkarten für den Entwurf des Motivs für die Ratsfestkarten, die zunächst in einer Stückzahl von 500 in hellbrauner Tönung gefertigt wurden. 280 Stück fanden bereits zum Festmahl anlässlich des Geburtstages von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) am 27. Januar 1913 als Menükarten Verwendung. Allerdings blieben die übrigen Exemplare mindestens die folgenden 12 Jahre ungenutzt. Dennoch wurde unter ausdrücklicher Berücksichtigung der sozialen Notlage des Künstlers im Jahr 1927 noch eine weitere Charge von etwa 500 Stück mit einem neuen Rathausmotiv in Auftrag gegeben.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.3.1, Hauptkanzlei, Nr. 540.
Johannes Wendt
April 2019
„Ausführliches bringen die täglich erscheinenden Wetterkarten des öffentlichen Wetterdienstes zu Dresden“ – Die Einführung des öffentlichen Wetter-Nachrichten-Dienstes
Als Erfinder der Wetterkarte gilt der französische Naturwissenschaftler Urbain Le Verrier (1811–1877). Dieser erstellte am 19. Februar 1855 die erste auf telegrafisch mitgeteilten Daten basierende Vorhersagenkarte für Frankreich. Im Nachgang der erfolgreichen Präsentation des Projektes vor der Pariser Akademie der Wissenschaften entstand der meteorologische Wetterdienst in Frankreich und auch auf dem Gebiet des ab 1871 gegründeten Deutschen Reiches wurden meteorologische Forschungen befördert.
Bereits um 1878 finden sich in den Verhandlungen der Stadtverordneten von Dresden Beschlüsse zur Veröffentlichung telegrafischer Wetterprognosen. Diese gingen auf die Angaben der in Leipzig ansässigen meteorologischen Centralstation für Sachsen unter Leitung des Geheimrates Dr. Carl Christian Bruhns (1830–1881) zurück. Täglich um 16 Uhr sollten sämtliche in Europa befindlichen meteorologischen Hauptstationen einen Wetterbericht nach Leipzig senden. Vor Ort erfolgten die Auswertung der Berichte und die Aufstellung einer für 24 Stunden gültigen Wetterprognose, deren Wahrheitsgehalt auf 70 % geschätzt wurde. Die Angaben wurden unter anderem nach Dresden telegrafiert, so dass ab 18 Uhr der Aushang an öffentlichen Plätzen wie dem Altstädter und dem Neustädter Rathaus erfolgte. Durch Zusammenarbeit aller Regierungen der Bundesstaaten des Deutschen Reiches wurde die Einführung eines einheitlich gestalteten „öffentlichen Wetter-Nachrichten-Dienstes“ festgelegt. Maßnahmen zur Durchsetzung dieses öffentlichen Wetterdienstes wurden in Sachsen ab dem 31. Mai des Jahres 1906 durch das Königliche Ministerium des Inneren ergriffen.
Neben den bereits etablierten telegrafierten Wettervorhersagen, die sich auf Wind, Bewölkung, Niederschlag und Temperatur bezogen, sollten zusätzliche Wetterkarten des öffentlichen Wetterdienstes zu Dresden angebracht werden. Die Wetterkarten waren Landkarten, die mit einfachen am Rande erläuterten Zeichen die Verteilung des Luftdruckes über Europa darstellten und Rückschlüsse auf hiesige Witterungsvorgänge ermöglichten. Die umfassende Weitergabe aktueller Wetterinformationen, deren besonderer Wert vor allem für die Landwirtschaft betont wurde, sollte über Schaukästen erfolgen, die an öffentlichen Orten – insbesondere an den Außenwänden der Postanstalten – aber auch an Bahnhöfen, Schulen oder Gemeindeämtern aufgehängt wurden. Während die Wetterkartenabonnements mit 50 Pfennig monatlich kostengünstig zu haben waren, erregte die Anschaffung der Kästen, die für das Aushängen des Wettertelegrammes und drei Wetterkarten vorgesehen waren, den Unmut einzelner Gemeinden. Nicht nur die Kosten von 8 Mark pro Kasten, sondern auch Aufhängung, Glasscheiben und wetterfester Anstrich sollten von der Gemeinde getragen werden. Diese Maßnahmen missfielen insbesondere dem Rats- und Verwaltungsausschuss von Laubegast und Cossebaude, die dem Gemeinderat kurzerhand empfahlen, die Maßnahmen unter Verweis auf mangelnde Landarbeit in ihrer Region abzulehnen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.3.9 Gewerbeamt A, Nr. S.0338.
Sylvia Drebinger
März 2019
Heimatschein für Meyer Salomon. Ein Dresdner Antiquitätenhändler erhält das Bürgerrecht
Am 1. Februar 1855 erhielt der Dresdner Antiquitätenhändler Meyer Salomon die Urkunde über seine Zugehörigkeit zum Heimatbezirk Dresden. Es handelt sich um ein äußerlich schlicht gestaltetes Schriftstück, das die Unterschrift des damaligen Oberbürgermeisters Pfotenhauer trägt. Auffällig ist der sehr schön geprägte Abdruck eines Siegels des Rates der Königlichen Residenz- und Hauptstadt Dresden. Das sächsische Heimatgesetz von 1834 bestimmte, dass jeder Staatsangehörige des Königreiches Sachsen die Zugehörigkeit zu einem Heimatbezirk besitzen sollte. Die Heimatangehörigkeit wurde bei der „Ortsobrigkeit“ beantragt. Diese stellte nach entsprechender Prüfung den sogenannten Heimatschein aus.
Meyer Salomon, der Gründer der bekannten Antiquitätenhandlung M. Salomon, die sich im Laufe der Jahrzehnte in Museumskreisen und Auktionshäusern hohes Ansehen erwarb, beantragte das Bürgerrecht der Stadt Dresden, verbunden mit einer Konzession zur Betreibung des Antiquitätengeschäftes, erst im Mai 1854, obwohl er 1809 in Dresden geboren wurde, bereits seit 1834 im „Handel mit alten Sachen“ tätig war und inzwischen eine große Familie zu ernähren hatte. Nachdem sein erster Antrag offenbar unbeantwortet blieb, verfasste er im September 1854 ein zweites Schreiben, in welchem er ausführlich seinen Werdegang und die Gründe für den Antrag darlegte. Offenbar war er von der Königlichen Polizeidirektion aufgefordert worden, seine „Berechtigung zum Antiquitätenhandel durch obrigkeitliche Concession nachzuweisen“. Er entschuldigte sein Versäumnis mit dem „Drange der Geschäfte“ und fügte ein Zeugnis des Direktors der Königlichen Porzellansammlung Dr. Graesse bei.
Im frühen 19. Jahrhundert war Angehörigen der israelitischen Gemeinde die Erlernung eines Handwerks untersagt. Während vermögendere Glaubensgenossen Medizin studieren konnten, blieb den ärmeren Klassen nichts weiter übrig, als sich durch den Handel mit alten Sachen „kümmerlich zu ernähren“. Auch Meyer Salomon hielten die Mittellosigkeit seines Vaters und die „Rechtlosigkeit seines Glaubens“ davon ab, ein Studium oder eine handwerkliche Ausbildung aufzunehmen. Erst das „Gesetz wegen einiger Modificationen in den bürgerlichen Verhältnissen der Juden“ vom 16. August 1838 brachte einige Verbesserungen. Unter anderem durften sich inländische Juden künftig dauerhaft in Dresden und Leipzig aufhalten, dort auch ein Grundstück erwerben sowie das Bürgerrecht zur Betreibung eines Gewerbes beantragen.
Meyer Salomon schilderte, wie er dem Trödel mit alten Sachen zunächst nur widerwillig nachging, jedoch schließlich im Antiquitätenhandel eine Berufung fand, die den Sinn für Bildung in ihm weckte und es ihm erlaubte, „mit Kunstfreunden und Männern der Wissenschaft vielfach geschäftlich zu verkehren“. Er betonte, dass er mit Gegenständen handelte, die „durch hohes Alter und ihre besonderen Formen ein historisch-wissenschaftliches Interesse haben, wie Gefäße, Waffen, Münzen, Gemälde“. Nach seinem Tod im Jahr 1863 führte sein Sohn Edmund das Geschäft weiter. Die Firma M. Salomon bestand bis in die 1930er Jahre. Der letzte Inhaber, Eugen Abraham Salomon, verließ Dresden wahrscheinlich 1934 mit einem kurzen Zwischenhalt in Amsterdam und ließ sich schließlich in London nieder. Möglicherweise vorhandene Akten über das Schicksal der Firma M. Salomon in den 1930er Jahren müssen noch ermittelt und ausgewertet werden.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.3.9 Gewerbeamt A, Nr. S.0338.
Claudia Richert
Februar 2019
Manege frei – für den Zirkus „Corty-Althoff“ in Dresden-Löbtau. Eine Akte aus dem Stadtarchiv beschreibt den Bau des Zirkusgebäudes
Der Besuch einer Zirkusvorstellung um 1900 versprach für das Publikum das Erlebnis einer originellen, nicht alltäglichen Welt. Dresden war für die Zirkusdirektoren aus aller Welt ein beliebter Ort, da sie durch regen Zuschauerzuspruch gute Einnahmen erwarten konnten. So fanden im Februar des Jahres 1899 mehrere Vorstellungen des Zirkus „Corty-Althoff“ auf dem Crispi-Platz (heute Ebertplatz) in Löbtau statt. Der deutsche Zirkus „Corty-Althoff“ gehörte um die Jahrhundertwende zu den größten Zirkussen Europas. Pierre Althoff, der Zirkusdirektor, rühmte sich in einem Schreiben an den Gemeinderat von Löbtau, dass seine Künstlergesellschaft aus 150 Personen ersten Ranges bestand und er nicht weniger als 90 Pferde edelster Rassen mitführe. Pferdevorstellungen der höheren Reitkunst und Dressur gehörten ebenso zum Repertoire von „Corty-Althoff“ wie Akrobatik, Ballett und Pantomime.
Schon im Dezember 1897 hatte Pierre Althoff bei der Gemeindeverwaltung Löbtau eine Genehmigung zur Durchführung von Zirkusveranstaltungen für die Winterspielzeit 1898/99 beantragt. Im Blick hatte er die Freifläche des 1879 aufgelösten königlichen Holzhofes, der das gesamte Areal zwischen dem heutigen Ebertplatz, der Hirschfelder Straße und der Freiberger Straße umfasste. Den Bau eines hölzernen Zirkusgebäudes übernahm der Löbtauer Architekt und Baumeister Max Heinrich. Geplant war ein Interimsbau für die Veranstaltungen vom 1. Oktober 1898 bis zum 31. März 1899. Dies geht aus der Bauakte hervor, die sich im Stadtarchiv aus dem Bestand der Gemeindeverwaltung Löbtau erhalten hat. Das Dokument beschreibt neben der Bauausführung auch die Voraussetzungen des Gebäudes an Brandschutz und Sicherheit.
Um nach dem Vorstellungszeitraum das Zirkusgebäude nicht abreißen zu müssen, beantragte Max Heinrich noch 1899 die weitere Nutzung für Zirkusveranstaltungen. Dem Ansinnen des Architekten wurde von Seiten der Löbtauer Gemeinderäte stattgegeben und der Vertrag bis Juli 1900 verlängert. Danach wurde der Zirkus abgebaut. Dennoch blieb der Platz den Zirkusliebhabern erhalten, denn schon vor dem Abbau setzte sich Julius Herzog, Geschäftsführer des „Circus Sidoli“ aus Rumänien, für einen neuen Bau ein. Herzog kannte die örtlichen Gegebenheiten sehr gut, denn ein Jahr zuvor war er in derselben Position noch für den Zirkus „Corty-Althoff“ tätig gewesen. Julius Herzog und Cesar Sidoli planten anstelle einer Holzkonstruktion eine halbmassive Bauweise. Das Gebäude wurde dann im unteren Bereich mit Fachmauerwerk mit aufgesetztem Ständerwerk ausgeführt. Am 5. Januar 1901 begann die erste Vorstellung des rumänischen Staatszirkus. Wie die Akte berichtet, war an die Erteilung der Erlaubnis zur Abhaltung von Vorstellungen die Bedingung geknüpft, dass für den Gemeindevorstand und seinen Stellvertreter „eine Loge zu 4 Sitzen zur uneingeschränkten Benutzung für sich und deren Angehörige“ freizuhalten sei. Mit der Eingemeindung von Löbtau am 1. Januar 1903 endeten auch die Zirkusvorstellungen auf dem Crispiplatz. Die Spielstätte blieb noch bis März 1903 bewilligt und wurde danach endgültig geschlossen und abgetragen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 8.25 Gemeindeverwaltung Löbtau, Nr. 2455, Bl. 14.
Marco Iwanzeck
Januar 2019

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Vom „Hirsch-Schmauß“ der Dresdner Ratsherren - Ursprung und Werdegang einer sonderbaren Gunst
Vor rund 680 Jahren wurde dem Dresdner Rat durch den Landesherrn ein ganz besonderes Privileg gewährt, das mit einigen Einschränkungen bis zur Aufhebung im Jahr 1836 fast 500 Jahre Bestand hatte. Hiernach bestimmte Friedrich der Ernsthafte (1310-1349) am 26. Januar 1338 in einer Urkunde, dass seine „lieben treuen Ratsherren und Geschworenen“ in Dresden alle Jahre einen Hirsch im Dresdner Wald fangen dürften. Damit sollte das gemeinschaftliche Festmahl der Ratsherren in der Weinlesezeit kulinarisch veredelt werden, zu welchem sie offenbar „volle Becher zu leeren pflegten“. Allerdings scheint die delikate Gunst in der Folgezeit wieder in Vergessenheit geraten zu sein, denn in einem Dekret des Kurfürsten August von Sachsen (1526 – 1586) vom 31. August 1580, wodurch dem Rat jährlich zwei Stück Wild und 24 Hasen für die Abtretung von Jagdrechten zugesprochen wurden, fand sie keinerlei Erwähnung mehr.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts machte dann der regierende Bürgermeister Christian Brehme (1613 – 1667), der zuvor von 1640 bis 1656 auch kurfürstlich-sächsischer Bibliothekar war, auf das Versäumnis nachdrücklich aufmerksam. Daraufhin bekräftigte Kurfürst Johann Georg II. (1613 – 1680) am Heiligabend des Jahres 1657 die „uhralte“ und seit einer „geraumen Zeit lang unterbliebene“ Schenkung schriftlich. Darüber hinaus erweiterte er sie dahingehend, dass die drei Bürgermeister Dresdens fortan jährlich je ein Stück Schwarzwild zu Weihnachten und einen „Osterhaasen“ vom Pirschmeister zusätzlich erhielten und sämtliches Wildbret gebührenfrei in „des regierenden Bürgermeisters Behausung alhier“ geliefert wurde. Alles in allem wurde der Rat somit mit einem Hirsch, zwei Stück Wild, drei Wildschweinen und 27 Hasen im Jahr beglückt. In einer überschwänglichen Huldigungsrede von Bürgermeister Valentin Scheffer (1592 – 1666) vom 24. September 1658 ließen die Räte den Landesherrn bei ihrem sogenannten „Hirsch-Schmauß“ für die vorzüglichen Gaben „von hertzen“ hochleben und ein Weinglas „in fröligkeit herumb gehen“. Allerdings kam es in der Anfangszeit häufiger zu Beschwerden auf Grund unvollständiger Lieferungen, während später fehlendes Wild kurzerhand anderweitig ersetzt oder in den Folgejahren nachgereicht wurde.
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte meist nur noch eine bloße Übereignung der einzelnen Hirschteile an die Ratsherren, ungeachtet jeglicher gemeinschaftlichen Festivität. Dabei erhielten die Bürgermeister in der Regel den „Zimmel“, das begehrte Rückenstück des Hirsches. Letztendlich wurde das gesamte Wildbretdeputat im Jahr 1836 gegen Zahlung einer Entschädigungssumme von rund 1200 Talern aufgehoben, was etwa dem 25fachen Preis eines jährlichen Fleischkontingents entsprach. Dieser Entschädigung wurde auch vom Stadtrat zugestimmt - und darüber hinaus allen weiteren Ansprüchen „ausdrücklich und für immer“ entsagt.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 1.1, Ratsurkunden, Nr. 39.
Johannes Wendt
Archivalien des Monats aus dem Jahr 2018
Dezember 2018
Koffer-Kinos für Dresdner Schule
Mit der Kinoreformbewegung begann in Deutschland bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eine zunehmend pädagogische Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Bis dieses zu einem anerkannten und weit verbreiteten Bestandteil des Schulunterrichts wurde, vergingen allerdings noch mehrere Jahrzehnte. Die Schulfilmbewegung der Weimarer Republik erkannte zwar die didaktischen Vorteile des Lehrfilms, doch die praktische Umsetzung war schwierig. In Dresden besaßen Mitte der 20er Jahre nur wenige Schulen größere Räumlichkeiten, in denen Filme gezeigt werden konnten. Die Schülerinnen und Schüler aller anderen Schulen mussten die regelmäßigen Filmvorführungen in den Bezirkskinos besuchen. Diese dienten allerdings nur als Notbehelf, da durch den An- und Abmarsch der Kinder und Jugendlichen zu viel Unterrichtszeit verloren ging. Neben der Veranschaulichung von naturwissenschaftlichen Vorgängen und Erscheinungen, sollten die Filme einen positiven Einfluss auf die ethische, soziale, hygienische und künstlerische Erziehung der heranwachsenden Jugend nehmen. Gezeigt wurden beispielsweise Titel wie „Unter Wilden und wilden Tieren“, „Die deutsche Nordsee“ oder „Fern im Süd das schöne Spanien“.
Um allen Dresdner Schulen das Zeigen von Lehrfilmen im eigenen Haus zu ermöglichen ohne, dass dafür kostenintensive Umbaumaßnahmen vorgenommen werden mussten, wurde mit dem Haushaltsplan für das Jahr 1929 die Anschaffung von vier Koffer-Kinoapparaten der Zeiss Ikon A.G. Dresden bewilligt. Diese sollten von der Lichtbildhauptstelle ausgegeben werden und je nach Bedarf von Schule zu Schule wandern. Zur Erfüllung der feuerpolizeilichen Vorgaben, waren dafür in den Schulen nur kleinere bauliche Veränderungen nötig, die während der Sommerferien durchgeführt wurden.
Aus den umfangreichen Akten des Bestandes Schulmuseum im Stadtarchiv Dresden geht hervor, dass die Auswahl geeigneter Filme vor allem von der Lehrerschaft als problematisch angesehen wurde. Aus ihrer Sicht wirkten die Geschäftsinteressen der Filmindustrie, welche nur das Sensationsbedürfnis des Publikums sowie deren Hang zum Abenteuerlichen und Neugierde nach Sexuellem befriedigen wolle, den erzieherischen Zielen des Films entgegen. Es wurde daher empfohlen, dass jeder Schulbezirk in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbildstelle eine eigene Sammlung mit geprüften und an die schulischen Anforderungen angepassten Filmen anlegt, um sich vom Unternehmertum unabhängig zu machen. Bevor die Koffer-Kinos im Unterricht verwendet werden konnten, musste außerdem an jeder Schule mindestens ein Lehrer oder eine Lehrerin in einem zehntägigen Kurs der Sächsischen Landesbildstelle zum Filmvorführer ausgebildet werden.
Quelle:Stadtarchiv Dresden, 2.3.20 Schulmuseum, Nr. 414
Sophie Richter
November 2018

© Repro: Stadtarchiv Dresden
„Damen-Ball mit Windbeutel-Wettessen“
Der Berliner „Damenklub Violetta“ warb mit dieser Ankündigung für eine Samstagsveranstaltung im November der 1930er Jahre in einer Werbeanzeige. Darunter befand sich der dringliche Hinweis, dass „nur Damen Zutritt haben!“ Der Klub veranstaltete Tanzabende, Lesungen, Vorträge und gehörte der Homosexuellenvereinigung „Bund für Menschenrecht“ (BfM) an. Die Vorsitzende des Damenklubs Violetta war die am 23. Mai 1890 geborene Dresdnerin Charlotte Hedwig Hahm, genannt Lotte Hahm. Laut Dresdner Adressbuch lebte sie bis 1920 auf der Augsburger Straße 76 und war als Inhaberin einer Versandbuchhandlung tätig. Ab 1926 übernahm sie den Vorsitz des genannten Klubs, einer der größten und bekanntesten seiner Art in Berlin. Zu dem Zeitpunkt gehörte sie bereits zu den wichtigsten Vertreterinnen der homosexuellen und transsexuellen Organisation und Subkultur in der Weimarer Republik an. Ihr Markenzeichen war Kurzhaarschnitt, Hemd und Krawatte. Neben der Organisation zahlreicher Veranstaltungen schrieb sie als Chefredakteurin für die Zeitschrift „Die Freundin. Das ideale Freundschaftsblatt“. Im Jahre 1933 verbot das NS-Regime diese und weitere Zeitschriften für Homosexuelle. Die Verfolgung von Lotte Hahm während des Nationalsozialismus ist nicht ausreichend erforscht, ihre KZ-Internierung in Moringen lässt sich aber von 1935 bis 1938 nachweisen. Nach der Entlassung organisierte Lotte Hahm erneut Treffpunkte für lesbische Frauen und veranstaltete nach 1945 weiterhin Frauenabende. Sie gehörte zu denjenigen, die Ende der 1950er Jahre vergeblich versuchten, den „Bund für Menschrecht“ wieder ins Leben zu rufen. Im Jahre 1967 starb sie in Berlin.
Weitere Hinweise über ihr Leben in Dresden oder auch über vergleichbare Lokale, wie es sie in Berlin gab,lassen sich auf den ersten Blick in den Beständen des Stadtarchivs nur mühevoll rekonstruieren. Selbst die Forschungsliteratur über die lesbische Subkultur Dresdens in den 1920 und 1930er Jahren weist erhebliche Lücken auf. Aktuell wird in Dresden eine Ausstellung zur Geschichte von Lesben und Schwulen der 1980er und 1990er Jahre entwickelt. Das Büro der Gleichstellungsbeauftragten für Frau und Mann der Landeshauptstadt Dresden ist federführend damit betraut. Dabei werden Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Fokus stehen. Für das Zeitzeugenprojekt sucht das Büro der Gleichstellungsbeauftragten lesbische und schwule Personen, auch Trans- und Intersexuelle mit DDR- und BRD-Vergangenheit in Dresden. Sie können sich telefonisch unter 0351 488 2088 oder per E-Mail unter gleichstellungsbeauftragte@dresden.de melden.
Quelle: Stadtarchiv Dresden. 6.4.25 Standesamt Löbtau 1890, Nr. 276
Annemarie Niering
Oktober 2018
„Finnisch? Kann man Lernen!“
Finnland ist ein Land über das viele Vorurteile und Klischees kursieren. Es sei immer kalt, die Sprache sei die schwierigste der Welt und die Menschen introvertiert und wortkarg. Doch abgesehen von diesen Vorurteilen, ist weithin bekannt, dass das finnische Bildungssystem eines der Besten weltweit ist. Allein 2015 belegte Finnland den 5. Platz der weltweit geführten PISA-Studie. Den Anfang nahm diese Entwicklung in der ab Ende der 50er Jahre etablierten finnischen Bildungsreform. Das Archivale des Monats Oktober stammt aus dem Jahr 1959 - steht also zeitlich eingeordnet ganz am Anfang der besagten Reform. Hierbei handelt es sich um eine finnische Kinderfibel mit dem Titel "Meidän Lasten Aapinen", auf Deutsch "Unsere Kinderfibel", die mit das einzig finnischsprachige Werk im Bestand des Stadtarchivs markiert und somit allein schon der Herkunft und der Sprache wegen eine Besonderheit darstellt.
Die Fibel selbst stammt aus dem Schulbestand des Stadtarchivs. Ursprünglich wurde dieses Buch von Urho Somerkivi persönlich noch im Jahr des Erscheinens während eines Besuches in Dresden einem gewissen Fritz Lehmann gewidmet und signiert. Die Autoren des Schulbuches, Aukusti Salo und Urho Sommerkivi, waren beide maßgeblich an der Reform und Bildung des neuen Schulssystems beteiligt. Die Fibel ist reich illustriert und beinhaltet beginnend mit dem finnischen Alphabet, Kinderreime, Gedichte, Gebete und auch Volksmärchen (Kansasatut). Das Somerkivi sich auch für Folklore im eigenen Land einsetzte, erkennt man beispielsweise auch daran, dass sogar ein Gedicht vom national gefeierten Dichter Johann Ludvig Runeberg enthalten ist.
Die Zeichnungen stammen von Rudolf Koivu und Martta Wendelin. Beide waren zeitlebens populäre finnische Illustratoren von Kinder- und Märchenbüchern und noch heute wird jungen Künstlern solcher Werke der "Rudolf Koivu Preis" verliehen. In Finnland haben Fibeln (Aapinet) schon eine lange und für die Sprache sehr bedeutende Geschichte. Die älteste finnische Fibel wurde von Mikael Agricola, der als Finnischer Reformator und Begründer der Literatursprache in Finnland gilt, im Jahr 1543 unter dem Titel "Abckiria" veröffentlicht und ist damit gleichzeitig eines der ältesten Werke in finnischer Sprache. Diese war jedoch weniger für den schulischen Gebrauch, als vielmehr für die Nutzung durch literarisch bewanderte Priester gedacht. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten sich dann die Schulfibeln, wie wir sie heute noch zum Teil kennen. Nur zu Kriegszeiten, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Finnland prägten, waren sie aufgrund von Materialnot seltenes Gut. Umso populärer wurde dann die Fibel von Salo und Somerkivi am Ende der 50er, die mehrere Auflagen miterlebte und sofort mit der ersten Ausgabe "von der Schulbehörde genehmigt" wurde.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 13.48 Schulmuseum Nr. 141/3
Marc Eric Mitzscherling
September 2018
„Die edle Gärtner Kunst – Bringt Ehr und Gunst“ Lehrbrief eines Gärtnergesellen zu Dresden 1766
Grundlage für das Erlernen der Gärtnerkunst war eine dreijährige Ausbildungszeit. Diese absolvierte der Lehrling Johann Heinrich Bergmann, geboren in Markkleeberg bei Leipzig, beim Hof- und Orangengärtner Johann Christoph Berger im „Churfürstlich Herzoglichen Orangen Garten zu Dresden“ von 1763 bis 1766. Abschließend erhielt der Gärtner-Geselle, auch Adjunkt genannt, vom Lehrherrn einen Lehrbrief, mit dem er sich, gleich einem Handwerksgesellen, auf Wanderschaft begab. Der Lehrbrief von Bergmann beinhaltet allerdings kaum Aussagen über das erlernte Können und Wissen auf gärtnerischem Fachgebiet, sondern attestierte ihm vorrangig persönliche Tugenden wie gutes und gehorsames Verhalten, Gelehrsamkeit, Fleiß und Treue. Diese positive Einschätzung durch den Lehrmeister war dabei keineswegs optional sondern für eine nachfolgende Anstellung unerlässlich.
Dieser besondere Wert spiegelt sich auch in der aufwändigen Gestaltung des Lehrbriefes wider, der sich heute im umfangreichen Innungsurkundenbestand des Stadtarchivs Dresden befindet und im Monat September im Lesesaal zu sehen sein wird. Die Anfertigung erfolgte im Auftrag des Hofgärtners durch einen Schreiber und kostete eine Gebühr, die in etwa der Höhe eines Monatslohns entsprach. Neben der beachtlichen Größe von 58,5 x 37,5 cm zeigt das Pergament umlaufende Dekorationen mit grafischen und figürlichen Darstellungen, handbemalt mit Gold- und Farbverzierungen abgesetzt. Im Blickpunkt steht das Wappen des sächsischen Kurfürsten, in dessen Auftrag der Hofgärtner die Lehrlinge ausbildete. Ein wiederkehrendes Gestaltungsmotiv bilden die Füllhörner und Weinreben, die nicht nur als Ausdruck einer ertragreichen Obstzucht, sondern auch als Zeichen gelungener Gartenkunst verstanden werden können. Insbesondere die Abbildung der Weinernte am rechten Bildrand unterstreicht die Bedeutung des Hof- und Orangengärtners als Bindeglied zwischen nützlicher und schöner Gartenkunst.
Die Benennung des Herzoglichen Gartens als Arbeitsumfeld des Orangengärtners Berger führt dabei in die Geschichte des sächsischen Gartenbaus zurück. 1575 erhielt der spätere Kurfürst Christian I. von Kaiser Maximilian II. vier Pomeranzenbäume aus Prag als persönliches Geschenk und widmete sich seither verstärkt der Beförderung der Obst- und Gemüsezucht, insbesondere der Zitrusgewächse. In diesem Sinne ließ Christian I. 1591 für seine Gemahlin Sophie, die Kurfürstin und Herzogin von Sachsen, einen Lustgarten an der heutigen Ostra-Allee mit einem festen „Pomeranzenhaus“ errichten. Einen beträchtlichen Bedeutungszuwachs erhielt der Herzogin Garten 1728 als Winterquartier für die Pflanzen der Zwinger-Orangerie, die auf Betreiben des Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen ab 1709 errichtet worden war.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 11.1 Innungsurkunden, Nr. 1252
Sylvia Drebinger
August 2018

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Von Räubern, Flugschriften und Fakenews. Nachrichtenverbreitung in Dresden im 18. Jahrhundert
Nachrichten sind in der modernen Welt sekundenschnell abrufbar und mit der heutigen Medientechnik jederzeit verfügbar. Im 18. Jahrhundert hingegen verbreiteten sich Nachrichten durch Druckerzeugnisse oder Mundpropaganda langsamer und gingen oft nicht über einen lokalen Umkreis hinaus. Das im Stadtarchiv ausgestellte Archivale des Monats August bildet hierbei eine Ausnahme. Das Flugblatt aus dem Jahr 1748 gehört zu einer Sammlung von Flugschriften, die über die Missetaten eines in Berlin gefangengenommen Anführers einer Räuberbande namens Gottfried Käsebier berichten. Seine Taten werden darin detailliert beschrieben und reichen von Diebstahl, Betrug bis hin zu Mord. Zwei Drucke kündigen sogar die Hinrichtung von Käsebier und seiner Diebesbande an.
Tatsächlich wurde 1748 Christian Andreas Käsebier im Brandenburgischen festgenommen. Trotz unterschiedlicher Vornamen handelt es sich um ein und dieselbe Person. Die in Dresden kursierenden Flugschriften scheinen jedoch ein eher fantastisches als realistisches Bild darzustellen. Danach soll Käsebier etliche Morde und Diebstähle gestanden haben. Angesichts der Schwere der dargestellten Delikte erscheint seine Bestrafung mit Festungshaft als ein sehr mildes Urteil, so dass es unwahrscheinlich ist, dass er all die Taten begangen hat. Die Flugschrift überzeichnet bewusst das Bild seiner Verbrechen, um den Gefangenen als Bösewicht darzustellen und gleichzeitig als Warnung für Nachahmer zu dienen. Die vier Seiten umfassende Schrift wurde von zwei Frauen auf der Elbbrücke in Dresden und von Georg Gottlieb Fuchs am Pirnaischen Tor verbreitet. Dies rief den Stadtrat auf den Plan, denn die Schriften wurden ohne vorherige Zensur und Genehmigung gedruckt und ohne Erlaubnis in der Stadt verkauft. Der Wachtmeister Hennig wurde beauftragt alle Verkäuferinnen und Verkäufer zum Verhör zu bringen. Aus den Befragungen ergab sich, dass der Dresdner Buchdrucker Johann Christoph Krause die Schriften verfielfältigt hatte. Im Verhör gab Krause an, dass er nicht Autor der Schriften war, sondern lediglich die Flugschrift nachdruckte, die zu diesem Zeitpunkt schon in Berlin kursierte. Nach seinen Gründen befragt, antwortete der Buchdrucker, dass er zur Zeit keine Arbeit hätte und nicht wusste, wovon er Leben sollte. Die anonymen Autoren und Buchdrucker der Flugschriften konnten mit dieser Art der Geschichtenerzählung durchaus florierende Geschäfte machen. Der Stadtrat berichtete auch dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. von den Vorfällen in der Stadt. Friedrich August II. wies den Stadtrat an, Krause nicht nur ernstlich zu verwarnen, sondern auch eine Strafe von zehn Talern aufzuerlegen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.1.2 Ratsarchiv B.XVII.88, Bl. 8.
Marco Iwanzeck
Juli 2018

© Repro: Stadtarchiv Dresden
„Ein Plädoyer für eine klare Sprachregelung in der Kochkunst“
Anfang des 20. Jahrhunderts engagierte sich der vor 90 Jahren in Dresden verstorbene Ernst Clemens Lößnitzer (1852) für eine „klare Sprachregelung in der Kochkunst“. Ernst Lößnitzer, Koch und Obermeister der „Köche-Innung“ veröffentlichte dazu zwei bedeutende Publikationen, zum einen das „Große Deutsche Kochbuch der feinen und bürgerlichen Küche“ (1906) und zum anderen das „Verdeutschungswörterbuch. Ein Plädoyer für eine klare Sprachregelung in der Kochkunst“ (1911). Dieses Wissen lehrte er ab 1907 an der „Fachschule der Köche-Innung zu Dresden“ und setzte sich für die Fachausbildung von angehenden Köchinnen und Köchen ein.
Die Archivale des Monats dokumentiert ausschnittsweise den handschriftlichen Lehrplan zum Thema „Kunstausdrücke“ und „Warenkunde“ aus dem Jahre 1907. Den auf der linken Seite verzeichneten deutschen Begriffen setzte Lößnitzer die französische Übersetzung gegenüber. Die Übersetzung vom Französischen in die deutsche Sprache verdeutlicht nicht nur die Lehrweise, sondern auch den Zeitgeist. Deutschlands Köche beanspruchten für sich im späten Kaiserreich eine ambitionierte kulinarische Kunst auf Augenhöhe mit Frankreich und ganz Europa. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs hielt die patriotische Begeisterung Einzug in nahezu sämtliche Lebensbereiche wie auch in das Gastgewerbe und es kam zu einer regelrechten „Verdeutschungskampagne“ von französischen Begriffen. Unzählige Firmen und Geschäfte änderten nach Kriegsbeginn ihren Namen. Ob aus patriotischer Überzeugung oder aus Angst der Betreiber/-innen vor Ausgrenzung und Umsatzverlust hießen die einstigen „Boutiquen“ nun „Modegeschäfte“ und das „Cafe de Paris“ verwandelte sich in ein „Kaffeehaus Germania“.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert besuchten die Dresdner Kochlehrlinge parallel zur Ausbildung in der Küche ihres Lehrherrn bereits die „Fach- und Fortbildungsschule des Vereins Dresdner Gastwirte“. Dort wurden sie in Deutsch, Lesen, Schreiben sowie in zeitgenössischer Schönschrift und Buchführung unterrichtet. Nach Ansicht der „Köche-Innung“, die sich im Jahre 1901 konstituierte, war dieser Unterricht richtig, ihrer Meinung nach kam aber das spezifische Fachwissen zu kurz. Denn die Lehrlinge wurden berufsbezogen nur „in Men[u]kunde, Warenkunde sowie fachgewerblichem Rechnen“ unterrichtet. Das entsprach nicht den Anforderungen „die an den angehenden Koch gestellt und in jedem Haus, das Anspruch auf eine bessere Küche erhebt, verlangt werden“ könne. Dementsprechend gründete die „Köche-Innung“ eine eigene Fachschule, die durch städtische Unterstützung Räume auf der Marschallstraße 21 in der 10. Volksschule für den Unterricht erhielt.
Im Schuljahr 1921/22 besuchten insgesamt 18 Schüler den Unterricht. Der Lehrplan beinhaltete im Mai 1921 die Themen „Kunstausdrücke. Ihre richtige Aussprache, deutsche Verzeichnung und Anwendung“ sowie die „Entwicklungsgeschichte der Kochkunst. Geschmack und Feinschmeckerei. Ernährung und Verdauung.“ Dort unterrichteten Ernst Lößnitzer oder eine Vertretung in wöchentlich zwei aufeinander folgenden Stunden. Am 1. Mai 1935 wurde die Fachschule der Köche-Innung aus politischen und finanziellen Gründen aufgelöst. Das Berufliche Schulzentrum für Gastgewerbe auf der Ehrlichstraße 1 erhielt im Jahr 2008 den Ehrenname „Ernst Lößnitzer“ verliehen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.3.20 Schulamt, Sect. I.; Cap. X, Nr. 156, Bl. 3.
Annemarie Niering
Juni 2018
Die Gasbeleuchtungsanstalt am Zwinger - öffentliche Straßenbeleuchtung vor 190 Jahren
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sorgten Laternen für eine eher dürftige Beleuchtung der Dresdner Innenstadt. Angeregt durch die in London eingeführte Straßenbeleuchtung mit Steinkohlengas schlug der Geheime Rat dem sächsischen König die Erstellung eines Gutachtens über die Anwendbarkeit dieser Beleuchtungsart in Dresden vor. Nach dessen Befürwortung wurde das für die Straßenbeleuchtung zuständige Stadtpolizei-Kollegium im Juni 1816 beauftragt, sich mit Professor Lampadius in Freiberg in Verbindung zu setzen, der eine englische Abhandlung zu diesem Thema bearbeitet und übersetzt hatte. Das Stadtpolizei-Kollegium war eine Behörde, der Staatsbeamten und Ratsmitglieder angehörten.
Nach Abwägung der Vor- und Nachteile befürworteten die Landesregierung und das Stadtpolizei-Kollegium die Einführung der Gasbeleuchtung in Dresden. Im Dezember 1820 genehmigte König Friedrich August I. von Sachsen (1750-1827) den Versuch, die Plätze um das Theater, die Hofkirche und das Schloss mit Gaslicht beleuchten zu lassen. Der Gasorgelbauer Uthe und Inspektor Blochmann vom Königlich-Mathematisch-Physikalischen Salon hatten sich bereits seit einigen Jahren mit dieser Beleuchtungsart beschäftigt und ihre Werkstätten damit ausgestattet. Nach einem Test ihrer Apparaturen wurde Blochmann 1825 mit der Ausführung des Projekts betraut.
Rudolf Sigismund Blochmann (1784-1871) war ein Pfarrerssohn aus Reichstädt bei Dippoldiswalde. Er hatte eine Ausbildung am Mathamatisch-Mechanischen Institut in München bei George von Reichenbach absolviert und seit 1809 eine mechanische Werkstatt bei Fraunhofer betrieben, wo er auch Beleuchtungsversuche mit Gas duchrchführte. Seine Pläne für die Gasbereitungsanstalt am nordöstlichen Ende des Zwingerwalls wurden von König Anton (1755-1836) am 14. Juni 1827 bestätigt, nachdem sein Bruder König Friedrich August I. verstorben war. Am 27. April 1828 wurde der Betrieb aufgenommen und der Schlossplatz beleuchtet. Anlass waren die Feierlichkeiten zur Geburt des Thronfolgers, der vier Tage zuvor das Licht der Welt erblickt hatte. Bis Jahresende folgten weitere Straßen und Plätze, wie die Schloßgasse, der Altmarkt und die Augustusstraße. 1833 ging das Gaswerk in städtisches Eigentum über. Rudolf Siegismund Blochmann wurde die Leitung übertragen. Seine Planungen aus dem Jahr 1831 für die Erweiterung der Gasbereitungsanstalt sind im Stadtarchiv überliefert. Blochmann übernahm auch die Leitung des 1839 erbauten neuen Gaswerkes an der Stiftsstraße.
Quelle: Der Sammler für Geschichte und Alterthum, Kunst und Natur im Elbthale, Dresden 1837, Stadtarchiv Dresden, 18 Bibliothek, Nr. Z.188.4a, S.25
Christine Stade
Mai 2018

© Repro: Stadtarchiv Dresden
„... ein paar Tropfen in den hohlen Zahn ...“ Über eine alte Rezeptur für die Herstellung eines besonderen Heilmittels
Ein Elixier zur Verlängerung des Lebens ist gewiss einer der sehnsüchtigsten Wünsche seit Menschengedenken. Im Stadtarchiv Dresden befindet sich tatsächlich ein vermeintliches Rezept hierfür. Es stammt aus dem Nachlass der Familien Schmidtgen und Werner und wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts handschriftlich verfasst. Neben dem Rezept für das Elixier finden sich in dem im Jahre 1926 übernommenen Bestand weitere Anleitungen für die Herstellung verschiedener Heilmittel, etwa für einen Tee zur Blutreinigung, für ein „blaues Kalg Wasser“ zur Behandlung von Augenentzündungen und für Brandsalben. Nur drei Tropfen des Lebenselixiers am Morgen und sieben bis acht Tropfen am Abend mit Wein, Tee oder Brühe eingenommen, sollen das Leben auf wundersame Weise verlängern. Insgesamt werden acht besondere Zutaten zur Herstellung benötigt. Dazu gehört Aloe socotrina, eine Pflanzenart aus der Gattung der Aloen, von der zwei Lot, also etwa zwei volle Löffel, erforderlich sind. Außerdem wird ein Quentchen, das heißt etwa ein Viertel oder Fünftel eines Lots, von der Zitwerwurzel gebraucht, die auch als Weiße Curcuma bekannt ist und aus der Familie der Ingwergewächse entstammt. Des Weiteren ist die gleiche Menge Enzian, „bester“ Safran, Rhabarber, Lärchenschwamm sowie Wachholder Latwerge notwendig, letzteres ist eine eingedickte Saft-Honig-Zubereitung. Und nicht zuletzt muss venezianischer Theriak bereitgehalten werden, der bereits in der Antike ein Antidot zur Behandlung von Vergiftungen bezeichnete. Diese Kräutermixtur galt im Mittelalter sogar als universelles Wunderheilmittel, wobei der Theriak aus Venedig sensationelle Berümtheit erlangte. Zur Herstellung des Elixiers müssen zunächst die trockenen Zutaten pulverisiert, gesiebt und zusammen mit der Latwerge, dem Theriak und einem halben Maß eines guten Kornbranntweines in eine Flasche „von grobartigem Glas“ gefüllt werden. Diese wird mit einem durchlöcherten Pergament verschlossen, vierzehn Tage in den Schatten gestellt und täglich zweimal geschüttelt. Danach ist das Substrat durch ein reines Leinentuch zu filtrieren, wieder zu vermischen und in eine „wohlzugemachte“ Flasche zu füllen. Durch den täglichen Gebrauch soll das fertige Elixier angeblich Kräfte mobilisieren und die Lebensgeister wecken, außerdem die Sinne schärfen sowie Nervenzittern und Rheumaschmerzen lindern.
Im Übrigen sollen „alle andre Medicamente“ durch die Einnahme des Heilmittels für lange Zeit obsolet werden. Zur spezifischen Behandlung von Übelkeit sei ein Esslöffel, bei Koliken seien drei Esslöffel mit der vierfachen Menge an Branntwein einzunehmen. Bei Zahnschmerzen wiederum sollten einfach ein paar Tropfen auf Baumwolle aufgetragen und diese in den „hohlen Zahn“ gedrückt werden. Das Mittel würde ohne Schmerzen wirken, allerdings dürfe man dazu kein Obst oder Salat essen und keine Milch trinken.
Achtung: Die hier vorgestellte Rezeptur ist lediglich eine Wiedergabe der archivischen Überlieferung. Es handelt sich nicht um eine Herstellungs- und Gebrauchsanweisung. Die Anwendung erfolgt auf eigene Gefahr, eine Haftung ist ausgeschlossen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 16.2.25, Familiennachlass Schmidtgen und Werner, Nr. 13.
Johannes Wendt
April 2018

© Stadtarchiv Dresden
Wasser und Bier für das Waldschlösschen
Vor 180 Jahren feierten die Dresdner die Eröffnung der Societätsbrauerei am Waldschlösschen. Am 26. März 1838 strömten Tausende Gäste in das Brauhaus, um Biere nach bayrischer Brauart zu kosten. Glaubt man den Überlieferungen wurden am ersten Tag circa 600 Liter Bier ausgeschenkt. Doch nicht nur der Bierausschank lockte die Besucher zum Waldschlössen. Von der Terrasse hatten die Gäste einen herrlichen Blick über das Elbtal und auf die Silhouette der Stadt. Die Zeitgenossen verfielen auch beim Anblick der Societätsbrauerei ins Schwärmen, denn „es leuchtet des flandrischen Bierkönigs Gambrinus stattliches Schloß dort am rechten Elbufer gar einladend ins Auge der Gegenwart.“
Doch bevor das erste Bier am Waldschlösschen gebraut werden konnte, mussten infrastrukturelle Maßnahmen geschaffen werden, um das Brauen überhaupt zu ermöglichen. Neben dem Bau von Lagerkellern und einer Mälzerei war die Versorgung mit frischem Trinkwasser eine Grundvoraussetzung. Laut einer Ratsakte aus dem Stadtarchiv wandte sich der Besitzer des Grundstücks, Stadtrat Heinrich Wilhelm Rachel, 1837 mit einem entsprechenden Gesuch an das Königliche Forstamt Dresden. Rachel hatte das Grundstück am Waldschlösschen im Auftrag der Gesellschafter erworben und wurde nach Eröffnung in das Direktorium der Societätsbrauerei berufen. In seinem Schreiben bat Rachel „um käufliche Ueberlassung von Röhrwasser von der Neustädter Wasserleitung“ für den Bedarf der Brauerei, was ihm von den Behörden gegen Auflagen bestätigt wurde.
Die Wasserröhren vom Waldschlösschen zur Neustädter Hauptleitung in Länge von 1.322 Ellen (circa 700 Meter) durch Fischhaus-Revier hatte die Aktiengesellschaft auf eigene Kosten zu bauen und zwar mit „möglichster Schonung des Waldes und auf dem zu bestimmenden Tracte.“ Dafür versprach die Königliche Wasser-Kommission etwa sieben Liter in einer Minute zu liefern. Die funktionierende Wasserleitung sorgte jedenfalls dafür, dass am Tag der Eröffnung kein Besucher durstig nach Hause gehen musste.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Z.176; in Saxonia: Museum für Sächsische Vaterlandskunde - Dresden: Pietzsch, 1835-1841. Bd. 5. 1841. Nr. 1. 1841. S. 8.
Marco Iwanzeck
März 2018

© Stadtarchiv Dresden, Foto: Elvira Wobst
„Das erste öffentliche Wasserklosett in Dresden“
Genau vor 140 Jahren, am 1. März 1878, berichtete Oberbürgermeister Stübel den Stadtverordneten von der Errichtung des ersten Wasserklosetts in Dresden, das zugleich auch die erste Bedürfnisanstalt für Frauen war. Das Wasser dafür lieferte das erste Dresdner Wasserwerk Saloppe. Die „Abortanlage für Damen“ befand sich in den äußeren Bürgerwiesen-Anlagen, nahe dem Zoologischen Garten, auf der Parkstraße 10b.
Bereits im Jahre 1873 hatten Stadtrat und Stadtverordnete aus sanitären Gründen den Bau eines öffentlichen Aborts für Frauen in Betracht gezogen. Allerdings lagen für die Planung und zu den Kosten einer solchen Anlage kaum Erfahrungen vor, so dass das Vorhaben nicht weiter verfolgt wurde. Der „Bezirks-Verein der Wilsdruffer Vorstadt und der Friedrichstadt“ griff das Thema auf und stellte am 12. Februar 1876 beim Stadtrat folgende Anfrage: „Der geehrte Rath wolle erwägen, ob nicht für Frauen die Errichtung von Bedürfnisanstalten angezeigt scheine […].“ Daraufhin erfolgte im März 1876 eine Anfrage beim Rat der Stadt Leipzig, wo bereits 1875 auf dem Fleischerplatz eine Bedürfnisanstalt für Frauen entstanden war. Vor allem ging es um Informationen über Konstruktion und Standort, aber auch um Erfahrungen, die, „besonders hinsichtlich der Frequenz der Benutzung und in sittlicher Beziehung, mit denselben gemacht worden sind“.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen erarbeitete das Stadtbauamt eine „Vorlage zur Errichtung einer Bedürfnisanstalt für Frauen in Dresden“, die am 12. April 1876 von Oberbürgermeister Pfotenhauer an die Stadtverordneten zur Genehmigung überwiesen wurde. Wie in Leipzig sollte sich hier der Standort keinesfalls im Stadtzentrum befinden, sondern außerhalb, in der Bürgerwiese. Nach zahlreichen Debatten und Umplanungen konnte im Mai 1877 mit dem Bau des ersten Wasserklosetts in Dresden begonnen werden. Man entschied die Anlage durchgehend zu öffnen und eine Wärterin anzustellen. Die Einnahmen von der Abortbenutzung sollten dieser als Honorar für ihre Dienste überlassen und ein Pachtgeld nicht erhoben werden. Der Bauplan sah vor, im Mittelbau den Abort für Frauen und eine Wärterinnen-Wohnung unterzubringen. Da man bei der isolierten Lage befürchtete, „dass die Anstalt leicht der Schauplatz allerhand, insbesondere sich gegen die Frauenwelt richteten versteckten Unfuges werden könnte“, wurde das Pissoir für Männer zur besseren Überwachung neben der Wärterinnenstube platziert. Der Stadtrat erachtete die Anlage als zweckmäßig und ästhetisch.
Mehr zum Thema können Sie noch bis zum 30. März 2018 im Stadtarchiv Dresden in der Ausstellung „Verborgene Geschichte(n) aus dem Stadtarchiv“ erfahren.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 3.1 Stadtverordnetenakten, Nr. P.39, Bd. I, Bl. 45b
Carola Schauer
Februar 2018

© Stadtarchiv Dresden, Elvira Wobst
Johann Georg Palitzsch (1723 - 1788) und der Halley’sche Komet
Vor 230 Jahren, am 21. Februar 1788, starb der gelehrte Prohliser Gutsbesitzer Johann Georg Palitzsch. Schon seit frühester Jugend faszinierten ihn astronomische und naturwissenschaftliche Entdeckungen. Deshalb nutzte er trotz anstrengendem Ausbildungs- und Arbeitsalltag auf dem väterlichen Bauerngut die wenigen freien Stunden für autodidaktische Studien der Astronomie, Physik, Botanik und anderer Naturwissenschaften. Am 16. August 1744 übernahm Palitzsch das Gut von seiner Mutter und dem Stiefvater für eine Kaufsumme von 3100 Gulden. In dem Erbkaufvertrag im Gerichtsbuch des Maternihospitalamtes Dresden sind alle Gebäude, Haustiere und der Hausrat detaillert registriert. Endlich unabhängig, konnte Palitzsch seine Forschungen weiter vorantreiben und sogar einen botanischen Garten auf dem Gut anlegen. Mit dem ebenfalls als Autodidakt bekannten Astronomen Christian Gärtner aus Tolkewitz betrieb er intensive Himmelsbeobachtungen mit dem Fernrohr, die er akribisch aufzeichnete. Durch Gärtner wurde Palitzsch mit Georg Gottlieb Haubold, dem Inspektor des mathematisch- physikalischen Salons in Dresden, bekannt. Dieser bot ihm die Möglichkeit, die dort vorhandenen wissenschaftlichen Abhandlungen und Gerätschaften zu nutzen. Bekanntheit erlangte der Prohliser Landwirt 1758 durch den erstmaligen Nachweis von Süßwasserpolypen in sächsischen Gewässern. Eine weitere Entdeckung im Dezember 1758 verschaffte ihm Anerkennung in astronomischen Fachkreisen. Im Dresdner Anzeiger Nr. 2/1759 heißt es: „Als ich nach meiner mühsamen Gewohnheit, alles was in der Physic vorfällt, so viel möglich zu betrachten, und gegen den Himmels-Begebenheiten aufmerksam zu seyn, den 25. jetzigen Dezemb[er] Monaths abends um 6 Uhr mit meinem 8-füßigen Tubo die Fix-Sterne durchgienge, um zu sehen wie wohl sich der ietzt sichtbare Stern des Wallfisches darstelle, als auch ob sich nicht der seit langer Zeit verkündigte und sehnlich erwünschte Komet nähere oder zeige; so wurde mir das unbeschreibliche Vergnügen zu theil, nicht weit von diesem wunderbaren Wallfisch-Sterne, im Sternbild der Fische ... einen sonst niemahlen dort wahrgenommenen neblichten Stern, zu entdecken.“ Palitzsch hatte als Erster den Kometen entdeckt, dessen Wiedererscheinen Halley für das Jahr 1758 vorausgesagt hatte. Eine genaue Beschreibung liefert der Dresdner Anzeiger Nr. 7 von 1759. Weitere astronomische und wissenschaftliche Beobachtungen sowie seine Erfolge als Landwirt brachten Palitzsch 1770 die Ehrenmitgliedschaft der „Leipziger ökonomischen Societät“ ein. Das von dem Bildhauer Ernst Wilhelm Knieling geschaffene Denkmal setzte die Gemeinde Prohlis ihrem „Sterngucker“ im Jahr 1877. Das Palitzsch-Museum in Dresden-Prohlis wurde 1988 begründet.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 15.13. Ortsarchiv Leubnitz-Neuostra, Nr. 141
Christine Stade
Januar 2018

© Stadtarchiv Dresden, Foto: Elvira Wobst
Heinrich Ernemann - Ein Pionier der Kameraproduktion
Gehen wir heute Abend ins Kino? Eine oft gestellte Frage. Der Begriff „Kino“ leitet sich von Kinematograph her? Schon sind wir mitten drin in der Geschichte des Kamerabaus in Dresden und eines seiner Pioniere, des Kaufmanns Heinrich Ernemann (1850-1928). Heinrich Ernemann war ein Visionär, der zur richtigen Zeit die Potentiale der Fotografie und von bewegten Bildern erkannte.
Seit 1876 war Ernemann als Kaufmann in Dresden tätig. Am 5. November 1889 meldete er ein Gewerbe zu-sammen mit Wilhelm Franz Matthias zur Fabrikation fotografischer Apparate in der Güterbahnhofstraße 10 an. Am 9. April 1890 verlegten die beiden ihre Firma „Dresdner photographische Apparate-Fabrik“ in ein Hinterhaus in der Pirnaischen Straße 50. Am 26. März 1895 zog sich Franz Wilhelm Matthias aus der Firma zurück. Ernemann war nun der alleinige Inhaber der Firma. Im Jahr 1897 wurde der Grundstein für das bekannte Firmengelände an der Schandauer Straße gelegt. Ernemann wollte von Zulieferern möglichst unabhängig sein. Er baute eine eigene mechanische Werkstatt auf und 1907 kam die optische Abteilung hinzu. Er setze vor allem auf Qualität und auf Spezialkameras für Profis. Dresden wurde zum Hauptstandort der fotografischen Industrie Deutschlands. Die Ernemann-Werke, seit Mai 1899 eine Aktiengesellschaft, hatten daran großen Anteil. Die Erzeugnisse wurden von Ernemann als Markenartikel deklariert, um sie zu schützen und deren Nachbau zu erschweren. Eine der bekannten Schutzmarken war die Lichtgöttin, nach dem vom Maler Hans Unger (1872-1936) für die Fassade des Ernemann-Baus in der Schandauer Straße entworfenem Glasmosaik.
Anfang 1903 brachte Ernemann seinen ersten Kinematografen heraus und taufte ihn auf den Namen „Kino“. In einer Werbebroschüre von 1907 wird die Kinematographie als wichtiges Erziehungs-, Bildungs- und Unterhaltungsmittel für die Allgemeinheit dargestellt. Auch für die passenden Filme wurde gleich gesorgt, es gab humoristische Szenen, historische Bilder, Städtebilder und Straßenszenen, sowie Szenen aus dem Kinderleben. Das „Kino“ erfreute sich fortan im In- und Ausland großer Beliebtheit.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.2.1 Drucksammlung, A 272/I.
Gisela Hoppe
Archivalien des Monats aus dem Jahr 2017
Dezember 2017
„Schilling & Graebner“ und Bau der „Alten Zionskirche“
Die Architekten Schilling & Graebner hinterließen in Dresden mit dem Rathaus Pieschen, der Christuskirche Strehlen oder den Ergänzungsbauten für Lahmanns Sanatorium Bleibendes. Rudolf Schilling und Julius Graebner lernten sich bei ihrem Architekturstudium am Dresdner Polytechnikum kennen. Sie gründeten im Jahr 1889 gemeinsam in Dresden das Architekturbüro „Schilling & Graebner“. Nach dem Tod von Julius Graebner im Jahr 1917 trat dessen Sohn Erwin Graebner in die Firma ein. Rudolf Schilling starb 1933. Im Jahr 1947 wurde das Architekturbüro „Schilling & Graebner“ geschlossen. Zahlreiche Dokumente sind im Stadtarchiv zu beiden Architekten überliefert, so auch eine mehrseitige Abhandlung Graebners vom 2. April 1907 über den neuen Entwurf der Zionskirche.
Der Maschinenfabrikant Johann Hampel setzte die Stadt Dresden kurz vor seinem Tod im Jahr 1896 testamentarisch zur Universalerbin seines Vermögens ein, unter der Bedingung, dass aus den Mitteln der Erbschaft eine evangelisch-lutherische Kirche im Gebiet der See- oder Südvorstadt errichtet wird. Dazu schrieb die Stadt am 18. April 1901 einen Wettbewerb zur Erbauung einer evangelisch-lutherischen Kirche aus. Schilling & Graebner gewannen den 2. Preis und erhielten den Auftrag für das Bauprojekt. Am 27. Juli 1908 mit dem Bau begonnen werden. Am 29. September 1912 fand die Weihe der „Zionskirche“ (wie sie seit der Grundsteinlegung am 5. November 1901 genannt wurde) statt.
Bei den Luftangriffen auf Dresden im Februar 1945 wurde die Kirche schwer getroffen und brannte bis auf die Umfassungsmauern aus. Sie wurde später mit einem provisorischen Dach gesichert. Im Tausch gegen das Areal für die Neue Zionskirche erhielt die Stadt Dresden die Kirchenruine, welche sie seit 1966 als Lapidarium nutzt.
Die Entwurfszeichnungen zeigt das Stadtarchiv Dresden im Rahmen der Sonderausstellung „Verborgene Geschichte(n) aus dem Stadtarchiv“, die am 4. Dezember 2017 mit einer Vernissage eröffnet wurde.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 10 Bau- und Grundstücksakten, Nr. 14172, Blatt 6.
Anett Hillert
November 2017

© Stadtarchiv Dresden
Ein neues Siegel für die Gemeinde „Weißer Hirsch“
Als ein „stucke holzces an der heyde, das sich anhebet an der brucken in dem Mortgrunde und gehet uff die straße biis an den Luczehobil unde gehet dann herabe von dem Luczehobil zcwischen der gemeyne von der Bele eynen grasewegk biis in den Rochewiczer grund […]“ wird das östlich von Dresden gelegene Gebiet, der heutige Stadtteil Weißer Hirsch, im 15. Jahrhundert beschrieben. Doch woher stammt dieser untypische Stadtteilname?
Im Jahr 1685 kaufte der kurfürstliche Kapellmeister Christoph Bernhard(i) den Weinberg südlich der Verbindungsstraße nach Bautzen und ließ dort die Schenke mit dem Namen „Zum Weißen Hirsch“ errichten. Woher Bernhard(i) die Inspiration zu dieser Namensgebung nahm, lässt sich nicht eindeutig klären. Eine Vermutung ist aber, da es sich bei der Dresdner Heide um ein beliebtes Jagdgebiet handelte, dass sich Bernhard(i) der Sage des Heiligen Hubertus erinnerte. Der Sage nach begegnete dieser bei der Jagd einem Weißen Hirsch mit einem leuchtenden Kreuz zwischen dem Geweih. Der „Weiße Hirsch“, der sowohl für die Schenke, als auch für die Gemeinde namensgebend war, zierte bis 1921 auch das Siegel der Gemeindeverwaltung. Es zeigte einen geteilten Wappenschild mit einem Hirschkopf darüber.
Am 13.03.1894 veröffentlichte das Ministerium des Innern einen Beschluss, der die Verwendung wappenähnlicher Siegel von Landgemeinden untersagte. Diesen Beschluss nahm die Königliche Amtshauptmannschaft Dresden/Neustadt zum Anlass, das Siegel der Gemeinde „Weißer Hirsch“ überprüfen und ändern zu lassen. Eine entsprechende Aufforderung seitens der Amtshauptmannschaft ging 1902 beim Gemeinderat „Weißer Hirsch“ ein. Nach einer umfangreichen Überprüfung des Siegels wurde der Gemeinde „Weißer Hirsch“ am 7. September 1904 die weitere Verwendung dieses Siegels, in der bis dahin bestehenden Form, untersagt und es erging die Aufforderung ein neues Gemeindesiegel zu entwerfen.
Entwürfe verschiedenster Künstler gingen beim Gemeinderat ein. Ihre Motive sind im Stadtarchiv Dresden heute noch überliefert. Den Zuschlag für das neue Gemeindesiegel aber erhielt der Berliner Professor Hildebrandt. Das Siegel zeigt einen nach rechts blickenden gezungten weißen Hirsch. Das neue Gemeindesiegel wurde am 18. März 1905 in Gebrauch genommen.
Quelle: Stadtarchiv Dresden, 8.58 Gemeindeverwaltung Weißer Hirsch, Nr. 75.
Marco Kramer
Oktober 2017

© Stadtarchiv Dresden
Das Zapon-Verfahren. Eine Dresdner Erfindung zur Erhaltung von Archivalien?
Es gehört zu den Hauptaufgaben von Archivaren, die ihnen anvertrauten Schätze zu bewahren und zu erhalten. Wertvolle Handschriften, Urkunden, Bücher, Akten, Landkarten und Fotos waren immer wieder durch schlechte Lagerungsbedingungen, Umwelteinflüsse, knappe Kassen oder durch Schädlinge, die Papier, Pergament und Leder zerstören, bedroht. Die Suche nach einem Schutzmittel zum Erhalt von wertvollen Archivalien wurde am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer internationalen Angelegenheit.
1898 hatte eine internationale Konferenz zur Erhaltung und Restaurierung alter Handschriften in St. Gallen stattgefunden. Die Königlich-Sächsische Regierung entsandte den Oberregierungsrat Dr. Otto Adalbert Posse (1847-1921) nach St. Gallen. Er hatte dort die Aufmerksamkeit auf das von Oberstabsarzt Dr. Ernst Georg Schill (1852-1925) aus Dresden erfundene Zapon-Verfahren gelenkt. Der Name “Zapon“ ist willkürlich gewählt. Es basiert auf der Grundlage von Nitrocellulose, die bereits 1848 entdeckt worden war (Zaponlack ist ein Nitrolack). 1899 trafen sich Archivare aus allen Teilen Deutschlands in Dresden, um über das Verfahren zu beraten. Dr. Posse ging in seiner Rede vom 18. September 1899 vor den Teilnehmern der Dresdner Konferenz auf die Ergebnisse der Konferenz in St. Gallen ein und stellte die verschiedenen in St. Gallen besprochenen Konservierungsmethoden vor.
Dort wurde die Empfehlung für das Schillsche Imprägnierungsverfahren von weiteren Prüfungen und Studien abhängig gemacht. Oberstabsarzt Dr. Schill hatte das Verfahren um 1892 für das Militär erfunden, um Generalstabskarten im Freien und namentlich bei Regenwetter benutzen zu können. Neben dem militärischen Zweck sollten mit dem Zapon-Verfahren neue Wege archivarischer Konservierungsmöglichkeiten gegangen werden.
Da noch Langzeitstudien fehlten, beschlossen manche teilnehmenden Archive, Versuche mit der Zapon-Imprägnierung durchzuführen. Das Verfahren konnte sich jedoch nicht für die Konservierung von historischen Dokumenten durchsetzen. Allerdings gibt es Zaponlack, welcher als Oxidationschutz für Metalle gebräuchlich ist, noch heute.
Gisela Hoppe
September 2017

© Stadtarchiv Dresden
Stereofotografie von Hermann Krone.
Im Jahre 2011 konnte das Stadtarchiv Dresden mit Hilfe der Drewag ein Konvolut historischer Dresdner Foto-grafien erwerben. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Stadtansichten, insbesondere um Stereofotografien aus den Jahren zwischen 1860 und 1890. In Sachsen war es vor allem der gebürtige Breslauer Hermann Krone (1827 - 1916), der schon in den 1850er Jahren mit der Stereofotografie experimentierte und in der Folge auch eine Vielzahl von Stereokartons zum Verkauf herstellte. In dem 1998 erschienenen Sammelband zum „Photopionier Hermann Krone“ beschreibt Dieter Lorenz die Besonderheit der Stereofotografie folgendermaßen: „Das räumliche Sehen des Menschen bewirken seine beiden Augen.
Wegen deren Abstandes von etwa 60 bis 70 Millimeter entwerfen sie auf ihren Netzhäuten zwei geringfügig voneinander verschiedene Bilder, die im Gehirn zu einem räumlichen Bild verschmolzen werden. Die Stereofotografie vollzieht dies nach und fügt so der „flachen“ Fotografie die dritte Dimension hinzu.“ Auf der abgebildeten Archivalie ist das lebhafte Markttreiben mit den Händlern und Käufern auf dem Altmarkt um 1865 dokumentiert. Am linken Bildrand befindet sich das Dresdner Rathaus, hervorgehoben durch den Dachreiter mit Uhr. Im Hintergrund zeichnet sich mittig die Silhouette des Hausmannsturms ab. An den Nachfolgebauten der 1950er Jahre ist der Standort des Altstädter Rathauses durch das Dachtürmchen markiert (heute: Eingang Altmarkt Galerie). Carl Hermann Julius Krone hatte es sich bereits in seinem Gesuch für das Bürgerrecht als Hauptaufgabe gestellt, die Stadt „mit besten Absichten“ zu dokumentieren. Seit 1849 verweilte Krone zeitweise in der Kunstakademie Dresden. Nach Erlangung des Bürgerrechts eröffnete er 1853 sein erstes Fotostudio auf Marienstraße 30 in der Nähe des Postplatzes. Das Stadtarchiv verwahrt neben den erworbenen Stereofotografien auch die Gewerbeakte von Carl Hermann Julius Krone mit Geschäftsbriefen, Rechnungen und anderen Gewerbeunterlagen.
Annemarie Niering
August 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Eine Schule für Rochwitz
Schulneubauten stehen momentan in Dresden ganz oben auf der Agenda. Nicht nur Sanierungen der bestehenden Schulen sind notwendig, sondern mit steigenden Schülerzahlen muss neuer Raum zum Lernen geschaffen werden. So geschieht es gegenwärtig auch mit der 61. Grundschule „Heinrich Schütz“ in Rochwitz, die einen modernen Ersatzneubau an alter Stelle bekommt. Dafür musste allerdings das in die Jahre gekommene Gebäude weichen. Das alte Schulhaus wurde 1882 gebaut. Der Vorstoß der Gemeinde Rochwitz am Ende des 19. Jahrhunderts eine eigene Schule zu bauen, begründete sich mit der wachsenden Bevölkerung im Ort. Bis dahin gingen die Schülerinnen und Schüler der Gemeinde über den als Kirchweg ausgebauten Feldweg nach Bühlau zum Lernen. Der Wunsch des Ortvorstehers eine eigene Schulgemeinde zu gründen, fußte auch darauf, den Kindern den längeren Weg nach Bühlau zu ersparen. Demzufolge beantragte der Gemeindevorsteher Carl Eisold im Jahr 1882 bei der königlichen Schulinspektion die „Ausschulung“ der Rochwitzer Schülerinnen und Schüler aus der Schulgemeinde Bühlau. Die Genehmigung wurde von der Behörde erteilt. Im Stadtarchiv Dresden sind Akten erhalten, die den Weg der Rochwitzer zur eigenen Schulgemeinde dokumentieren. Für die zwei gebildeten Klassen aus 67 Schülerinnen und Schülern stand ein großer geteilter Klassenraum im Erdgeschoß zur Verfügung. Im Obergeschoss des neuen Gebäudes bezog der Lehrer seine Wohnung.
Schon 1893 wurde die zehn Jahre zuvor neu gebaute Schule zu klein, sodass eine Erweiterung des Schulhauses nötig wurde. In den zwei Klassen gab es jeweils 67 und 61 Schüler. Der Lehrer mahnte an, dass wegen Überfüllung das Schulziel in allen Fächern gefährdet sei. Realisiert wurde der Anbau an das bestehende Gebäude bis zum Jahr 1899. Mit der Eingemeindung des Ortes Rochwitz nach Dresden im Jahre 1921 wurde auch die Schulgemeinde in das städtische Schulsystem integriert. Gegenwärtigen Planungen zufolge bleibt von der alten Schule der prägnante Sandsteingiebel mit Turmuhr erhalten. Als neuer Standort wird der Platz gegenüber des neuen Schulgebäudes favorisiert.
Marco Iwanzeck
Juli 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Heinrich Wilhelm Calberla - Begründer der ersten sächsischen Zuckerfabrik
Landesherrliche Privilegien für das Zuckersieden wurden bereits seit dem 16. Jahrhundert in Dresden, insbesondere für Apotheker, erteilt. Heinrich Wilhelm Calberla (1774-1836) begründete das erste größere Unternehmen dieser Art in Sachsen. Als Mitglied des Bürgerausschusses für die Abtragung der Dresdner Festungsanlagen fand er schnell einen passenden Bauplatz am Zwingerwall. Auf seinem neu erworbenen Grundstück an der ehemaligen Bastei Sol, nahe dem Feuerwerksplatz, ließ Calberla im Jahr 1817 den Grundstein für die Zuckersiederei legen. Die Ratsakte „Die von dem hiesigen Drechslermeister Heinrich Wilhelm Calberla anzulegende Zuckerfabrik und dessen Gesuch um Accis-Fixaktion seiner Zuckerfabrikate ...“ zeugt von den Problemen bei der Etablierung des Unternehmens und von den Auseinandersetzungen mit der Dresdner Kaufmannschaft. Diese sahen in der Fabrik eine Gefahr für ihre eigenen Handelsrechte und Einkünfte. Laut dem am 26. März 1821 erteilten Privileg zum uneingeschränkten Verkauf von raffiniertem Zucker, Kandis und Sirup durfte Calberla deshalb seine Zuckerwaren nicht im Einzelhandel, sondern nur ab einer Menge von einem viertel Zentner verkaufen.
Heinrich Wilhelm Calberla war ein vielseitiger Unternehmer. Er stammte aus Braunschweig, lernte das Handwerk eines Drechslers und erwarb im Jahr 1800 das Dresdner Bürgerrecht. Als Kunstdrechsler fertigte er Tabakpfeifen, Brettspielfiguren und andere Erzeugnisse aus Horn und Schafbein an. Darüber hinaus erhielt Calberla eine Gaststättenkonzession und interessierte sich für die Dampfschifffahrt. Er glaubte daran, dass das Befahren der Elbe mit Schleppdampfern möglich ist, um den Rohzucker für die Zuckersiederei und andere Waren schneller und günstiger transportieren zu können. Deshalb ließ er in Krippen nach seinen Vorstellungen ein Schleppschiff erbauen, das 1833 nach Hamburg fuhr. Mit einer dort eingebauten englischen Dampfmaschine und Waren kehrte das Dampfschiff im Winter 1834/1835 wohlbehalten nach Dresden zurück. Leider verunglückte es auf seiner nächsten Fahrt. Ungeachtet dessen zählt Calberla zu den Pionieren der Dampfschifffahrt auf der Elbe. (siehe Dresdner Geschichtsblätter, Nr. 3,1916, S. 164-174). Nach seinem Tod im Jahr 1836 führte der Sohn Gustav Moritz Calberla die Zuckerfabrik nur wenige Jahre weiter, nutzte die Räumlichkeiten aber auch für Wohnungen und anderen Zwecke. Aufgrund der guten Lage am Altstädter Elbufer, neben dem Italienischen Dörfchen und dem inzwischen erbauten Opernhaus, wurden die ehemaligen Fabrikgebäude nach dem Verkauf 1853 zu einem Hotel umgebaut. Das bekannte und renommierte Dresdner Hotel Bellevue wurde 1945 zerstört.
Christine Stade
Juni 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Die erste Internationale Kunstausstellung 1897 in Dresden
Am Sonnabend, den 1. Mai 1897 eröffnete im städtischen Ausstellungsgebäude auf der Stübelallee die 1. Internationale Kunstausstellung in Dresden. Nebst dem sächsischen König und Mitgliedern des Königshauses, waren die wichtigsten Entscheidungsträger der Stadt und Bildungseinrichtungen zugegen. Künstler und Künstlerinnen aus 12 verschiedenen Staaten waren eingeladen, ihre etwa 1300 Werksarbeiten, vorrangig Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, sowie Plastiken und architektonische Beiträge, in den 22 Räumen des Ausstellungspalastes zur Schau zu stellen. Eine Internationale Kunstausstellung hatte die Stadt Dresden - so suggerierten die Dresdner Nachrichten - bitter nötig, denn sie drohte durch ihre Reminiszenzen an eine längst überholte Ästhetik, kulturell in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Deutsche Kunst, den internationalen Künstlern gegenüberzustellen, war ein Kerngedanke der Ausstellungsmacher. Die Schau wechselte zwischen vaterländischen Motiven und der Rezeption eines neuen Kunstverständnisses. Dieser Widerspruch bildete sich auch in den gewählten Objekten ab, die entweder eine neue vereinfachte Formen- und Farbsprache oder die bisher praktizierten naturalistische Anleihen aus Historismus und Spätromantik dokumentierten. Nicht immer erschienen die ungewohnten Ansätze auf Begeisterung zu stoßen. „Wir wollen hoffen, die capricitöse Nüchternheit, die sie athmen, die gekünstelte Einfachheit der Materialien [...] die gemüthlose Dekandence der Formen macht nicht Schule bei uns“ - sinnierte beispielsweise ein Journalist der Dresdner Nachrichten. Im Verlaufe der nächsten Monate etablierte sich die Ausstellung, trotz aller Skepsis, zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Dem Ausstellungsgremium gelang es durch zahlreiche wechselnde Angebote, wie Ermäßigungen, festlichen Rahmenveranstaltungen, Vorträge, Verlosungen oder gar den Einsatz von Sonderzügen der Staatsbahn nach Dresden, reges Interesse auch bei denjenigen der Kunst bisher ferner stehenden Menschen zu wecken. So sahen sich an Sonntagen durchschnittlich etwa 1500 bis 6000 Menschen die Kunstwerke an. Die gelungene Melange aus Aufklärung, ästhetischer Erneuerung, sowie finanziellem Erfolg durch den Verkauf vieler Werke an Sammler, strahlte auf zukünftige Ausstellungen aus und bescherte Dresden in Ansätzen wieder den Ruf einer maßgebenden Kunststadt.
Claudia Pawlowitsch
Mai 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Über die „Verschwisterung“ von Dresden und Skopje. 50 Jahre Städtepartnerschaft mit der mazedonischen Hauptstadt
Am 6. November 1967 wurde mit der Unterzeichnung des Städtepartnerschaftsvertrages durch die Ober-bürgermeister Gerhard Schill und Blagoj Popov feierlich die „Verschwisterung“ von Dresden und Skopje erklärt und damit offiziell die Absicht verkündet, „für Frieden und Sicherheit in Europa gegenseitige freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen und auszubauen“ und „Gefühle der Freundschaft, der gegenseitigen Achtung und des Verstehens“ zu entwickeln. Hierfür war insbesondere ein Wissens- und Erfahrungsaustausch in den Bereichen Kommunalpolitik, Kultur, Wissenschaft, Bildung und Gesundheitswesen vorgesehen, wobei für die konkrete Umsetzung jährlich detaillierte Vereinbarungen getroffen werden sollten. Die mazedonische Hauptstadt wurde am 26. Juli 1963 von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht, bei dem mehr als 1000 Menschen ihr Leben und etwa drei Viertel der Bevölkerung ihr Obdach verloren. Binnen Minuten war der Großteil der Gebäude in der Stadt zerstört oder schwer beschädigt.
Die weltweite Anteilnahme nach der Katastrophe war außerordentlich: mehr als 75 Länder leisteten internationale Hilfe in den folgenden Jahren, darunter auch die DDR. In Dresden befand sich damals das Generalsekretariat des Deut-schen Roten Kreuzes der DDR. Als im November 1965 eine Delegation aus Skopje in Dresden war, um dem Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes eine besondere Auszeichnung für die humanitäre Hilfe zu überreichen, regten die Gäste auch den Abschluss eines Freundschaftsvertrages an. Nach der Zustimmung durch die Vertreter beider Städte in der ersten Jahreshälfte 1966 wurden dann im Oktober die Verhandlungen für die Vorbereitung der Städtepartnerschaft geführt. Der Programmentwurf aus Skopje sah etwa den Erfahrungsaustausch im Bereich der Verkehrs- und Grünflächenplanung, Kooperationsprojekte kultureller Institutionen und Schulen sowie den Austausch von Bild- und Filmmaterial zur Förderung des Tourismus vor. Im Juni 1967 wurden Artikel der beiden Oberbürgermeister in der Presse veröffentlicht, die den Einwohnerschaften einige Eindrücke über die zukünftige Partnerstadt vermitteln sollten. Nach Abschluss der Vertragsunterzeichnung im November 1967 verwies Blagoj Popov noch einmal auf die Erfahrung der Zerstörung der Städte als wichtige Gemeinsamkeit. Erste Vorschläge für Kooperationen in den Jahren 1968 und 1969 waren unter anderem eine Ausstellung über die Werktätigen Dresdens in Skopje und ein Informationsaustausch von Architekten und Bauingenieuren in Dresden über Stadtplanung und Bauwesen. Die Stadt am Fluss Vardar war die vierte Partnerstadt Dresdens. Eine Erneuerung der Vereinbarungen erfolgte im Jahr 1995. Nach wie vor sind Städtepartnerschaften eine wichtige Grundlage dafür, andere Kulturen kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Interessierte können im Internet oder unter der E-Mail-Adresse europa@dresden.de weitere Informationen über die Dresdner Partnerstädte erhalten.
Johannes Wendt
April 2017
Die Abendzeitung - ein Dresdner Unterhaltungsblatt des 19. Jahrhunderts
Vor 200 Jahren, am 1. Januar 1817, erschien die erste Ausgabe der „Abendzeitung“ in Dresden. Die Vorankündigung dazu „An die verehrten Einwohner von Dresden“ vom Dezember 1816 wirbt für ein Unterhaltungsblatt, das fern von Politik und „strengwissenschaftlichen Belehrungen“ dazu beitragen möchte, „mit guten Gedanken das Tagewerk zu beschließen“. Der Abend solle nicht mit Trübsal, sondern heiter und freundlich ausklingen, „kurz einem milden Sommerabende gleich seyn“. Die Begründer der „Abendzeitung“ waren Johann Christoph Arnhold als Verleger sowie Karl Gottfried Theodor Winkler und Friedrich Kind als Herausgeber. Unter dem Pseudonym Theodor Hell hinterließ Winkler zahlreiche Spuren in Dresden. Er war unter anderem beim Stadtgericht, im Geheimen Archiv, an der Kunstakademie sowie am Hoftheater tätig und engagierte sich in mehreren Vereinen. 1824 wurden ihm der Titel eines Sächsischen Hofrates und 1851 die Ehrenbürgerwürde von Dresden verliehen. Theodor Hell verfügte über umfangreiche Sprachkenntnisse und übersetzte ausländische Dramen und Operntexte für die deutsche Bühne. Er verfasste auch selbst Gedichte, Erzählungen und Komödien und gab mehrere Taschenbücher heraus. Sein „Dramatisches Vergißmeinnicht“ ist in der Bibliothek des Stadtarchivs vorhanden. Viele Beiträge der Abendzeitung stammen aus der Feder von Theodor Hell, so auch das Gedicht „Häusliches Gespräch“ auf der Titelseite der ersten Ausgabe. Darin bewirbt er die Zeitung als gemeinsame Feierabendlektüre für „sie“ und „ihn“. Die Abendzeitung erschien an sechs Wochentagen. Auf vier Seiten wurden Gedichte, Kurz- und Fortsetzungserzählungen, Rezensionen sowie Kunst- und Theaternachrichten aus dem In- und Ausland präsentiert.
Viele der Verfasser waren, wie Theodor Hell selbst, Mitglieder des „Dresdner Liederkreises“. Kritiker, wie Hermann Anders Krüger, warfen der Zeitung „Pseudoromantik“ und Mittelmäßigkeit vor. Die Allgemeine Deutsche Biographie würdigt hingegen ihre „literarische Bedeutsamkeit als erstes belletristisches Blatt der Restaurationszeit“ (Band 11, S. 694, Leipzig 1880). Neben den regelmäßig enthaltenen „Correspondenz-Nachrichten“ über Theateraufführungen und Kulturereignisse sind historische Beiträge besonders interessant. Sie beschreiben beispielsweise die Geschichte der Kreuzkirche in Dresden, die Fuchsjagt in England oder den Lachsfang in Schottland. Im Stadtarchiv ist die Abendzeitung von 1817 bis 1841 fast lückenlos überliefert. Aus der Redaktionszeit von Hells Nachfolger, Robert Schmieder, sind nur der Jahrgang 1848 und einzelne Ausgaben vorhanden.
Christine Stade
März 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Vom Hochbunker zum Zentralwerk für Kunst und Kultur
Im November 1945 beantragte die „Druckerei Sächsische Volkszeitung“ bei dem Amt für Wiederaufbau eine „schnellste Einrichtung des Druckreibetriebes“. Laut Antrag waren dafür aufwendige Umbaumaßnahmen notwendig. Es handelte sich dabei um die Industrieanlage „Goehle-Werk“ der Zeiss Ikon AG im Stadtteil Pieschen, in der bis zum Kriegsende Sprengkapseln und Zünder, insbesondere durch Zwangsarbeiter angefertigt wurden. Die Bebauung des Areals zwischen Großenhainer Straße, Heidestraße und Riesaer Straße erfolgte, ausgenommen von der Nähmaschinenfabrik der Firma „Clemens Müller“ (später Werk B), zwischen 1938 und 1940. Bauliche Veränderungen, insbesondere für die neu zu errichtenden Sprengstofflager sind noch bis Ende April 1945 nachzuweisen. Die Industrieanlage gehörte zu einem der größeren Rüstungsbetriebe in Dresden. Das Produktprofil der Zeiss Ikon AG wurde gegen Ende der dreißiger Jahre wesentlich durch den stark gestiegenen Rüstungsbedarf aller Waffen der Wehrmacht/Reichsmarine bestimmt. Die Namensgebung erfolgte nach Herbert Goehle (1878-1947), Konteradmiral der Kriegsmarine. Bei der Archivalie des Monats handelt es sich um einen Entwurf aus den 1950er Jahren. Abgebildet ist das ehemalige Gemeinschaftshaus des Goehle-Werkes.
Nach einem Lageplan von 1945 bestand der Industriekomplex aus Werk A und Werk B, beide jeweils mit zwei markanten Hochbunkern beziehungsweise Schutztreppenhäuser. Die Treppenhäuser wurden an der Gebäude-Außenseite mit entsprechenden bombensicheren Wand- und Deckenstärken angebaut. Signifikant sind zudem die Abprallverdachungen über den Treppenhausfenstern und Treppenhaustüren sowie die weit hervorgehobenen Aufschlagdecken, die den baulichen Abschluss bilden. Das Werke A ist einschließlich der beiden Hochbunker und des Gemeinschaftshauses den Architekten Emil Högg und Friedrich Rötschke zuzuschreiben. Das zweigeschossige Gemeinschaftshaus (Ecke Heidestra-ße/Riesaer Straße 32) mit dazu gehörigem Keller nutzte die Direktion zum einen als Lagerungsort und zum anderen für die Belegschaft. Dort gab es sowohl Wasch- und Ruheräume als auch eine Arztstation, die eben-falls mit Zimmern für Grünkreuzvergiftete für eine Entgiftung eingerichtet wurde. Im Erdgeschoss standen eine Küche sowie ein großer Saal mit Bühne zur Verfügung. Die im Obergeschoss befindlichen Ränge des großen Saales, ein kleiner Saal, Büroräume und eine Terrasse, sollten ebenfalls für die Belegschaft des Werkes zur Verfügung stehen. In den fünfziger Jahren nutzte die „Sächsische Volkzeitung“ dieses Gebäude als Kulturhaus. Derzeit ist dieser Ort in eine Kulturfabrik umgewandelt. Das Projekt wurde durch den friedrichstadtZentral e.V. initiiert (heute in Zentralwerk e.V. umbenannt), was zur Gründung der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft eG geführt hat. Seit 2016 verbindet das „Zentralwerk“ sowohl im ehemaligen Werk B als auch im Gemeinschaftshaus, Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Gelände.
Annemarie Niering
Februar 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Carl Maria von Weber und die Erstaufführung des „Freischütz“ in Dresden am 26. Januar 1822
Am 29. Januar 1817 veröffentlichte die „Abend-Zeitung auf das Jahr 1817“ einen Artikel von Carl Maria von Weber (1786-1826) mit dem Titel: „An die kunstliebenden Bewohner Dresdens“. Weber, der Tage zuvor als Musikdirektor in Dresden begann, schrieb darin über die bevorstehende Gründung einer deutschen Opernanstalt, es scheint „dem Gedeihen der Sache zuträglich, ja vielleicht notwendig, dass derjenige, dem die Pflege und Leitung des Ganzen derzeit übertragen ist, Art, Weise und Bedingung zu bezeichnen sucht, unter welcher ein solches Unternehmen ins Leben treten kann.“ Der Intendant der Dresdner Hofoper, Heinrich Vitzthum von Eckstädt (1777-1837) sah in Carl Maria von Weber den geeigneten Musiker, für seine Idee neben der bestehenden italienischen Oper eine deutsche Oper zu verwirklichen. Weber erneuerte und veränderte Vieles im Opernbetrieb in Dresden und achtete beim Inszenieren auf die Einheit von Bühnenbild, Kostümen und Darstellungsstil mit Musik und Handlung. Dazu schrieb er bereits 1817: „Schmuck, Glanz und Enthusiasmus werden einer Kunstanstalt nur durch ausgezeichnete hohe Talente verliehen. Diese sind in der ganzen Welt selten. Bewahrt und festgehalten wo sie sind, sind nur die Zeit, und der Segen, der jedem menschlichen Beginnen allein Gedeihen bringen kann, im Stande, diese in der Folge zu verschaffen.“ Durch Webers Wirken wurde Dresden zu einem Zentrum der musikalischen Romantik. Seine Opern trugen zur Durchsetzung der deutschen Oper bei. „Der Freischütz“, uraufgeführt in Berlin am 8. Juni 1821, gehört seit seiner Premiere am 26. Januar 1822 in Dresden besonders eng zur Dresdner Operngeschichte. All das wird auch in der sehr ausführlichen Rezension der Dresdner Erstaufführung vom 26. Januar 1822 des Theaterkritikers Karl August Böttiger (1760-1835) in der „Abend-Zeitung auf das Jahr 1822“ deutlich. Man spürt beim Lesen die Bewunderung für die Musik von Carl Maria von Weber. Sehr genau wird das Zusammenspiel des gesamten Opernensembles gelobt, das Bühnenbild, die Bühnentechnik für die Wolfsschlucht, die zur Ausstattung der Szenen passenden Kostüme werden genau beschrieben. Die Hauptakteure werden namentlich genannt und ihr Gesang sowie ihr Spiel erläutert. Mit dem Freischütz wurde die Oper am 31. August 1944 geschlossen und nach dem Wiederaufbau am 13. Februar 1985 eröffnet.
Gisela Hoppe
Januar 2017

© Repro: Stadtarchiv Dresden
Das Elektrizitätswerk am Wettiner Platz oder die Kunst der städtischen Stromerzeugung
Mit der feierlichen Eröffnung vom Kraftwerk-Mitte am 16 Dezember 2016 erhält Dresden ein neues kulturelles Zentrum inmitten der Stadt. Die Staatsoperette Dresden und das tjg. theater junge generation öffneten an diesem Tag ihre Türen für den Publikumsverkehr in einem architektonisch imposanten Gebäudekomplex. Beide städtischen Einrichtungen können sich im ehemaligen Elektrizitäts-West-Kraftwerk über moderne Spielstätten freuen. In das benachbarte vormalige Licht-Werk ist seit August 2016 schon das Heinrich-Schütz-Konservatorium eingezogen. Anlässlich dieser Eröffnung präsentiert das Stadtarchiv Dresden im Lesesaal eine Planskizze beider Gebäude des Kraftwerks-Mitte. Für fast einhundert Jahre dominierten statt schöner Klänge und schauspielerischer Leistungen auf dem Gelände Lärm, Dampf und Ruß mit Geruchs- und Lärmbelästigungen für die Anwohner. Das Kraftwerk war als städtisches Unternehmen zur Stromerzeugung für den wachsenden Energiebedarf der Unternehmen, der öffentlichen Hand und der privaten Haushalte geplant. Wie die Akten des Stadtarchivs belegen, sollten mit dem im Jahr 1895 erbauten sogenannten Elektrizitäts-Licht-Werk gleichzeitig 15.000 Lampen zu je 16 Kerzen mit Strom versorgt werden.
Einige skeptische Stadtverordnete warnten zwar davor, dass solche Abnahmemengen gar nicht realistisch wären, aber ihre Bedenken wurden sehr schnell ausgeräumt. Noch bevor die Anlagen ans Netz gehen konnten, lag die Zahl, der von den Bewohnern angemeldeten Lampen, schon bei 31.000, also der doppelten Anzahl. Dazu sollten noch 4.000 Lampen in städtischen Gebäuden und 3.360 Straßenleuchten dazukommen. Diesem Mehraufwand wurde planerisch durch den Bau einer zusätzlichen Dampfdynamomaschine Rechnung getragen. Hinweise auf eine öffentliche Einweihungsfeier für das Licht-Werk finden sich in den Akten des Stadtarchivs jedoch nicht. Der 15. Oktober 1895 war laut Bauvertrag der Tag, an dem der Betrieb mit drei Dampf-Dynamomaschinen aufgenommen werden sollte. Allerdings erfolgte die offizielle Inbetriebnahme des Licht-Werkes erst am 28. November 1895. Damit war aber keine durchgehende Stromversorgung gewährleistet, sondern „die Betriebsdauer wird sich auf bestimmte Tagesstunden beschränken [...]“. In den Wochen nach der Inbetriebsetzung konnte von einer kontinuierlichen Stromlieferung nicht die Rede sein. Immer wieder kam es zu technischen Mängeln der Dampfdynamomaschinen, die erst langfristig gelöst wurden. Erst am 22. August 1899 konnte die Betriebsleitung des Elektrizitätswerks erklären: „Abgesehen von einigen Störungen, die durch Reibung von nicht eingelaufenen Gelenken und Bolzen an den Regulatoren verursacht werden, funktionieren alle Maschinen heute gut und sicher“. Um den ständig steigenden Strombedarf zu befriedigen, entschlossen sich die Stadtverordneten im Jahr 1898, dass sogenannte West-Kraftwerk als spiegelbildliches Pendant zum Licht-Werk zu bauen, um somit weitere Privathaushalte sowie die beiden Dresdner Straßenbahn Gesellschaften mit Strom zu versorgen.
Marco Iwanzeck