Welche Beziehung haben Sie zu Dresden?
Vor 26 Jahren habe ich meine Heimat Wien Richtung Berlin verlassen. So aufregend das 1990 war, so fremd war die Rauheit der Stadt anfangs. Vor etwa 10 Jahren hielt ich einen Bewerbungsvortrag für eine Professur an der TU Dresden, daraus ist damals nichts geworden, in Erinnerung geblieben ist aber: Fluss - Weinberge - Barock - Gründerzeit - kulturelles Erbe, und sofort das Gefühl „da könntest du gut leben“, eine andere Vertrautheit.
Welches städtebauliche Merkmal prägt ihrer Ansicht nach Dresden?
Dresdens Wirkung entsteht aus dem Bild von Canaletto, immer noch - Die Flusslandschaft mit Blick auf die barocke Stadtkulisse - im Rücken weiss man um die Weinberge mit ihren zauberhaften Schlösschen.
Das klingt jetzt nicht sehr modern - aber gleichzeitig ist es sehr nachhaltig - Dresden ist für mich geprägt von der Landschaft, die man immer spürt.
Daneben schätze ich die Moderne sehr. So finde ich es gut, dass die Prager Straße als Achse Hauptbahnhof - Zentrum in diesem Sinne weiterentwickelt wurde.
Was sollte Dresden unbedingt weiter pflegen?
Das freundliche Antlitz der weltoffenen, einladenden Kultur- und Wissenschaftsstadt.
Was bedeutet für Sie heute Baukultur?
Baukultur zeigt sich nicht zu aller erst bei den Premiumprojekten, sondern vor allem im Alltäglichen, wo einen schnell Banalität, Grobschlächtigkeit und Wurstigkeit anfällt. Hier gilt es aufmerksam zu bleiben.
Baukultur zeigt sich im Sprachgebrauch, da wird gerne vom Stararchitekten gesprochen, und andererseits hört man von der Politik „wir brauchen Schulen, wir brauchen keine Architekturpreise“ - wo bitte ist der Widerspruch?
Baukultur prägt unsere Umwelt ob wir das wollen oder nicht - deshalb wirken wir darauf hin, dass diese Umwelt - der gebaute Raum, aber vor allem auch der öffentliche Raum, mit seinen Straßen, Plätzen, Grünflächen, Brücken, Ufern usw. in dem wir als Bürger frei und gleich interagieren, dieses auch ermöglicht. Zeitgenössischer Städtebau und Architektur müssen - im Spagat zwischen Vergangenheit und Moderne - sowohl die besonderen als auch die gewöhnlichen Bauaufgaben mit dem notwendigen Bewusstsein der Tradition eines Ortes und den aktuellen Ansprüchen an die jeweilige Bauaufgabe begegnen. Baukultur ist dabei die Abwägung der Kontinuität der (Bau)Tradition und den regionalen Besonderheiten mit den zeitgenössischen Ansprüchen an Architektur und Städtebau in funktionaler und formaler Hinsicht sowie in ihrer Bedeutung für Gesellschaft und Umwelt. Dazu gehört unbedingt die Kultivierung des Diskurses, die Auseinandersetzung der Fachleute über die Qualität des geplanten wie des bereits gebauten um schlimmes zu verhindern, unfertiges zu verbessern, gutes zu bestätigen und aus Fehlern zu lernen.
Sehen Sie in den aktuellen vielgestaltigen Architekturstilen regional unterschiedliche Strömungen?
Die aktuelle Vielfalt in Architektur und Städtebau entspricht grundsätzlich der gesellschaftlichen Entwicklung in unserer demokratischen und fortschrittlichen Gesellschaftsordnung und deren kulturellen Ausdrucksformen (in Bildende Kunst, Literatur, Film, Theater, Musik, Mode…). Ich sehe hier gleichzeitig Tendenzen einer globalisierten Architektursprache der Repräsentation und überzeugende Beispiele für das Aufgreifen regionaler Traditionen und Ausprägungen. Letztere resultieren meist aus dem Wunsch, regionale Identität als kulturelles Alleinstellungsmerkmal zu stärken um sich von einer Globalisierung im Sinne der gleichartigen, vereinheitlichenden Gestaltung abzusetzen. Beides überlagert sich und sorgt für große Unübersichtlichkeit. Das Herausarbeiten von regionalen Besonderheiten und einer charakteristischen, spezifischen Gestaltung in Architektur und Städtebau halte ich für essentiell zum Erhalt der kulturellen Vielfalt einer jeden Gesellschaft. Jede Stadt sollte sich seiner regionalen Besonderheit bewusst sein und dies gerade auch im Rahmen der Baukultur fördern, da die besondere Attraktivität in ihrer Differenz zu anderen Städten liegt und nicht darin sich an diese anzupassen.
Was hilft? Die Auseinandersetzung mit dem Ort, der Geschichte und der Aufgabe, der Zukunft und Ernsthaftigkeit, Genauigkeit, Heiterkeit.