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„Rassismus hat keinen Platz in einer Gesellschaft.“

Zuhause in Dresden. Alexander Nachama.
Zuhause in Dresden. Alexander Nachama.

Internationale Wochen gegen Rassismus in Dresden: Drei Fragen an den Rabbiner Alexander Nachama

Vom 12. März bis zum 6. April finden unter dem Motto „100 Prozent Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“ die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Dresden statt.
Es sind bundesweite Aktionswochen der Solidarität mit den Gegnerinnen und Gegnern sowie Opfern von Rassismus, die zum Ziel haben, zu informieren, zu sensibilisieren und zur Selbstreflexion und eigenem Handeln anzuregen. In diesem Zusammenhang berichten in den kommenden Wochen fünf Dresdnerinnen und Dresdner in der Serie „Wir zeigen Gesicht!“ im Amtsblatt von ihren Erfahrungen mit dem Thema Rassismus.
Alexander Nachama ist seit 2012 der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Vorher war er viele Jahre in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin aktiv.

Rassismus – Was sagen Sie dazu?

Rassismus hat keinen Platz in einer Gesellschaft. Er zeigt im Gegenteil, dass in der Gesellschaft etwas schief läuft. Jede Form oder jedes Anzeichen von Rassismus sollte benannt und dann auch bekämpft werden – damit Rassismus keinen Platz hat und gar nicht erst bekommt.
Dass er immer noch existent ist, zeigt sich leider immer wieder. Er macht sich häufig einfach an äußerlichen Zeichen fest. Es ist egal wie man aussieht, es reicht eine dunklere Hautfarbe, eine bestimmte Kopfbedeckung oder was auch immer. Das wird von Rassisten wahrgenommen und führt dazu, dass sie andere beschimpfen oder Schlimmeres. Das zeigt, wie sinnlos das ist: Man kennt den Menschen gar nicht, wird aber trotzdem aggressiv.
Auch Antisemitismus, mit seiner langen Geschichte, ist immer noch gegenwärtig. Auch wenn er heute etwas ist, wovon sich die Leute offiziell distanzieren wollen. Spätestens wenn man zwischen den Zeilen liest, kommt er immer noch hervor. Das ist eine Form, die es vor 80 Jahren so noch nicht gab, da war es offensichtlich. Heute ist er etwas verdeckt. Aber auch da heißt es stets, die Augen und Ohren offenzuhalten und zu gucken wo Zeichen für Antisemitismus sind, um diese benennen und bekämpfen zu können.
Ein Tag, der ja durchaus schwierig war und ist, ist der 13. Februar. Vor einigen Jahren gab es da Demonstrationen und Aufmärsche von rechten Gruppen, die direkt an der Synagoge vorbei liefen. Ich war damals noch nicht hier in Dresden, aber Gemeindemitglieder haben mir erzählt, dass sie sich da, als sie gerade hier in der Gemeinde oder der Synagoge waren, doch bedroht gefühlt haben. Und da hat sich ja in den letzten Jahren beispielsweise durch die Menschenkette viel getan.
Ich denke, Arbeit gegen Rassismus ist im Endeffekt etwas woran man immer weiter arbeiten muss. Man kann sich nicht irgendwann auf die Schulter klopfen und es einfach dabei belassen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, wo geschaut werden muss was gerade passiert und wie dagegen vorgegangen werden kann.

Was ist Ihre Meinung zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus?

Die ist natürlich positiv. Das ist ganz klar. Ich finde das auch gut, dass sich da so viele einbringen werden. Ich hoffe aber, dass sich das nicht nur auf die Wochen beschränkt, sondern, dass es eine Wirkung für das ganze Jahr oder für die darauffolgenden Jahre haben wird. Das wäre ja vermutlich für alle der erhoffte Effekt.
Die Jüdische Gemeinde versucht, das ganze Jahr über entweder bei Veranstaltungen zu kooperieren oder auch selbst Veranstaltungen anzubieten. Gerade dieses Jahr ist für die Gemeinde sehr markant: Seit den Novemberpogromen im Jahr 1938 sind 80 Jahre vergangen. Mit Veranstaltungen möchten wir auf dieses Datum aufmerksam machen, um damit erneut Bewusstsein gegenüber der Vergangenheit zu wecken.

Wie stellen Sie sich das Zusammenleben in unserer Stadt im Jahr 2030 vor?

Ich hoffe natürlich, dass sich weiterhin alles positiv entwickeln wird, sowohl innerhalb der Jüdischen Gemeinde als auch in ganz Dresden. Ich möchte, dass sich hier eine Gesellschaft entwickelt, die nicht einfältig, sondern vielfältig ist. Das macht ja meiner Meinung auch eine Gesellschaft aus, dass man mehrere Religionen und Kulturen hat, die einander ergänzen und bereichern, die nicht als Bedrohung angesehen werden, sondern erkannt wird, dass es tatsächlich eine Bereicherung ist.
Wenn man so in die Zukunft blickt, dann ist meine Hoffnung, dass es eine Gesellschaft sein wird, die offen ist und in der Rassismus keinen Platz mehr hat. Eine Gesellschaft, in welcher diese Vielfalt lebt.
Ich denke, dass wir das aber nur erreichen, wenn wir einander helfen und mutig genug sind, einzugreifen und zu handeln, wenn wir sehen, dass jemand beschimpft oder geschlagen wird. Auch wenn man möglicherweise selbst in dem Moment nicht einschreiten kann, sollte man zumindest andere zur Hilfe holen oder die Polizei rufen.
Das Wichtigste ist, die andere Person nicht allein zu lassen, denn wenn man wegschaut, dann kann viel Negatives passieren. Auch wenn es eine schwierige Situation ist, sollte man hinschauen. Ich denke das ist etwas, das jeder tun kann und soll.

Schon gewusst?

Unter Rassismus sind im Allgemeinen negative und abwertende Einstellungen und Handlungen gegenüber einer anderen Gruppe von Menschen zu verstehen. Antisemitismus ist die Gesamtheit aller judenfeindlichen Äußerungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen. Den als Juden geltenden Einzelpersonen oder Gruppen werden aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellt, um damit eine Abwertung, Benachteiligung, Verfolgung oder Vernichtung ideologisch zu rechtfertigen.

Veranstaltungen

  • Freitag, 16. März, 16.30 Uhr, Hoffnungskirche, Gemeindesaal, Clara-Zetkin-Straße 30: Worte finden und ausprobieren – zum Umgang mit Alltagsrassismus, Theaterworkshop, Anmeldung erforderlich
  • Sonnabend, 17. März, 13 bis 17 Uhr, Islamisches Zentrum, Flügelweg 8: Tag der offenen Moschee, Führung und Gespräche
  • Sonntag, 18. März, 14 bis 16 Uhr, Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8: EDEWA – Stadtrundgang
  • Montag, 19. März, 18 bis 19.30 Uhr, Kunstraum Dresden, Schützenplatz 1: Für ein Europa ohne Diskriminierung und Homophobie, Diskussionsrunde
  • Dienstag, 20. März, 18.30 bis 20.30 Uhr, House of Resources, Schönfelder Straße 18: Zuflucht im Elbland, Vorführung von Videointerviews
  • Mittwoch, 21. März, 19.30 bis 21 Uhr, Apostelkirche, Kopernikusstraße 40: Integration war noch nie einfach, Vortrag und Diskussion