Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de

https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2023/01/pm_014.php 06.01.2023 14:01:20 Uhr 29.03.2024 03:29:36 Uhr

Dresden legt Pläne für Schoah-Gedenkort und Jüdisches Museum vor

Die Dresdner Stadtverwaltung schlägt einen Erinnerungsort zum Gedenken an die Schoah mit Vermittlungs- und Begegnungsstätte am Alten Leipziger Bahnhof vor und zusätzlich den Aufbau eines Jüdischen Museums. Denkbar wäre die Erweiterung des Stadtmuseums im Landhaus, um jüdisches Leben in der Dresdner Stadtgeschichte darzustellen. Auch die Erneuerung und Erweiterung der Dauerausstellung sowie ein Anbau an das Landhaus kommen in Betracht. Das sind die Ergebnisse einer umfangreichen Beteiligungs- und Konzeptionsarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinden und relevanter Kultur- und Bildungsorganisationen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert wird die Planungen dem Stadtrat vorlegen, welcher am 22. April 2021 beschlossen hatte, am Alten Leipziger Bahnhof einen „angemessenen Erinnerungsort zum Gedenken an die Schoah zu errichten“. In seinem Beschluss unterstützte der Stadtrat außerdem die Bestrebungen der jüdischen Gemeinden in Sachsen, in Dresden ein Jüdisches Museum zu etablieren. 

Oberbürgermeister Dirk Hilbert: „Jüdisches Leben bereichert Dresden seit Langem. Mir ist es wichtig, die jüdische Gemeinschaft stärker ins Bewusstsein unserer Stadtgesellschaft zu rücken. Mit Blick auf die Beschlusspunkte der Vorlage hoffe ich, dass wir einen entscheidenden Schritt in der Sichtbarkeit eines Gedenk- und Begegnungsortes vorankommen.“

Nicht nur Erinnerungsort, sondern auch kulturelles Begegnungszentrum im Alten Leipziger Bahnhof
Um die konkreten Inhalte sowie die bauliche Form eines künftigen Erinnerungsortes am Alten Leipziger Bahnhof herauszuarbeiten, wurde zunächst mithilfe einer künstlerischen Installation ein zivilgesellschaftlicher Diskurs angestoßen. Die vom Institut für räumliche Resilienz in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden entwickelte Installation wurde im Juni 2022 eröffnet und diente als Rahmen für verschiedene Veranstaltungen. Dabei wurde deutlich, wie vielfältig und teils kontrovers die Erwartungshaltungen an einen künftigen Gedenkort am Alten Leipziger Bahnhof hinsichtlich der zukünftigen Nutzung sind – und zwar auch innerhalb der Gruppe der jüdischen Bevölkerung in Dresden sowie der in der Erinnerungskultur engagierten Vereine und Initiativen. (Siehe dazu auch Anlage 1a der Vorlage V1782/22)

Parallel wurde mit dem Ziel der Markierung und Erschließung verschiedener Täter- und Opferorte im Stadtraum Nord der Ideenwettbewerb „Gedenkareal Dresdner Norden“ durchgeführt. Das Preisgericht dieses Wettbewerbs wählte im Juli 2022 den Entwurf „MNEMO Dresden“ des Büros Wandel Lorch Götze Wach GmbH in Zusammenarbeit mit dem Künstler Jochen Hendricks als Preisträger aus. Der Entwurf beinhaltet auch eine Markierung des ehemaligen Bahnhofsgebäudes auf dem Areal des Alten Leipziger Bahnhofs im Sinne des im April 2021 gefassten Stadtratsbeschlusses. Der Wettbewerb und der Preisträgerentwurf sind dokumentiert unter www.dresden.de/de/kultur/kunst-und-kultur/ideenwettbewerb-gedenkareal-dresdner-norden.php.

Die Idee für ein ergänzendes Vermittlungs- und kulturelles Begegnungszentrum entstand im Frühjahr 2022 aus vier Diskussionsrunden zum Thema „Braucht Sachsen ein jüdisches Museum?“. In den vom Geschäftsbereich Kultur und Tourismus veranstalteten Podiumsdiskussionen mit Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinschaft, der Kommunalpolitik sowie Expertinnen und Experten aus Verwaltung, aus dem Museums- und Vermittlungsbereich entwickelten maßgebliche Akteure den Vorschlag, eine Vermittlungs- und kulturelle Begegnungsstätte zu errichten. Die Gesprächsreihe und damit verbundene Themen sind in einem Blog des Stadtmuseums Dresden dokumentiert: www.blog-stadtmuseum-dresden.de/diskurs/

Um den Bedarf für ein solches Begegnungszentrum zu konkretisieren und die Akteure an der inhaltlichen Ausgestaltung zu beteiligen, fand vom Mai bis Juli 2022 eine dreiteilige Workshop-Reihe im Kunstraum GEH 8 statt. Vorgelagert befasste sich die SachsenEnergie AG als potentieller Projektentwickler mit der baulichen Realisierung. Insgesamt kommen für ein Vermittlungs- und Begegnungszentrum drei Varianten am Alten Leipziger Bahnhof in Betracht. 

Nach einer vorläufigen Grobkostenrechnung reicht die Spanne der jährlichen Gesamtkosten für den Betrieb einer Vermittlungs- und Begegnungsstätte von 630.000 Euro bis 1.025.000 Euro. Diese Schätzung umfasst voraussichtliche Personalkosten, Programm-, Sach- und Materialkosten sowie Miet-, Betriebs- und Unterhaltskosten. Letztere dienen der Refinanzierung der Investitionskosten, welche laut Studie der SachsenEnergie je nach baulicher Variante zwischen neun und 15 Millionen Euro betragen könnten. Für die vertiefte inhaltliche Vorbereitung soll im Zeitraum 2023/2024 ein Nutzungs- und Betreiberkonzept erstellt werden und eine Konzeptausschreibung erfolgen. Zudem soll der Oberbürgermeister ermächtigt werden, notwendige Nutzungs- und Mietvereinbarungen abzuschließen.

Ergänzend plädiert die Stadtverwaltung dafür, die Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums am Alten Leipziger Bahnhof zu prüfen bzw. ein Konzept hierfür zu entwickeln. 

Baubürgermeister Stephan Kühn: „Die städtebauliche Entwicklung der Fläche um den Alten Leipziger Bahnhof ist ein zentrales Anliegen der Dresdner Stadtplanung. Die Etablierung eines Gedenk- und Begegnungsortes im historischen Bahnhofsgebäude markiert einen wichtigen Teilbereich in der laufenden kooperativen Quartiersentwicklung zusammen mit den Grundstückseigentümern und der Stadtgesellschaft.“

Ein Jüdisches Museum für Dresden
Hinsichtlich der Standortprüfung für ein Jüdisches Museum wurden vier grundsätzlich geeignete Flächen identifiziert, die für einen Neubau bzw. für die Erweiterung des Stadtmuseums infrage kommen. Alle Flächen gehören der Landeshauptstadt Dresden. Es handelt es sich um 1) den Standort Wilsdruffer Straße/Anbau Stadtmuseum, 2) den Standort am Sachsenplatz/Käthe-Kollwitz-Ufer, 3) den Standort Pirnaischer Platz/Schießgasse sowie 4) den Standort Königsufer (Köpckestraße/Augustusbrücke). 

Je nach Standort ergeben sich unterschiedliche städtebauliche und architektonische Anforderungen an einen Neubau, die zu unterschiedlichen Kostenprognosen führen. Sollte der Stadtrat grundsätzlich den Neubau eines Jüdischen Museums in Dresden weiterverfolgen, wäre eine Beschlussfassung zu einer oder zwei bevorzugt zu entwickelnden Standortvarianten sinnvoll.

Dr. David Klein, Leiter des Amtes für Kultur und Denkmalschutz: „Die umfassende Beteiligung und Diskussion zu den Themen Erinnerungsort, Begegnungsstätte für aktuelles jüdisches Leben und Jüdisches Museum zeigt, dass wir als Stadt ein komplexes Feld bearbeiten. Die aktuellen Vorschläge tragen den Bedürfnissen sowohl jüdischer als auch nicht-jüdischer Menschen in Dresden Rechnung, Orte des Erinnerns mit kultureller jüdischer Praxis zu verbinden.“