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https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/05/pm_021.php 07.05.2025 16:13:22 Uhr 22.05.2025 14:29:09 Uhr

Stolpersteine vor dem Stadtforum erinnern an die Geschwister Loewenstein

Verlegung am 7. Mai im Beisein des Nachfahrens, US-Generalkonsul Dr. James Miller

Am Mittwoch, 7. Mai 2025, und damit einen Tag vor dem 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, haben Mitglieder des Vereins Stolpersteine für Dresden e. V. gemeinsam mit dem Kölner Künstler Gunter Demnig zwei Stolpersteine vor dem Stadtforum Dresden verlegt. Sie erinnern an die Geschwister Gerda und Richard Werner Loewenstein, die einst in der Bankstraße 13 wohnten. Die Stolpersteine wurden in der Nähe der Stelle verlegt, an der die Bankstraße bis 1945 verlief. Nachfahren der Familie Loewenstein wohnten der Verlegung bei, darunter Dr. James Miller, Enkel von Richard Werner Loewenstein und US-Generalkonsul in München. Auch John R. Crosby, US-Generalkonsul für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, war zu Gast.

"Die im gesamten Stadtgebiet verlegten Stolpersteine erinnern auf eindrucksvolle Weise an die zerstörerischen Eingriffe des nationalsozialistischen Regimes in das Leben und den Alltag verfolgter Menschen in Dresden zwischen 1933 und 1945. Hinter jedem Stein verbirgt sich eine Lebensgeschichte und ein Schicksal. Auch das neu eröffnete Stadtforum wird daran erinnern, dass an dieser Stelle einst Menschen lebten, die verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. Ich bin dankbar für das Engagement des Vereins Stolpersteine für Dresden e. V. und für die Verbindungen, die die Nachfahren der zur Emigration gezwungenen Dresdnerinnen und Dresdner bis heute mit unserer Stadt pflegen. Gemeinsam setzen wir ein Zeichen für eine historische Aufarbeitung und Versöhnung.“
Dirk Hilbert, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Dresden
„Ich möchte allen, die uns geholfen haben, die Erinnerungen an meinen Großvater und seine Schwester zu recherchieren, zu bewahren und sichtbar zu machen, meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Es bedeutet meiner Familie so viel, zu wissen, dass ihr Andenken hier in Dresden bewahrt wird. Mein Großvater wäre heute stolz und glücklich, mich als Vertreter der Vereinigten Staaten in Deutschland zu sehen - in einem freien, demokratischen Land, das untrennbar mit der Geschichte meiner Familie verbunden ist. Die Vereinigten Staaten stehen fest an der Seite all derer, die sich dem wachsenden Antisemitismus und allen Formen von Hass entgegenstellen – im eigenen Land und weltweit. Das Erinnern an den Holocaust bleibt ein zentraler Bestandteil dieses Engagements und macht uns alle stärker und sicherer.“
Dr. James Miller, US-Generalkonsul

Stolpersteine bringen die Namen der Opfer der NS-Diktatur an den Ort zurück, an dem sie zuletzt freiwillig gelebt haben. Gunter Demnig hat mittlerweile mehr als 100.000 Stolpersteine in ganz Europa verlegt, die an das Schicksal von Jüdinnen und Juden, Antifaschistinnen und Antifaschisten, Zeugen Jehovas, Homosexuellen, Euthanasie-Opfern sowie an Sinti und Roma erinnern. 

Wer waren Gerda und Richard Werner Loewenstein?

Richard Werner Löwenstein wurde am 28. Dezember 1911 als Sohn von Julia Löwenstein (1888–1943) und Karl Löwenstein (1884–1918) in Duisburg geboren. Die jüdische Familie lebte zunächst in Hameln. Nach dem Tod seines Vaters 1918 zog der Siebenjährige mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester Gerda Löwenstein (1913–1933) nach Altenkirchen, der Geburtsstadt von Julia Löwenstein. Dort lebten sie bei Verwandten. 1921 übersiedelte die Familie nach Dresden und zog in die Bankstraße 13. Mit Hilfe ihres Bruders Albert Levy (1886–1943) konnte sich Julia Löwenstein in Dresden als Stickerin eine Existenz aufbauen. Zwei Jahre später heiratete sie den jüdischen Handelsvertreter Berthold Altmann (1882–1943).

Das Selbstverständnis seiner Familie beschrieb Richard Werner Löwenstein rückblickend als „deutsch-jüdisch“. Man war sich bewusst, dass man jüdisch war, fühlte sich aber in erster Linie als deutsch. Sein Vater und sein Stiefvater hatten im Ersten Weltkrieg als Soldaten im deutschen Heer gedient und waren mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden.

In Dresden besuchte Richard Werner Löwenstein die Kreuzschule. Anschließend begann er eine Ausbildung in dem jüdischen Einzelhandels-Konzern Alsberg an der Wilsdruffer Straße. 

Nur wenige Tage nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten nahm sich Richard Werner Löwensteins Schwester das Leben. Er fand sie, als er nach einem Kinobesuch nach Hause kam.  Am 1. April 1933 erreichte die Ächtung jüdischer Unternehmen mit dem Boykott gegen jüdische Geschäfte einen ersten Höhepunkt. Gemeinsam mit anderen als jüdisch verfolgten Angestellten wurde auch Richard Werner Löwenstein wenig später entlassen. Der Betrieb selbst wurde im Sommer 1933 „arisiert“. Unter dem Eindruck zunehmender Zwangsmaßnahmen und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung fasste Richard Werner Löwenstein den Entschluss, aus Deutschland auszuwandern. Nach einem kurzen Aufenthalt in Palästina kehrte er jedoch im Sommer 1934 nach Deutschland zurück. Der Bruder seiner Mutter Albert Levy (1886–1943), Geschäftsführer des Kaufhaus-Unternehmens M. & S. Cohn in Altenburg (Thüringen), bot ihm eine Stelle in dem Kaufhaus an. An seiner Absicht, aus Deutschland auszuwandern, hielt Richard Werner Löwenstein jedoch fest. 1936 konnte er sie verwirklichen. Während viele Länder die Einwanderung für jüdische Emigrantinnen und Emigranten aus Deutschland stark beschränkten, erhielt er für Südafrika eine Einreisegenehmigung. Die Wochen vor seiner Auswanderung verbrachte Richard Werner Löwenstein wieder in der elterlichen Wohnung in Dresden. Gemeinsam mit einem Sohn seines 1943 in Auschwitz ermordeten Onkels Albert Levy und einem Verwandten aus der Familie seines Stiefvaters verließ er das nationalsozialistische Deutschland. 

Richard Werner Löwenstein kam an seinem 25. Geburtstag in Kapstadt an. In seiner neuen Heimat anglisierte er seinen Nachnamen in „Loewenstein“. In den kommenden Jahren baute Richard Werner Loewenstein in Südafrika eine neue Existenz auf und gründete nach verschiedenen Versuchen, sich selbständig zu machen, schließlich ein Schuhgeschäft. Sein Plan, seine Eltern nachzuholen, misslang. Julia und Berthold Altmann wurden 1943 in Auschwitz ermordet. Richard Werner Loewenstein heiratete in Port Elizabeth (Südafrika) und bekam zwei Töchter. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 4. Juli 2007.

Autorin: Christine Bücher


Quellen:

  • Telefonische Auskunft Christian Repkewitz, 7.2.2025
  • USC Shoah Foundation, Visual History Archive: Richard Lowenstein, https://vha.usc.edu/testimony/11108?from=search&seg=7 (Interview, 4.3.1996)
  • Familie Altmann, Berthold, in: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e. V. / Archiv Gedenkbuch in der Jüdischen Gemeinde zu Dresden (Hg.), Buch der Erinnerung Juden in Dresden deportiert, ermordet, verschollen. 1933–1945, Berlin/Leipzig 2025, S. 33f
  • Löwenstein Gerda [05.02.1933], Digitale Edition ─ Jüdischer Friedhof Dresden, neuer Friedhof, Fiedlerstraße 3, dr2-32305, http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=dr2-32305&lang=de (Datum)
  • Stadtarchiv Dresden: 6.4.25 (Standesamt/Urkundenstelle)-1.4.2 (Standesamt I, Sterbebücher (Zweitbücher))-118 (Nr. 578/1933)
  • Stadt- und Kreisarchiv Paderborn: S - STR Geburten Paderborn Nr. 702/1913 [dort und im Sterbeeintrag als „Bertha“ Löwenstein]
  • Deutsch-jüdische Jugendgemeinschaft, in: Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, 1929, Nr. 12, S. 15