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Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/11/pm_039.php 14.11.2025 12:04:34 Uhr 05.12.2025 04:59:22 Uhr |
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Umfrage zu sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum
Gewalt gegen Frauen nimmt in Deutschland zu: häusliche Gewalt, Sexualstraftaten und digitale Gewalt. Sexualisierte Gewalt in der Öffentlichkeit wird noch zu oft bagatellisiert. Um die Erfahrungen Betroffener abzubilden, initiierte die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah im Sommer 2024 eine anonyme Online-Umfrage zu sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum. Es geht um alle Handlungen, die ohne Zustimmung, bei fehlender Zustimmungsfähigkeit oder gegen den Willen einer Person im Zusammenhang mit dem Geschlecht oder der Sexualität ausgeübt werden. Nun liegt die Auswertung vor.
Die Umfrage bestätigt, dass vor allem Frauen Opfer von sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum in Dresden werden. Zum Zeitpunkt eines Übergriffs sind sie zwischen 25 und 34 Jahre alt und erleben Gewalt zum großen Teil mehrfach.
„Unser Fazit ist klar. Es stehen folgende große Aspekte im Fokus, um die Lage zu verbessern: Sicherheit, Aufklärung und Sensibilisierung sowie Ausbau des Hilfesystems.“Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden
Als „unsichere“ Orte werden die Innere Neustadt, generell Bahnhöfe, Orte in Prohlis und Gorbitz sowie der Innenstadt benannt und hier insbesondere unbeleuchtete Parks, der Weg zur Bahn, der ÖPNV, dunkle Straßenabschnitte und Nebenstraßen. Die Betroffenen wünschen sich mehr Polizei oder Sicherheitsdienste, vor allem in der Nacht, sowie stärkere Täter- und Strafverfolgung, Videoüberwachung öffentlicher Räume, mehr Beleuchtung, Notfalltelefone, digitale Meldefunktionen per Handy mit Standortangabe, Heimwegtelefone, Awareness-Teams oder Frauensitzplätze im ÖPNV sowie Frauentaxis.
Im Projekt "Citywache - Zentrum für Prävention und Sicherheit" setzt sich die Landeshauptstadt gemeinsam mit der Dresdner Polizei bereits intensiv mit der Frage auseinander, wie man Orte mit Unsicherheitsgefühl in der Dresdner Innenstadt verbessern kann. So wurden beispielsweise zwei Begehungen in der Nacht im Umfeld des Wiener Platzes und des Ferdinandhofes durchgeführt. Hier sollten Bereiche identifiziert werden, die mit mehr Beleuchtung oder auch Baum- und Strauchbeschnitt verbessert werden können. Kurzfristige Maßnahmen wie der Austausch von defekten Lampen konnten bereits realisiert werden. Der bereits identifizierte Bedarf nach besserer Beleuchtung in vielen innenstädtischen Arealen ist nicht nur mit Blick auf die Haushaltslage nur langfristig zu klären. Unter Federführung der Polizei werden gerade intensiv die Möglichkeiten von Videoüberwachung in der Innenstadt geprüft. Die nächste Runde im Dunkeln gibt es im Umfeld des Albertplatzes im Rahmen der kommunalen Kriminalprävention am 17. November 2025 gemeinsam mit dem Stadtbezirksamt Neustadt.
In Bussen und Bahnen gibt es immer einen Fahrer oder eine Fahrerin als Ansprechpartner. Betroffene sollten nicht zögern, die Unterstützung des Fahrpersonals in Anspruch zu nehmen. Auch wenn das Personal nicht aktiv in Konflikte einschreitet, kann es Hilfe aktivieren. Im ÖPNV gibt es Videoaufzeichnung in den Fahrzeugen, diese kann für eine bessere Aufklärungsquote sorgen, wenn Vorfälle angezeigt werden.
Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Dresden„Wichtig bleibt auch die Aufklärung an Schulen, Unis und Behörden als Prävention und zur Förderung der Zivilcourage sowie die nachhaltige Fortbildung und Schulung von Personal zum Umgang mit Betroffenen. Menschen müssen in solchen Situationen ernst genommen werden, brauchen Verständnis und keine dummen Sprüche. Und wir müssen daran arbeiten, die Hilfelandschaft weiter auszubauen und bekannt zu machen.“
Zur Sensibilisierung des Themas zeigt die Stadt Dresden ein animiertes City Light Plakat mit dem Hilfe-Handzeichen. Es läuft vom 18. bis 25. November auch über das Fahrgastfernsehen. Es gibt vielfältige Veranstaltungen in der Woche vom 19. bis 29. November rund um den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Stanislaw-Kemenah: „Das alles sind temporäre Aktionen. Das Wichtigste ist und bleibt, aufeinander zu achten, aufmerksam zu sein und Zivilcourage zu zeigen, wenn man unterwegs ist.“
Die Umfrage riefen insgesamt 1.113 Personen auf. Der Gesamtrücklauf liegt bei 972 Fragebögen. Davon konnten 683 vollständige Datensätze ausgewertet werden. Gemessen an sonstigen Umfragen ist das eine sehr hohe Beantwortungszahl. 289 Fragebögen wurde begonnen und abgebrochen oder nicht abgeschickt. 141 Fragebögen sind aufgerufen und nicht bearbeitet worden.
83 Prozent der Teilnehmenden sind weiblich, 16 Prozent männlich und ein Prozent diversgeschlechtlich. Sexualisierte Gewalt erlebten entsprechend der Angaben 77 Prozent Frauen, 75 Prozent diversgeschlechtliche Menschen und 31 Prozent Männer. Je nach Deliktart erleben vor allem Frauen anzügliche Äußerungen (85 Prozent), gefolgt von anhaltendem Anstarren (78 Prozent) und unerwünschten Berührungen/Annäherungen (71 Prozent). Vor allem diversgeschlechtliche Menschen erleben unerwünschte Berührungen/Annäherungen (86 Prozent), anzügliche Äußerungen und anhaltendes Anstarren (je 71 Prozent). Männer erleben vorwiegend anzügliche Äußerungen (66 Prozent), gefolgt von unerwünschten Berührungen/Äußerungen (63 Prozent) sowie entwürdigenden Reduktion auf Geschlecht/sexuelle Attraktivität (28 Prozent).
Körperliche sexualisierte Gewalt in Form von „körperlichen Handlungen und Übergriffen“ sowie „Vergewaltigung“ erlitten diversgeschlechtliche Personen darüber hinaus häufiger als Frauen und Männer. Die verschiedenen in der Umfrage aufgeführten Delikte geschahen zudem grundsätzlich mehrfach und betrafen in ihrer höheren Wiederholungszahl vor allem Frauen und zum Teil diversitätsgeschlechtliche Personen.
Die meisten Übergriffe finden auf öffentlichen Flächen, im ÖPNV sowie auf Festivals und Großveranstaltungen statt. 50 Prozent der Übergriffe auf Frauen gab es demnach im ÖPNV. Auf Festivals/Großveranstaltungen erleiden 63 Prozent der Frauen unerwünschte Berührungen, während es im öffentlichen Raum (Parks, Straßen, Unterführungen, Fußgängerzonen) sowie in Einrichtungen der Gastronomie mehr verbale Belästigungen (anhaltendes Anstarren, anzügliche Äußerungen, Hinterherpfeifen, entwürdigende Reduktion auf das Geschlecht/sexuelle Attraktivität) gibt.
Männer erleben unerwünschte Berührungen mit 45 Prozent prozentual weniger im ÖPNV sowie mit 40 Prozent auf Großveranstaltungen, aber mit 50 Prozent mehr auf öffentlichen Flächen als Frauen, während verbale Belästigungen auf öffentlicher Fläche und im ÖPNV geringer sind als bei Frauen und diversitätsgeschlechtlichen Personen.
Bei diversgeschlechtlichen Personen überwiegen verbale und nicht-körperliche Übergriffe (vor allem anzügliche Äußerungen, im Schnitt 55 Prozent und anhaltendes Anstarren (68 Prozent) sowohl auf öffentlichen Flächen der Parks, Straßen etc. als auch im ÖPNV sowie auf Großveranstaltungen. Unerwünschte Berührungen finden sich insgesamt etwas weniger als bei Frauen und Männern.