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https://www.dresden.de/de/kultur/kunst-und-kultur/bildendekunst/kunst-im-oeffentlichen-raum/symposium/mutter_genth.php 28.05.2015 15:35:10 Uhr 19.04.2024 23:00:50 Uhr

Heike Mutter & Ulrich Genth

"Mit ihren sensiblen, konkret an den örtlichen Zusammenhängen ausgerichteten Projekten thematisieren Heike Mutter und Ulrich Genth den öffentlichen Raum als ein vielfältig bestimmtes Spannungsfeld. Ihre Arbeiten zeigen ein genaues Gespür für die jeweils vorgefundenen Situationen, deren Strukturen sie mit intensiver Recherche, partizipatorischen Elementen und künstlerischen Interventionen nicht nur offen legen, sondern auch aktiv verändern. Wichtig ist ihnen dabei aber durchaus auch ein spielerisches, bisweilen ironisches Element, das den topografischen wie sozialen Freilegungen etwas Leichtes, eher Unangestrengtes, keinesfalls Belehrendes verleiht und eine hohe Faszinationskraft ausstrahlt. Bezeichnend ist, dass Mutter/Genth ihre experimentellen Erkudungen der Stadt- und Landschaftsräume in erster Linie nicht als künstlerisch intellektuellen Diskurs unter Eingeweihten verstehen, sondern Bürger in ihrer Rolle als aktive Nutzer öffentlicher Orte ernst nehmen und mit ihnen deren gesellschaftliche Funktion, deren architektonische Struktur oder deren historische Dimensionen erkunden und erfahrbar machen. So gelingen ihnen Bilder, die im öffentlichen Raum zwischen unübersehbarer Landmarke und flüchtiger Erscheinung changieren und den Orten das geben, was sie jeweils verdienen: absurde Überspitzungen, leichtfüßige Verdichtungen oder poetische Fokussierungen des Blicks – vor allem aber eine genaue Beobachtung ihrer räumlichen und nutzerischen Bedingungen."

Roland Nachtigäller über das Künstlerduo Mutter/Genth 

Projektentwurf 3:

Denkmal für den permanenten Neuanfang

Auf dem Neumarkt wird für begrenzte Zeit ein weiteres Denkmal aufgestellt, welches in einer Dreieckskonstellation zu den beiden zentralen Denkmälern des Platzes steht. In seiner Erscheinungsform wird es die Materialien der vorhandenen Denkmäler aufnehmen. Es soll Fragen zu der Konstellation und Architektur des Platzes sowie dem zeitgemäßen Umgang mit dem Begriff des Denkmals aufwerfen. Der Titel des Denkmals ist so in die Skulptur eingefügt, dass er durch eine Mechanik immer wieder wechselt, wodurch die Installation eine wandelbare Lesart erhält. Die endgültige Gestalt des Denkmals, insbesondere der Figur, ist noch nicht festgelegt und befindet sich im Entwicklungsprozess.

Projektentwurf 1:

Podium für die Kunst des Protests 

 

Das "Podium für die Kunst des Protests" ist eine architektonische Struktur, die dazu entworfen ist, für einen begrenzten Zeitraum als Mini-Museum im öffentlichen Raum zu wirken.

In dem von uns entwickelten skulpturalen Pavillon werden in regelmäßigen Intervallen Werke der Dresdner Protestkunst durch ihre Autoren (so weit möglich) re- inszeniert. Er ist als Forum konzipiert, welches die in Dresden zum Alltag gehörende Kunst des Protestes an einem bedeutsamen Ort rückt und in einer repräsentativen Form zeigt.

Das Projekt haben wir insbesondere für Dresden entworfen, da sich dem Besucher hier, wie in kaum einer anderen Großstadt, ein geschlossenes Bild der favorisierten Kunstauffassung vermittelt: Die Innenstadt ist großzügig mit Denkmälern städtischer Würdenträger bestückt. Bis auf einige Kunstwerke aus der Ära der DDR bestimmen Barocke Brunnen und Statuen des Historismus das Bild. Die Präsenz der Kunst orientiert sich an klassischen Qualitätskriterien und an Stadtraum als musealisiertem, historischem Raum. Kaum etwas zeugt dauerhaft von zeitgenössischer Auseinandersetzung.

Jenseits der Bestückung des Stadtraumes mit den repräsentativen Kunstwerken sind wir bei unseren Recherchen aber auf eine geradezu überbordende Menge an Protestaktionen und Protestartefakten aus dem Bürgerlichen Kontext und von Absolventen der Kunsthochschule oder in Dresden ansässigen Künstlern gestoßen. Interessant ist also die Frage, in wieweit sich die Dresdner als Bürger einer Kulturstadt sehen und gerade deshalb hier Kunstwerke in der Protestartikulation eine besondere Rolle spielen.

Über eine begleitende Internetseite werden Informationen zu den gezeigten Beiträgen abrufbar sein. Der erweiterte Kontext der Präsentationen wird kunstwissenschaftlich untersucht und die Ergebnisse über die Website zugänglich gemacht.

Projektentwurf 2:

Der neue Turm

 Allen Dresdnern ist wohl das Gemälde des Elbpanoramas mit der Augustusbrücke im Vordergrund von Canaletto bekannt. An der Stelle, an der man den Maler vor rund 260 Jahren vermutet hat, steht Heute Dresdens vermutlich meistbesuchte Stahlkonstruktion. Eine rot lackierte Staffelei mit angedeuteter Leinwand fordert Scharen von Touristen auf, diesen vorgefertigten Seheindruck nachzuvollziehen.

Die Handlungsanweisung ist einerseits rührend, andererseits aber an Kitsch und Konventionalität kaum noch zu übertreffen.  

 

Sie versinnbildlicht den omnipräsenten Abgleich der Dresdener mit dem Mythos Ihrer Stadt, welcher sich aus historischen Quellen und Bildern speist, die für eine Zeit der Tradition, des Glanzes, des fürstlichen Überflusses, des residialen Reichtums und internationaler Anerkennung stehen.

Entwurf einer Skulptur als Aufruf und Zeichen für einen erneuten Aufbruch: Ein zweckfreies Hochhaus; Canalettos Baugerüst als freistehende Holzskulptur. 

Verschiebt man den vorherrschenden Blick auf Canalettos Gemälde und betrachtet es als Abbild einer Zeit des Aufbruches, in der die international renommiertesten Baumeister in die Stadtplanung einbezogen wurden, könnte das Baugerüst an der Hofkirche, dessen harmonisch proportionierte Holzkonstruktion bis in 86 Meter Höhe emporwächst, zum Sinnbild werden.

Wir schlagen eine Rekonstruktion dieses Gerüstes aus dem Bild als freistehende Holzskulptur auf einer der zentrumsnahen Grünflächen der Stadt (z.B. Lignerpark) vor. Das durch die Malerei zweidimensional dargestellte und dadurch fragmentierte Gerüst wird in eine dreidimensionale Form übersetzt. Nur minimal um die statisch notwendigen Elemente ergänzt, erhält die Konstruktion den Charakter einer dreidimensionalen Zeichnung. 

So entsteht eine absolut selbständige, poetische, filigrane und gleichzeitig monumentale zeitgenössische Skulptur. Da die transparent erscheinende Holzkonstruktion einen imaginären Baukörper umschließt und in ihrer improvisierten Vielfalt zahlreiche konstruktive Mikrodetails zeigt, verweist sie auf einen offenen Möglichkeitsraum. Die Skulptur löst sich vollständig aus ihrem Ursprungskontext und lebt von den Spannungen zwischen Bauwerk, Skizze, Hilfskonstruktion und Rekonstruktion.

 

Heike Mutter
geboren 1969 in München
1996 – 2001 Kunsthochschule für Medien Köln
seit 2007 Professur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg

Ulrich Genth
geboren 1971 in Tübingen
1994-2000 Kunstakademie Münster / Meisterschüler bei Prof. Reiner Ruthenbeck