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https://www.dresden.de/de/rathaus/aemter-und-einrichtungen/unternehmen/stadtarchiv/archivalien-des-monats.php 28.11.2025 13:18:13 Uhr 05.12.2025 06:38:04 Uhr

Archivalien des Monats

Dezember 2025

Winterliche Postkarte mit einer Abbildung des Striezelmarkts aus Dresden
Winterliche Postkarte mit einer Abbildung des Striezelmarkts aus Dresden

Weihnachtszeit – schöne und harmonische Zeit?

Wenn am Mittwoch vor dem ersten Advent der Dresdner Striezelmarkt eröffnet wird, dann beginnt die Zeit des Beschaulichen und Besinnlichen. Vor allem die Weihnachtsgrüße werden mit romantisierenden Abbildungen geschmückt. Bei der Archivalie des Monats Dezembers handelt es sich um eine solche historische Postkarte, die das weihnachtliche Dresden, insbesondere das gesellige Treiben auf dem Altmarkt veranschaulicht.   Dass sich insbesondere zwischen den zahlreichen Händlern ein ganz anderes Bild ergab, berichtet eine Akte des Ratsarchivs.

Am 13. Dezember 1816 trat die Dresdner Drechsler-Innung mit der Bitte an den Stadtrat heran, einem gewissen Carl Gottlob Jahn zu untersagen, seine Stände auf dem Striezelmarkt aufzubauen. Die Drechsler kritisierten, dass Jahn mit Produkten handelte, die eigentlich der Drechsler-Innung vorbehalten waren und dem Meisterzwang unterlagen. Er hätte das Drechslerhandwerk nie erlernt. Des Weiteren geriet es ihm zum Vorwurf, dass er zusammen mit seiner Frau an zwei Buden verkaufte, was laut Marktordnung verboten war. Aus diesem Grund forderten die Drechsler von der Stadt, dass Jahn vom Striezelmarkt verwiesen und seine Ware beschlagnahmt werde.

Jahn war kein Händler aus dem Erzgebirge, sondern wohnte in Dresden vor dem Pirnaischen Tor. Er hatte bis zum Jahr 1814 in der sächsischen Armee gedient. Im Anschluss an seine Zeit als Soldat begann er einen Handel mit Galanteriewaren. Er kam auf die Idee, Holzwaren und Spielzeuge bei den Herstellern im Erzgebirge einzukaufen und diese dann mit einem Aufschlag auf den Dresdner Märkten anzubieten. Jahn gab dem Stadtrat gegenüber zu, mit Hilfe seiner Frau auf dem Striezelmarkt Spielsachen und andere Holzprodukte in zwei Buden zu verkaufen. Als verabschiedeter Soldat mit Freischein berief er auf die Militärverfassung des Königreichs Sachsen. Laut dieser Bestimmung konnten Soldaten nach achtjähriger Dienstzeit oder bei Invalidität eine Kunst, ein Handwerk oder ein Gewerbe treiben, auch wenn sie das Meisterrecht nicht erlangt haben. Diese Regelung verhinderte, dass die Soldaten nach ihrer offiziellen Verabschiedung in die Bedürftigkeit abrutschten.

Im Januar 1817 erfolgte die Abweisung der Beschwerde der Drechsler. August I. befahl der Stadt, dass der Handel von Carl Gottlob Jahn auf dem Striezelmarkt nicht zu behindern sei. Somit stand in den nachfolgenden Jahrhunderten dem Siegeszug von Räuchermännel, Nussknacker und Schwibbogen nichts mehr im Weg. Die Frage, wie das heutige Warenangebot des Striezelmarkts aussehen würde, wäre damals im Sinne der Drechsler-Innung entschieden wurden, bleibt damit für immer unbeantwortet.

Dr. Marco Iwanzeck

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.6.1 Ansichtskartensammlung, Nr. GA 408

November 2025

Historische Spendendose der Volkssolidarität vor der Landeszeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands „Volksstimme“ vom 04.11.1945
Historische Spendendose der Volkssolidarität vor der Landeszeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands „Volksstimme“ vom 04.11.1945

Von der Winternothilfe zur Volkssolidarität

„Volkssolidarität – nicht ‚Winterhilfe‘“ titelte die Landeszeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands „Volksstimme“ am 4. November 1945, unserer aktuellen Archivale des Monats. Wenige Wochen nachdem die Volkssolidarität am 17. Oktober 1945 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten war, gingen die Organisatoren auf Distanz zu ihrem anfänglich gewählten Aufruf „Volkssolidarität gegen Winternot!“. Ursache dafür war der kritische Umgang mit dem Begriff der Winternot, da man befürchtete, dass der Spendenaufruf in die Tradition der nationalsozialistischen Winterhilfe gerückt werde. Diese Annahme war durchaus berechtigt, bekanntlich spielte das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“ im Nationalsozialismus eine bedeutende Rolle.

Zu den Maßnahmen zählten Sach- und Lebensmittelspenden sowie Spendenaktionen wie Straßensammlungen, Sportwettkämpfe und Konzerte oder auch Sammeldosen in Geschäften. Da der organisatorische Aufwand enorm war, beschlossen die Nationalsozialisten eine prozentuale Zwangsabgabe auf Lohn und Gehalt der Arbeitnehmer einzuführen.

Spendensammlungen mit besonderem Schwerpunkt auf die Wintermonate existierten bereits nach dem Ersten Weltkrieg als effizientes Mittel kurzfristiger Hilfsaktionen. Die erste deutschlandweite Sammlung, die offiziell vom Begriff ‚Winterhilfe‘ geprägt wurde, fand von September 1931 bis März 1932 statt und brachte 42 Millionen Reichsmark ein. Veranlasst wurde sie durch eine Vereinigung namens Deutsche Liga der freien Wohlfahrtspflege darunter u.a. das Deutsche Rote Kreuz, der Deutsche Caritasverband sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden. Der im Dezember 1924 gegründete Zusammenschluss versammelte die überwiegende Zahl jener Spitzenverbände, die eine aktive und regional übergreifende freie Wohlfahrtspflege betrieben. Die sozialdemokratische Arbeiterwohlfahrt trat dem Verbund nicht bei, da man befürchtete, dass die politischen und vor allem weltanschaulichen Differenzen eine erfolgreiche Zusammenarbeit negativ beeinflussen würden.

Eine Überbrückung vergleichbarer Differenzen gelang mit Gründung der Volkssolidarität Dresden, die sich aus Vertretern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands (CDUD), der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD), der evangelischen und der katholischen Kirche sowie des Landesausschusses des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) zusammensetzte.

Über die Jahrzehnte der DDR-Zeit wurde die Volkssolidarität zum festen Ankerpunkt gelebter Wohlfahrtspraxis. Durch ihre umfassende Alltagspräsenz im Bereich der Nachbarschaftshilfe, Kinderbetreuung sowie der Betreuung älterer Menschen gelang der Übergang in die Nachwendezeit. Die Volkssolidarität ist heute ein eingetragener Verein, der insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern als Vorbild für den Umgang mit gesellschaftlicher Verantwortung angesehen wird.

Dr. Sylvia Drebinger-Pieper 

Quellen: 

Stadtarchiv Dresden, Landeszeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands „Volksstimme“ vom 04.11.1945, Nr. 46, S. 1.

Spendendose Leihgabe der Volkssolidarität Dresden

 

 

Oktober 2025

Geschäftsempfehlung des Architekten Arthur Fritzsche mit Entwürfen zur Wohngruppe am Hindenburgufer und dem Projekt für ein Turmhaus in der Festschrift zum Deutschen Architekten- und Ingenieurtag in Dres-den 1926.
Geschäftsempfehlung des Architekten Arthur Fritzsche mit Entwürfen zur Wohngruppe am Hindenburgufer und dem Projekt für ein Turmhaus

„Komfortable Wohnhäuser mit Elbblick“. Vor 100 Jahren wurde die Bebauung des Johannstädter Elbufers nach Osten hin erweitert

Mit der Neufassung des Bebauungsplanes für die Johannstadt im ausgehenden 19. Jahrhundert und dem Ortsgesetz für Johannstadt-Nord von 1898 konnte mit dem Umbau des Industriestandortes in einen lukrativen Wohnort begonnen werden. Im Fokus stand dabei insbesondere die Elbufergestaltung. Bis um 1915 war die Bebauung des einstigen Hindenburgufers (heute Käthe-Kollwitz-Ufer) mit Wohnhäusern in „vornehmer Lage mit Elbblick“ bis zum Feldherrenplatz (heute Thomas-Müntzer-Platz) nahezu abgeschlossen.  

Nachdem im Jahre 1925 der Dresdner Architekt Arthur Fritzsche (1871–1943) und der Steinmetzmeister Valentin Sänger (1873–1934) Eigentümer angrenzender unbebauter Flächen am Hindenburgufer wurden, erfolgte der weitere Ausbau des Johannstädter Elbufers in Richtung Osten. Die Planungen zur Wohnanlage mit fünf Häusern, die jeweils über vier Etagen zuzüglich Erdgeschoss verfügten, lieferte Fritzsche selbst. Die insgesamt 55 Wohneinheiten bestachen durch eine gehobene Ausstattung und wurden unter anderem von Ärzten, Künstlern, Beamten, Ingenieuren und Lehrern bewohnt. Die Bauausführung der Häuserzeile als schlichter Putzbau mit expressionistischen dreieckigen Erkern erfolgte durch das Bauunternehmen ›Fritzsche & Sänger‹.

Nach Fertigstellung des ersten Hauses Nummer 24 im Jahre 1926 etablierten Fritzsche und Sänger im Erdgeschoss ihre neuen Geschäftsräume. Im Jahre 1929 konnten die Bauarbeiten abgeschlossen werden. Heute steht die von Arthur Fritzsche geschaffene Wohnanlage Käthe-Kollwitz-Ufer 24–28 als baugeschichtlich bedeutsam unter Denkmalschutz.

Zu Fritzsches weiterem architektonischen Erbe in der Johannstadt gehören das Eckhaus Heinrich-Beck-Straße 1/Blumenstraße 75b sowie das Wohnhaus Thomas-Müntzer-Platz 8. Dass der Architekt dabei weitaus größere Ideen für die Stadt Dresden geplant hatte und was diese mit Himmelskratzern auf dem Altmarkt‹ zu tun haben, erfahren Sie in unserer neuen Publikation »in civitate nostra Dreseden«: Verborgenes aus dem Stadtarchiv, Zweites Buch, die im Januar 2025 erschienen ist. Die limitierte Auflage ist exklusiv nur über das Stadtarchiv Dresden erhältlich. Weitere Informationen zum Buchverkauf finden Sie unter: www.dresden.de/stadtarchiv.

Carola Schauer

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Wissenschaftlich-Stadtgeschichtliche-Fachbibliothek, Nr. 78.41, S. 288   

September 2025

Die Abbildung zeigt einen Teilausschnitt der Holzbaracken aus den historischen Bau- und Grundstücksakten nach 1945
Die Abbildung zeigt einen Teilausschnitt der Holzbaracken aus den historischen Bau- und Grundstücksakten nach 1945.

Erinnerungsort Bodenbacher Straße 154

Das Stadtarchiv erinnert mit einer historischen Zeichnung an die provisorischen Notunterkünfte, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in den Baracken des Gefangenenlagers für Zwangsarbeiter der Zeiss-Ikon AG auf der Bodenbacher Straße 154 entstanden sind. Verschiedene Schicksale und Lebensgeschichten verbinden sich damit an einem Ort, wie die von der gebürtigen Litauerin Veronika Kapitanowa aus Kaunas. Sie war eine von vielen Zwangsarbeiterinnen aus ganz Europa, die vor 1945 in den über 50 Holzbaracken leben mussten. Als damals 16-Jährige wurde sie 1942 in Folge der deutschen Besatzung von Litauen nach Dresden verbracht, wo sie als Stanzerin im Werk Reick der Zeiss-Ikon AG auf der Mügelner Straße 40 in Dresden Zwangsarbeit leistete. Veröffentlicht ist ihre Biografie über die Datenbank www.dresdner-friedhoefe.de, ein Webportal der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden/Stiftung Sächsische Gedenkstätten, welches über die Gräber der Opfer von staatlicher Gewalt und Kriegen des 20. Jahrhunderts auf Dresdner Friedhöfen informiert.

Zu Veronika Kapitanowa heißt es darin, dass ihr Arbeitgeber sie im Februar 1944 wegen wiederholten Fehlens am Arbeitsplatz anzeigte. Daraufhin verwarnte sie das zuständige Polizeirevier. Von einer Inhaftierung sahen die Beamten wegen ihres jugendlichen Alters ab. Einige Wochen später wurde sie als arbeitsunfähig in die Sanitätsstation ihres Wohnlagers eingewiesen. Die notwendige Verlegung in ein Krankenhaus wurde bis zum 30. April 1944 hinausgezögert. An diesem Tage verstarb die erst 18-Jährige im Krankenhaus Friedrichstadt an Lungentuberkulose. Sie wurde auf dem Neuen Katholischen Friedhof beerdigt. Die Sterbeurkunde mit dem Verweis auf das Lager Bodenbacher Straße 154 als Wohnort ist im Stadtarchiv Dresden archiviert.

Nach Befehl der Sowjetischen Militäradministration wurden die Baracken unmittelbar nach Kriegsende der Abteilung Soziale Fürsorge der Stadt Dresden übergeben. Ab November 1945 setzte daraufhin das Hochbauamt Dresden 35 Baracken instand und errichtete darin 230 provisorische Notwohnungen für Hilfsbedürftige. Die Abbildung zeigt den Ausschnitt einer Zeichnung, die im Jahr 1946 das Instandsetzungsvorhaben der Baracken im Lager dokumentiert. In den Bauunterlagen von 1948 wird der Zustand der Baracken als menschenunwürdig beschrieben. Seit der Auflösung der Notunterkünfte wurde das Areal auf der Bodenbacher Straße 154 für das städtische Sportwesen genutzt.

Annemarie Niering

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 10 Bau- und Grundstücksakten, Nr. 39418.

August 2025

Werbebild der automatischen Personenwaage
Werbebild der automatischen Personenwaage

Eine automatische Personenwaage für das Luftbad Weißer Hirsch

Sommerzeit ist Bäderzeit. So ist es heute und so war es auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon. Neben den Schwimmbädern waren es vor allem die Licht- und Luftbäder, die viele Gäste mit den unterschiedlichen Angeboten anlockten. Diese Badeanstalten verbanden die Idee des therapeutischen Luftbads mit der Form der Lichttherapie durch natürliches Sonnenlicht. Alles in allem ging es vor allem um Erholung und Bewegung an der frischen Luft.

So ein öffentliches Luft- und Sonnenbad befand sich im Waldpark Weißer Hirsch. Für den Sommer 1906 hatte der Gemeinderat eine besondere Attraktion für die Besucher angedacht, und zwar die Anschaffung einer großen Personenwaage. Es wurde wohl von den Gästen bemängelt, dass in den meisten Badeanstalten eine zuverlässige Waage fehle. Deshalb entschied sich der Gemeinderat, für Abhilfe zu sorgen. Die „Actiengesellschaft für automatischen Verkauf“ mit Sitz auf der Zirkusstraße in Dresden erhielt den Auftrag. Die Ortsvorsteher entschieden sich sogar für zwei Apparate. Laut Firmenwerbung handelte es sich um „hochelegant ausgestattete“ Personenwaagen ganz aus Eisen, die zwei Meter hoch und 170 Kilo schwer seien. Der Geldeinwurf könne individuell zwischen 5, 10 und 20 Pfennigen gewählt werden. Die Kosten für beide Apparate beliefen sich auf 600 Mark.

Der Gemeinderat Weißer Hirsch hatte als Voraussetzung für den Kauf darauf bestanden, dass die beiden Geräte am 1. April 1906 für zwei Monate zur Probe aufgestellt wurden. Die „Actiengesellschaft für automatischen Verkauf“ stimmte den unter der Bedingung zu, dass der Kauf nur dann rückgängig gemacht werde, wenn die Waagen technisch nicht funktionieren. Bereits im Mai sollte die Firma die Apparate wieder abholen, da sie laut Gemeinderat nicht das richtige Gewicht anzeigen würden, scheinbar hatte es unter den Badegästen Beschwerden gegeben. Nach Prüfung der Personenwaagen hielt der Aufsteller schriftlich fest, dass die Waagen technisch einwandfrei funktionierten und entgegnete dem Gemeinderat, dass „Leute die sich beschweren, sind meist die, die nicht wissen, was sie wiegen – bekanntlich starke Damen“. Der Satz brachte das Fass zum Überlaufen, und war der Beginn eines wahren Rechtsstreits. Eine fortfolgende Diskussion verlief ausschließlich über die Anwälte der jeweiligen Konfliktparteien. Letzen Endes lies die „Actiengesellschaft für automatischen Verkauf“ die Personenwaagen wieder abholen, ohne dass es zum Kauf kam.

Dr. Marco Iwanzeck

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 8.58 Gemeindeverwaltung Weißer Hirsch, Nr. 126.

 

Juli 2025

Wimpel mit Emblem des Vereins der Naturfreunde im Stadtarchiv Dresden
Wimpel mit Emblem des Vereins der Naturfreunde im Stadtarchiv Dresden

Die bewegte Geschichte des Naturfreunde-Vereins in Dresden

Von den Bemühungen der Stadtbewohner Schmutz, Enge und Elend zumindest zeitweise zu entfliehen, erzählt ein roter Stoffwimpel mit dem Emblem des Vereins der Naturfreunde im Stadtarchiv Dresden. Das im Gründungsjahr entworfene Logo zeigt zwei sich haltende Hände als Zeichen der Solidarität mit der Arbeiterbewegung sowie drei Alpenrosen im oberen Bildbereich.

Der ursprünglich in Wien gegründete Verein erreichte in der Zeit Weimarer Republik auch auf deutschem Gebiet seinen Verbreitungshöhepunkt. Besonders in Sachsen, als Ort einer ausgeprägten Arbeiterbewegung, fanden die „Naturfreunde“ regen Zuspruch.  Die erste Dresdner Ortsgruppe entstand im Juli 1909 in Löbtau. Bis zu Beginn der 1930er Jahre hatten die „Naturfreunde“-Dresden eine Mitgliederzahl von 2.100 Personen erreicht. Die große Beliebtheit des Vereins resultierte unter anderem aus der Unterhaltung der sogenannten Naturfreundehäuser, welche als Unterbringung beim Wandern dienten und über die eigentlichen Mitglieder hinaus großen Anklang fanden. Für das Naturfreundehaus am Zirkelstein bei Schmilka sind beispielweise 21.000 Übernachtung im Jahr 1932 nachweisbar.

Bekanntlich entwickelten sich im Anschluss an den Ersten Weltkrieg gesellschaftliche Spannungen, welche von Polarisierung und Radikalisierung gekennzeichnet waren. Die Koexistenz von unterschiedlichen Ideologien führte zur Abspaltung der Randgruppe „Naturfreunde-Opposition Vereinigte Kletterabteilung“ (NFO-VKA) in Dresden, die eine in großen Teilen trotzkistische Linie vertraten im Gegensatz zu den sozialdemokratischen, SPD-nahen „Naturfreunden“. Infolge der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden beide Vereine verboten. Vereinsmitglieder, die bei der Weitergabe von Literatur aus der Prager Exilzentrale erwischt wurden, gerieten in Konzentrationslager.

Eine Neugründung auf dem Staatsgebiet der DDR war aufgrund der bestehenden Gesetzmäßigkeiten zum Vereinswesen nicht möglich. Ehemalige Mitglieder und Vereinsstrukturen wurden in Einheitsbewegungen eingegliedert. Erst nach der Wende kam es zur Wiedergründung der Ortsgruppe Dresden am 10. März 1990. Obwohl die Ideale des Vereins vor allem im ökologischen Bereich ähnlich geblieben sind, haben sich die Naturfreunde über die vergangene Zeit und durch das 50 Jahre anhaltende Verbot verändert. Die Verschiebung des ehemaligen Arbeitervereins in das bürgerliche Milieu führte zu einer Fokussierung auf Themen wie die Förderung einer offenen Gesellschaft, nachhaltigem Umgang mit den Ressourcen der Umwelt sowie dem Umsetzten eines sanften Tourismus, bei dem die Natur trotz menschlichen Einflusses gewahrt und geschützt wird.

Helma Thomas

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 13.117 Naturfreunde e.V., Nr. 1

Juni 2025

Broschüre zur Einrichtung einer amerikanischen Eliteuniversität in Dresden »Castle College Dresden Germany An American College for Undergraduates«
Broschüre zur Einrichtung einer amerikanischen Eliteuniversität in Dresden »Castle College Dresden Germany An American College for Undergraduates«

Die Idee von einer amerikanischen Eliteuniversität auf Schloss Albrechtsberg

Im April 1927 erreichte den Rat der Stadt Dresden eine außergewöhnliche Anfrage. Der Ingenieur Friedrich Albert Karl Ernst Kaltschmidt (1879–1949) bemühte sich um die Einrichtung einer amerikanischen Eliteuniversität in Dresden und reichte zu diesem Zweck eine mehrseitige Werbebroschüre mit dem Titel »Castle College Dresden Germany An American College for Undergraduates« ein.

Kaltschmidts Privatinitiative stand stellvertretend für weitere Eingaben, die die Verwendung des Areals um das Schloss Albrechtsberg betrafen. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass die Stadt bis zu diesem Zeitpunkt keinen Nutzungsplan für das Gebäudeensemble entwickelt hatte, obwohl sich das Schloss seit 1925 in städtischem Besitz befand. Erster Ansprechpartner für Kaltschmidt war der damalige Dresdner Oberbürgermeister Curt Bernhard Ottomar Blüher (1864–1938), der diesen Posten vom 1. Oktober 1915 bis zum 31. März 1931 begleitete. Für seinen ehrgeizigen Plan erstellte Kaltschmidt oben benannte Broschüre als Anschauungsmaterial mit beschreibenden Texten und Abbildungen. Geplant war eine amerikanische Universität auf deutschem Boden mit circa 200 Studenten, von denen drei Viertel amerikanischer Herkunft und ein Viertel deutscher Staatsbürgerschaft sein sollten. Erklärte Ziele waren die Stärkung der deutschen Kultur- und Bildungspolitik sowie der Ausbau internationaler Beziehungen.

Die von Kaltschmidt veröffentlichte Broschüre stellte die Gesamtidee mit all ihren Vorzügen vor. Während Schloss Albrechtsberg, das Domizil des ehemaligen Prinzen Albrecht von Preußen (1809–1872), als Schule für Herren beworben wurde, war das Lingnerschloss den weiblichen Studentinnen vorbehalten. Zur Unterbringung und Versorgung standen zudem sechs weitere kleinere Gebäude, eingerichtet nach neuesten Standards, zur Verfügung. Darüber hinaus bestand auch die Option zur Unterbringung bei ausgewählten Dresdner Familien. Die Aufwendungen für Kost und Logis lagen bei 120 Dollar pro Monat ohne Extras. Für Annehmlichkeiten sorgte der 50 Hektar umfassende Park mit den griechischen Arkaden und dem Zugang zur Elbe. Der Fluss spielte bei der Freizeitgestaltung und ebenso hinsichtlich der Sportangebote wie Schwimmen, Rudern und Segeln eine enorme Rolle. Darüber hinaus sollten in den Grünanlagen Tennis- und Fußballplätze etabliert und der angrenzende öffentliche Wald für Pferdesport genutzt werden.

Die Generierung der notwendigen Geldmittel gestaltete sich schwierig, so dass nach einigen vergeblichen Interaktionen mit amerikanischen Partnern alternative Verwendungsweisen wie das ›Landeserziehungsheim der Großstadt für Mädchen‹ von Kaltschmidt vorgeschlagen wurden. Ab 1931 wandte sich Kaltschmidt mit einer erneuten Offensive an die Behörden auf Reichsebene, obwohl sich insbesondere die Stadt Dresden und das Land Sachsen aufgrund zweifelhafter Finanzplanung bereits distanziert hatten. Insbesondere das Fehlen detaillierter Lehrpläne machte die Behörden skeptisch und führte zur endgültigen Ablehnung des ambitionierten Projektes.  

Diese und weitere Geschichten aus dem Dresdner Stadtarchiv finden Sie auch in der neuen Publikation »in civitate nostra Dreseden«: Verborgenes aus dem Stadtarchiv, Zweites Buch, die im Januar 2025 erschienen ist. Die limitierte Auflage ist exklusiv nur über das Stadtarchiv Dresden erhältlich. Weitere Informationen zum Buchverkauf finden Sie unter: www.dresden.de/stadtarchiv                                                                                                                               

Dr. Sylvia Drebinger-Pieper

Quelle: Stadtarchiv Dresden, Bestand 2.3.1 Hauptkanzlei, Nr. 78, Bl. 376-379

    

Mai 2025

Historischer Aktenband ›Kirchen Ornata vnnd Cleinodien‹, Pergamentkoperte des 16. Jahrhunderts
Historischer Aktenband ›Kirchen Ornata vnnd Cleinodien‹, Pergamentkoperte des 16. Jahrhunderts

Reformation der Dinge. Der Dresdner Rat und die Einziehung der Kirchenschätze in Sachsen

Im historischen Archiv des Dresdner Rates, im Bereich B, welcher seit 1534 überwiegend Vorgänge der städtischen Kirchen- und Schulangelegenheiten sowie die Verwaltung der Mittel des frühneuzeitlichen Sozialwesens dokumentiert, findet sich eine in helles Pergament mit ledernen Schleifen gebundene Akte mit dem Titel: ›Die Kirchenornata und Cleynodien im Landt zu Meißen belangendes. Dabey findt man waß der Rath zu Dreßden anfenglich Anno Domini 1539 nach Hertzog Georgen zu Sachssen sel.[igen] Thode zu sich in Verwahrung genommen (…)‹.

Dabei handelt nicht allein um die 1539 begonnene Dokumentation der reformatorischen Veränderungen an den Ausstattungen der Dresdner Kapellen, Pfarr- und Klosterkirchen. Vielmehr findet sich darin nahezu die gesamte Markgrafschaft Meißen inventarisiert. Die Objektlisten bedeutender Klöster, wie St. Afra und Altzella sind darin ebenso eingebunden, wie diejenigen kleiner Pfarrkirchen und Kapellen in den Städten und auf dem Land – etwa in Annaberg und Döbeln, Dittmannsdorf oder Siebenlehn. In den Anschreiben an den Dresdner Rat finden sich mitunter ausführliche Situationsschilderungen der zeitgenössischen Akteure.

Blatt 1 bildet ein gedruckter Handzettel mit der 1539 ergangenen Verordnung Heinrichs von Sachsen (1473–1541), welcher in die einzelnen Orte versendet worden war. Der knappe Text formuliert die Aufforderung, die Kirchenkleinodien in den Städten und im Territorium, außer den Kelchen, die man zur Kommunion brauche, »dem Lande zum besten« in sichere Verwahrung zu nehmen. Für »Düringen« solle das beim Rat der Stadt Leipzig geschehen und für die Markgrafschaft »Meissen« beim Rat zu Dresden.

Am 6. Juli 1539 wurde die Reformation des Dresdner Kirchenwesens mit einem Gottesdienst in der Kreuzkirche feierlich initiiert. Danach sollten auch im Territorium rasch Fakten geschaffen werden. Neben durchzuführenden Visitationen, zielte Heinrichs Verordnung zur Sicherstellung der nunmehr als überflüssig bewerteten Kirchenausstattungen auch auf eine Reform der kirchlichen Sachkultur. Messgeschirr, wertvolle Reliquien und deren kunstvolle Behältnisse, aufwändig bestickte Altarbehänge und liturgische Gewänder, kurz: die Gegenstände und Instrumente spätmittelalterlicher Liturgie und Frömmigkeitspraxis wurden obrigkeitlich eingezogen. Der Dresdner Rat wirkte dabei im Bereich der Mark Meißen als ausführender ‚Logistikpartner‘ des Landesherrn. Damit wurde auf der Ebene der religiösen Sachkultur landesweit eine einschneidende Zäsur vollzogen. Die landesgeschichtlich bedeutsame Quelle lässt die seither verschwundenen spätmittelalterlichen Ausstattungsensembles sächsischer Kirchen, Kapellen und Klöster und die Praxis ihrer reformatorischen Umwandlung für kulturhistorische Forschungen rekonstruierbar werden.

Dr. Stefan Dornheim

Quelle: Stadtarchiv Dresden, Bestand 2.1.2 Ratsarchiv, B.II.12.

April 2025

„Die Neue Börse zu Dresden“ an der Waisenhausstraße 11, 1875
„Die Neue Börse zu Dresden“ an der Waisenhausstraße 11, 1875

„Die Neue Börse zu Dresden“ - Die Einweihung des Börsengebäudes vor 150 Jahren

In den Jahren 1874/75 ließen sich die Mitglieder der Dresdner Börse ein eigenes repräsentatives Gebäude an der Waisenhausstraße 11 errichten. Als Archivale des Monats April zeigt das Stadtarchiv Dresden vor dem Lesesaal einen Bildband mit dem historischen Börsengebäude.

Bereits im Eröffnungsjahr 1857 der Börse zählte der Verein 120 Mitglieder und der Wertpapierhandel gewann in Dresden an Zuspruch. Die Börsenversammlungen fanden zu diesem Zeitpunkt in unterschiedlichen Lokalen statt. Neben Kurszetteln aus London, Amsterdam und Rotterdam wurden vor allem Aktien ansässiger Unternehmen gehandelt, so unter anderem von der Felsenkeller-Brauerei, der Sächsischen-Champagner-Fabrik oder der Dresdner Feuerversicherung. Für einen funktionierenden Börsenbetrieb wurde es dringend notwendig einen eigenen Standort zu begründen. Darum ließen sich die Mitglieder von den Architekten Albin Zumpe und Guido Ehrig auf dem Grundstück zwischen Waisenhausstraße 11 und Friedrichsallee (heute Dr.-Külz-Ring) ein eigenes repräsentatives Börsengebäude im Neorenaissancestil mit Sandsteinfassade errichten. „Die Neue Börse zu Dresden“, wie die Architekten das Gebäude nannten, wurde am 1. April 1875 eröffnet und verfügte über Zugänge von beiden Straßenseiten. Die große Vorhalle im Erdgeschoss diente auch als Sommerbörse. Der Börsensaal im Hauptgeschoss, mit Front zur Friedrichsallee, hatte eine Größe von rund 290 Quadratmeter.

Entgegen behördlicher Prognosen, dass die „Provinzbörse“, wenn überhaupt, nur lokale Bedeutung erlangen könne, entwickelte sich diese bis zum Beginn der 1930er-Jahre zur größten Börse Sachsens. Beim Geschäft mit Brauereiaktien hatte sich Dresden zum bedeutendsten Handelsplatz Deutschlands etabliert, denn hier notierten mehr Brauereien als an der großen Berliner Börse. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten und der nachfolgenden Umstrukturierung des Börsensektors wurde 1935 der Börsenbetrieb in Dresden eingestellt, die Auflösung beschlossen und die Liquidation am 31. Mai 1937 beendet. Bei den Bombenangriffen auf Dresden im Februar 1945 wurde das Börsengebäude zerstört und nachfolgend nicht wieder aufgebaut.

Carola Schauer

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Wissenschaftlich-Stadtgeschichtliche Fachbibliothek, F2.004a, Bl. 71

März 2025

Ein Blick in die Offizin der Staatlichen Pfauen-Apotheke 1967
Ein Blick in die Offizin der Staatlichen Pfauen-Apotheke, 1967

Von Elektrikern, Kakteen und Augentropfen - Geschichten aus dem Brigadetagebuch der Staatlichen Pfauen-Apotheke

Im Elbcenter in Pieschen, auf der Leipziger Straße 118, befindet sich die Pfauen-Apotheke. Seit über 100 Jahren findet man hier Beratung und Abhilfe zu allerlei Beschwerden. Ursprung ist die frühere Moltke-Apotheke, die viele Jahre lang an der Leipziger Straße Ecke Moltkestraße ansässig war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Straße und Apotheke umbenannt – in Robert-Matzke-Straße und Pfauen-Apotheke. Einige Jahre später kam der Namenszusatz „Staatliche“ hinzu, nachdem der damalige Leiter, Herr Georg Bromig, die Apotheke 1956 in staatliche Hand übergab.

Ein Jahrzehnt und einige Leitungswechsel später übernahm der Pharmazierat Molinnus die Leitung der Pfauen-Apotheke. Mit diesem Strukturwechsel setzte sich die Apotheke ein neues Ziel: die inzwischen insgesamt 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strebten gemeinsam an, den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ zu erlangen. Mit dieser Auszeichnung wurden seit 1960 solche Kollektive, Abteilungen oder Brigaden gewürdigt, die nachweislich besonders hohe Leistungen im sozialistischen Wettbewerb erbrachten - in politischer, fachlicher und kultureller Hinsicht. Nachweisinstrument für die Erfüllung dieser Anforderungen war üblicherweise ein Brigadetagebuch.

Die Staatliche Pfauen-Apotheke begann also am 2. Mai 1967 mit der Führung eines solchen Buches. Es sollte gemeinsam angegangene Projekte und das soziale und politische Engagement der Brigademitglieder festhalten. Beginnend mit einer Anekdote über eine überraschende Brandschutzkontrolle kurz nach Dienstantritt des neuen Apothekenleiters erzählt das erste Brigadetagebuch der Pfauen-Apotheke von neuen Kolleginnen und Kollegen, gemeinsamen Ausflügen, Räumungsaktionen und Technikproblemen, der Übernahme einer Außenstelle in Übigau, Festen und Feiern und vielem mehr. Als selbsternannte Chronistin der Pfauen-Apotheke führte dieses erste Tagebuch mit Ausnahme einzelner Einträge vorrangig Frau Ulbricht, die zu Beginn der Eintragungen selbst erst seit einem halben Jahr in der Pfauen-Apotheke tätig war. Spätere Brigadetagebücher der Apotheke wurden als gemeinschaftliche Aufgabe von verschiedenen Mitarbeitern geführt.

1967 bewarben sich laut Angaben aus dem Tagebuch neben der Staatlichen Pfauen-Apotheke vier weitere Apotheken um den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“. In den Beständen des Stadtarchivs finden sich drei Urkunden, die belegen, dass die Pfauen-Apotheke ihr Ziel erreichte - in den Jahren 1970, 1972 und 1974 gewann sie die Auszeichnung.

Theresa Jäger

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.2.102 Sammlung Wirtschafts- und Industriegeschichte, Nr. 83 Band 1

Februar 2025

Die große Gewächshausfläche an der Grimmstraße veranschaulicht eindrucksvoll die Dimension des Gemüseanbaus.
Die große Gewächshausfläche an der Grimmstraße veranschaulicht eindrucksvoll die Dimension des Gemüseanbaus.

Reiche Ernte, Qualität und Frische - Das Frühgemüsezentrum Dresden

Das Dresdner Elbtal gehört seit jeher zu den traditionellen Anbaugebieten für Gemüse. Aufgrund fruchtbarer Böden und milden Klimas herrschen hierfür ideale Bedingungen. Lange Zeit geschah die Bewirtschaftung hauptsächlich durch kleine und große Familienbetriebe. Infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft ab 1952 entstanden sowohl Landwirtschaftliche als auch Gärtnerische Produktionsgenossenschaften (LPG, GPG), von denen zehn zum 1. Januar 1973 zur LPG Frühgemüsezentrum Dresden zusammengeschlossen wurden. Der neue landwirtschaftliche Großbetrieb erstreckte sich rechtselbisch von Kaditz über Radebeul bis Zitzschewig und links der Elbe von Stetzsch über Gohlis bis Weistropp auf einer Fläche von insgesamt 1.556 Hektar, wovon man 600 Hektar für den Freilandgemüseanbau und 24 Hektar zur Kultivierung im Gewächshaus nutzte.

Der Sitz befand sich auf der Grimmstraße 79, später auf der Kötzschenbrodaer Straße 58. Zu Spitzenzeiten waren über 1.200 Menschen damit beschäftigt, ungefähr 25 Gemüsesorten – allen voran Gurken, Blumenkohl, Möhren, Kopfsalat sowie Tomaten – zu züchten, anzubauen und zu vermarkten oder sich um die maschinelle Ausstattung der LPG zu kümmern. Daneben begleitete wissenschaftliche Forschung den Arbeitsalltag. Einige Innovationen konnten erfolgreich erprobt werden, wie etwa neuartige Gewächshäuser mit Thermoverglasung sowie die Aufzucht von Tomaten in kleinen, mit Mineralwolle gefüllten Containern mit Tropfenbewässerung. Generell trieb man industrielle Produktionsmethoden voran, die „Schubkarrenzeiten“ sollten der Vergangenheit angehören.

Es ging letztlich darum, ein breites Sortiment an frischem Gemüse in guter Qualität bereitzustellen. Geliefert wurde vorranging an Einzel- und Großhandel sowie Küchen und gastronomische Einrichtungen im Ballungsgebiet Dresden, aber auch nach Berlin, ins westliche Sachsen und in den Thüringer Raum. Mit der politischen Wende änderten sich massiv die Marktbedingungen. Die LPG zerfiel, der Kaditzer Teil wurde 1990 als GmbH neu gegründet. Schließlich etablierte sich das Frühgemüsezentrum wieder, bis im Januar 2024 ein Insolvenzverfahren die wirtschaftliche Notlage aufzeigte. Zu hoffen bleibt, dass der traditionsreiche Gemüseanbau im Dresdner Westen erhalten bleibt.

Patrick Maslowski

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt, Bildstelle, Nr. IX796 (2)

Januar 2025

Die Abbildung entstammt der Publikation „Deutsche Städtewahrzeichen“ von Karl Wilhelm Schäfer, 1858
Die Abbildung entstammt der Publikation „Deutsche Städtewahrzeichen“ von Karl Wilhelm Schäfer, 1858

Der Queckbrunnen – ein Dresdner Wahrzeichen

Wahrzeichen beschreiben oftmals einzigartige Bauten, die uns als wiedererkennbare Sehenswürdigkeiten in Erinnerung bleiben. Indem sie für ein bedeutendes historisches Ereignis stehen, das Stadtbild oder die Stadtsilhouette prägen oder weithin sichtbar sind, werden sie zum Symbol, zum „Zeichen“ des Ortes. Bis zum frühen 19. Jahrhundert bedeutete der Begriff Wahrzeichen allerdings nicht die Wiedergabe von Allerweltswissen über einen bestimmten Ort, sondern eher dessen Gegenteil: Die genaue Kenntnis geheimer lokaler Zeichen, die man nur kennen konnte, wenn man tatsächlich eine Zeit lang in Vertrautheit mit einem Ort und seinen Bewohnern gelebt hatte. Es handelte sich also um ein System geheimer Wissenscodes der Vormoderne, die Aufenthalte bestätigen sollten. In der Regel handelte es sich bei diesen Symbolen um kleinere, nicht selten versteckte Objekte in der populären städtischen Erinnerungstopographie: sagenhafte Orte und Gebäude, alte Gedenksteine und Inschriften, kuriose Figuren und Objekte.

Der 1461 urkundlich erwähnte Queckbrunnen, auch Queckborn genannt, ist ein solches Wahrzeichen. Es handelt sich hierbei um den ältesten Brunnen der Stadt, der sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erhalten hat. Ursprünglich befand sich der Queckbrunnen auf einer Viehweide außerhalb der Stadtmauern nordwestlich des Wilsdruffer Tors. Errichtet wurde er sowohl zur Wasserversorgung für die Gerbergemeinde als auch als Viehtränke für die umliegenden Weiden. Der Queckbrunnen wurde mehrfach renoviert und umgesetzt. Bis 1968 stand er mitten auf der Straße „Am Queckbrunnen“. Auf der Dachspitze befindet sich eine Storchenfigur, die Wickelkinder im Schnabel, in den Fängen und den Flügeln trägt. Der Legende nach holt der Storch die Kinder aus dem Queckbrunnen und bringt sie den Eltern. Der Storch steht in dieser Hinsicht für Fruchtbarkeit, Neuanfang und Glück.

Mehr über verborgene Wahrzeichen und Städtecodes erfahren Sie in der neuen Publikation „in civitate nostra dreseden“, Zweites Buch, sowie in der Ausstellung „Neue verborgene Geschichte(n) aus dem Stadtarchiv“. Das Buch wird am 20. Januar 2025, um 19 Uhr, zur Vernissage im Stadtarchiv präsentiert.

Marco Iwanzeck

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Wissenschaftlich-Stadtgeschichtliche Fachbibliothek, B70.1506