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https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2022/06/pm_061.php 21.06.2022 17:01:23 Uhr 25.04.2024 17:41:10 Uhr

Sozialleistungen werden wegen 9 Euro-Ticket nicht gekürzt

Landeshauptstadt Dresden findet unbürokratische Lösung im Sinne der Betroffenen

Dresdner Schüler und Auszubildende, die ein 9 Euro-Ticket besitzen und dadurch niedrigere Schülerbeförderungskosten haben, dürfen zu viel gezahlte Bildungs- und Teilhabeleistungen behalten. Sie müssen keine Rückforderung oder Kürzung durch Jobcenter und Sozialamt befürchten. Möglich macht das eine Sonderregelung der Stadt auf Basis der rechtlichen Auffassung des Bundes.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert: „Mangels klarer rechtlicher Vorgaben von Bund und Land haben wir eine unbürokratische Lösung im Sinne der Betroffenen in Dresden erarbeitet. Das 9 Euro-Ticket wurde nicht eingeführt, um bei der Schülerbeförderung zu sparen. Es soll allen Menschen zugutekommen und sie finanziell entlasten. Das gilt auch und vor allem für Schüler und Auszubildende und ihren Familien. In den meisten Fällen müssten Jobcenter und Sozialamt von ihnen gerade einmal 18 Euro zurückfordern.“ 

Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, Beigeordnete für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen: „Eine Rückforderung würde dem Sinn und Zweck des 9-Euro-Tickets völlig zuwiderlaufen. Der Verwaltungsaufwand stünde in keinem Verhältnis zu den Rückzahlungen. Wir haben derzeit auch gar nicht die Bearbeitungskapazität im Jobcenter und im Sozialamt, um extra Personal für die kleinteilige Rückforderung der Fahrkostenzuschüsse abzustellen. Gerade die Kolleginnen und Kollegen im Jobcenter und dem Sozialamt stemmen die Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine. Vorrang haben für uns die existenzsichernden Leistungen, die Prüfung von Wohnungsangeboten auf Angemessenheit und Notwendigkeit und die Bewilligung der Gastfreundschaftspauschale. Für übertriebene Pingeligkeit ist jetzt nicht die Zeit.“

Die Stadt macht sich damit die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu eigen. Dieses hat die Länder und Kommunen gebeten, im Sinne der Betroffenen und aufgrund des Verwaltungsaufwands von einer Rückforderung abzusehen. Das 9 Euro-Ticket ist bundesweit gültig und kann jeweils für die Monate Juni, Juli und August erworben werden. Es wurde eingeführt, um alle Menschen in Deutschland in Anbetracht der aktuellen Preisentwicklung zu entlasten.

Zur Erläuterung:

Hilfebedürftige Schüler und Auszubildende erhalten vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt für kostenpflichtige Fahrten zur nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges Zuschüsse zur Schülerbeförderung gemäß § 28 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), § 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und §§ 3 Absatz 4, 2 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Kommt es zur Überzahlung von Sozialleistungen aufgrund nachträglicher Änderungen – hier Preissenkung des Tickets – erfolgt prinzipiell eine (Teil-) Aufhebung des Leistungsanspruchs nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Im Normalfall ergibt sich für das Dresdner Schülerticket, das im Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) regulär 15 Euro kostet, im Juni, Juli und August eine Überzahlung von monatlich 6 Euro, insgesamt also 18 Euro. Eine Bagatellgrenze, das heißt einen bestimmten Geldbetrag bis zu dem die Behörden auf Rückforderungen verzichten, ist derzeit weder im SGB II und SGB XII, noch im BKGG und im AsylbLG normiert.

Gemäß § 50 SGB X sind zu Unrecht erhaltene Leistungen zurückzuzahlen. Zwar besteht im SGB II die Ausnahme, dass eine Erstattung nicht erfolgt, wenn die Aufhebung der Leistungen nur aufgrund von Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II erfolgt ist, in der Praxis können sich jedoch viele Schüler nicht darauf berufen, weil die Bedarfsgemeinschaft als Ganzes betrachtet wird. So müssten bei einem höheren Einkommen der Eltern dennoch die zuviel gezahlten Fahrkostenzuschüsse zurückgezahlt werden. In den anderen Sozialleistungsgesetzen gibt es diese Ausnahme nicht.

Jobcenter und Sozialamt können deshalb nicht von vornherein auf die Aufhebung der bewilligten Leistungen nach SGB II, SGB XII, BKGG und AsylbLG und deren Rückforderung verzichten. Allerdings räumt der Gesetzgeber den Behörden in § 48 Absatz 1 SGB X einen minimalen Ermessensspielraum ein. Demnach kann die Aufhebung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben. Diese Voraussetzungen betrachtet die Landeshauptstadt Dresden unter Berufung auf das BMAS für gegeben.