Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de

https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2021/07/pm_062.php 20.07.2021 11:02:45 Uhr 25.04.2024 16:53:55 Uhr

Suchtbericht 2021: Alkoholmissbrauch wieder an erster Stelle

Abwasseranalyse zeigt überdurchschnittlichen Crystal-Konsum im Frühjahr 2020

Die Landeshauptstadt Dresden hat den Suchtbericht 2021 unter www.dresden.de/sucht veröffentlicht. Demnach mussten im Jahr 2019 in 3.102 Fällen Dresdner Kinder, Jugendliche und Erwachsene wegen des Konsums legaler und illegaler Drogen im Krankenhaus behandelt werden. Das ist der zweithöchste Wert seit dem Jahr 2006. Nur 2017 gab es mit 3.248 mehr Fälle. Wie schon in den Vorjahren steht Alkoholmissbrauch an erster Stelle. In der aktuellen Statistik macht dieser rund 74 Prozent der substanzbedingten Krankenhausbehandlungen aus. Dem Alkohol folgen wie in den Jahren zuvor stationäre Behandlungen aufgrund von multiplem Substanzgebrauch (rund neun Prozent), wegen des Konsums von Stimulanzien einschließlich Crystal (rund sieben Prozent) sowie im Zusammenhang mit Cannabis (rund fünf Prozent).

„Mit Sorge beobachten wir den erneuten Anstieg der Behandlungszahlen wegen des Konsums von Crystal“, sagt die städtische Suchtkoordinatorin Dr. Kristin Ferse. Die Erhöhung im stationären Bereich ist insbesondere auf Anstiege in den jüngeren Altersgruppen (15- bis 25-Jährige und 30- bis 35-Jährige) sowie bei Männern zurückzuführen. Auffällig und in Zukunft gut zu beobachten ist auch der Opioidkonsum (Schmerzmittel): die diesbezüglichen Dresdner Krankenhausfälle haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt (Im Vergleich waren es 2018: 59 und 2019: 123 Fälle).

Krankenhauseinweisungen

Erstmals seit 2015 gibt es wieder einen starken Anstieg um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr der Krankenhauseinweisungen in Folge des Konsums von Stimulanzien - hauptsächlich Crystal. Im Unterschied dazu ist bei Cannabis nach jahrelangen Zuwächsen der Behandlungsfälle seit 2012 erstmalig wieder ein Rückgang um 3,2 Prozent zu verzeichnen. Bei Krankenhausbehandlungen wegen übermäßigem Alkoholkonsum wird gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 2,5 Prozent registriert, bezüglich multiplem Substanzkonsum eine Reduktion um 3,5 Prozent.

Dresden und Sachsen im Bundesvergleich

Insgesamt verzeichnet der Bericht, dass bei allen genannten Substanzen mit Ausnahme von Cannabis sich gegenüber dem Vorjahr der Dresdner Anteil an den gesamtsächsischen Fällen erhöht hat. Und Sachsen selbst hat ebenfalls keine gute Entwicklung vorzuweisen: so liegt das Bundesland bezüglich aller vier Substanzen sowie der gesamten Behandlungsfälle aufgrund psychotroper Substanzen1 (F10-F19) hinsichtlich der Behandlungsdichte (Fälle je 100.000 Einwohner) nicht nur jeweils über dem Bundesdurchschnitt, sondern hat sich teilweise weiter verschlechtert: in Bezug auf die Behandlungsdichte in Folge von Cannabiskonsum vom bundesweit vorletzten Rang 2014 auf Platz 9 im Jahr 2019, sowie zwischen 2018 und 2019 in Folge Alkoholkonsums von Rang 7 auf Rang 5 und hinsichtlich aller Behandlungsfälle von Platz 8 auf Platz 7. Bei multiplem Substanzkonsum liegt Sachsen bundesweit weiter an zweiter und bei der Behandlungsdichte in Folge des Crystalkonsums weiter an dritter Stelle.

Beratungsbedarf in den Suchtberatungsstellen

In den sechs Dresdner Suchtberatungsstellen gab es im Jahr 2020 mit 3.215 Beratungsfällen einen Rückgang der Fallzahlen zu den 3.533 im Jahr 2019. Dies ist allerdings höchstwahrscheinlich mehr auf die pandemiebedingten Rahmenbedingungen als auf abnehmende Beratungsanliegen zurückzuführen. Alkoholbezogene Anliegen dominierten wie in den Vorjahren mit einem Anteil von rund 48 Prozent das Beratungsgeschehen, gefolgt von Anliegen aufgrund des Konsums illegaler Drogen (rund 40 Prozent), pathologischem Spielverhalten (5,3 Prozent) und problematischem Mediengebrauch (4,8 Prozent). Gegenüber dem Vorjahr wird eine Erhöhung sowohl der Absolutzahl als auch des Beratungsanteils bezüglich problematischem Mediengebrauch registriert. Dasselbe trifft im Bereich der illegalen Drogen für Crystal zu. Im Vergleich zur Inanspruchnahme der sächsischen Suchtberatungsstellen insgesamt fällt auf, dass in Dresden der Anteil der Beratungsanliegen wegen problematischem Medienkonsum und pathologischem Spielverhalten höher, der wegen illegaler Drogen vergleichbar und der bezüglich Alkohol geringer ist.

Abwasser mit Rückschlüssen

Erstmals stehen für den diesjährigen Suchtbericht auch aktuelle Daten aus Abwasseranalysen der TU Dresden zur Verfügung. Sie zeigen für Dresden einen überdurchschnittlichen Anstieg des Crystalkonsums im Frühjahr/Sommer 2020 und auch im Herbst 2020 noch über dem Niveau der Vorjahre. Bezüglich Crystal liegen die Dresdner Abwasserwerte sogar weit über dem Bundesdurchschnitt.

Kommunale Bürgerumfrage

Nicht nur erfreulich, teilweise auch überraschend, sind die Tendenzen der aktuellen Kommunalen Bürgerumfrage 2020. Der Anteil der Nichtraucher unter den Dresdnern ist nach kontinuierlichem Anstieg bis zum Jahr 2018 im Jahr 2020 gleich um drei Prozent auf 80 Prozent gesunken. Parallel stieg der Raucheranteil um drei Prozent auf elf Prozent, wobei der Anstieg vollständig auf eine Zunahme des Raucheranteils bei den Männern zurückgeführt werden kann. E-Inhalationsprodukte wie beispielsweise E-Zigaretten oder Heat-Sticks, nach denen erstmalig gefragt wurde, nutzen nur ein Prozent der Dresdner regelmäßig. In den Dresdner Stadtteilen Gorbitz und Prohlis wohnen die meisten alkoholabstinent lebenden Befragten. In Gorbitz ist auch der Anteil derer, die häufig (vier Mal pro Woche oder öfter) Alkohol konsumieren, stadtweit am geringsten.

Polizeiliche Kriminalstatistik

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für Dresden im Jahr 2020 insgesamt 2.240 Rauschgiftdelikte aus. Im Vergleich dazu waren es 2019 genau 2.171 Fälle. Das ist ein Anstieg um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Rauschgiftdelikte an der Gesamtkriminalität im Stadtgebiet Dresden sank im Vergleich zum Vorjahr minimal von 4,7 Prozent auf 4,6 Prozent. Nach einem jährlichen Anstieg der Verstöße mit Cannabis und seinen Zubereitungen bis 2017 ist mit 1.342 Fällen im Jahr 2020 (2019: 1.388 Fälle/ 2018:1.634) das dritte Jahr in Folge ein Rückgang der Fallzahlen (analog zum Trend bei den stationären und ambulanten Behandlungen) zu verzeichnen. Cannabisverstöße machen dennoch noch 60 Prozent (2019: 64 Prozent) aller Rauschgiftdelikte aus. Bei Verstößen mit Methamphetamin setzte sich der positive Trend des Rückgangs der absoluten Zahlen nicht fort. Hier stieg die absolute Fallzahl auf 737 (2019: 572 Fälle), damit ist dies im Fünfjahresvergleich die zweithöchste Anzahl. Lediglich 2017 lag die Zahl noch darüber. Prozentual handelt es sich damit um 32,9 Prozent aller Rauschgiftdelikte. Die meisten Verstöße bezogen auf Amphetamin/ Methamphetamin entfallen auf Crystal Meth (64,7 Prozent). Bei dieser Substanz zeigt sich zwischen 2019 und 2020 eine Steigerung der Verstöße um knapp 32 Prozent.

Die Anzahl von nichtdeutschen Tatverdächtigen und auch ihr prozentualer Anteil an der Gesamtzahl sank weiter von 27,5 Prozent auf 24,1 Prozent. Die nichtdeutschen Tatverdächtigen kamen aus 56 Nationen. Die Anzahl der Heranwachsenden und ihr Anteil unter den Tatverdächtigen ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2019: 16 Prozent, 2020: 18 Prozent), im selben Maß nahm Anteil der Erwachsenen ab. Im Stadtgebiet Dresden wurden im Jahr 2020 sechs Drogentote (2019: vier) registriert.

Prävention und Intervention

Qualitative Rückmeldungen der Netzwerkpartner zeigen, dass sich die suchtbezogenen Probleme unter Pandemiebedingen eher zugespitzt haben. Die Jugendhilfe benannte verstärkte Alkohol-und Crystal-Rückfälle, gestiegenen Mischkonsum und den verstärkten Einsatz von Ersatzsubstanzen; außerdem mehr Anfragen und vermehrt schwere Fälle psychisch Erkrankter sowie einen extrem erhöhten Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen, dem vermehrt hilflose Eltern gegenüberstehen.

Auch unter den verschlechterten Rahmenbedingungen für Suchtprävention (geschlossene Schulen, Aktionstage nicht möglich) konnten im Jahr 2020 alle suchtpräventiven Ansätze im Wesentlichen durch viel Engagement der Träger fortgesetzt werden, wenn auch in geringerem Umfang. Das Kulturjahr Sucht und ein Projekt zur kultursensiblen Suchtprävention gingen erfolgreich zu Ende. Trampolin, ein Angebot für Kinder suchtkranker Eltern, wurde durch die RASOP gGmbH gestartet. Darüber hinaus werden in Dresden zahlreiche zielgruppenspezifische Präventionsprogramme angeboten. Zum Beispiel das familienorientierte Präventionsprogramm ESCapade der GESOP gGmbH bei problematischem Medienkonsum von Jugendlichen; oder FreD, ein Frühinterventionsprogramm für erstauffällige Drogenkonsumenten von der Suchtberatungs- und -behandlungsstelle Dresden Mitte des Diakonischen Werkes – Stadtmission DresdengGmbH. Suchtbelastete Eltern können durch das Elternkompetenztraining SHIFT Unterstützung erfahren. Dieses bietet die Suchtberatungs- und -behandlungsstelle des Gesundheitsamtes Dresden an. Neu hinzu kam das von der AOK PLUS finanzierte und durch die GESOP gGmbH in Schulklassen durchgeführte Präventionsangebot „Check Dein Netz“ zur Förderung eines maßvollen Mediennutzungsverhaltens sowie das durch das Land Sachsen finanzierte Bus-Präventionsprojekt „Glück Sucht Dich“.

Datengrundlagen

Die Zahlen des diesjährigen Suchtberichts basieren auf der sächsischen und bundesweiten Krankenhausstatistik zum Jahr 2019 sowie der Statistik der Dresdner Suchtberatungsstellen und der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. (SLS), den Abwasseranalysen der TU Dresden, der polizeilichen Kriminalstatistik und der kommunalen Bürgerumfrage - jeweils aus dem Jahr 2020. Im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren flossen in die Berichterstattung wieder Daten zu stationären und ambulanten Suchtbehandlungen ein.

Herausgeber des Dresdner Suchtberichts ist das Gesundheitsamt mit der Koordinierungsstelle Suchthilfe und Suchtprävention. Ziel ist es, die aktuellen Entwicklungen des Konsums legaler und illegaler Suchtmittel zu erfassen. Auf dieser Grundlage werden die lokalen Präventions-, Beratungs- und Behandlungsangebote weiterentwickelt. Die Auswirkungen der Pandemie auf Suchtverhalten und weitere psychische Erkrankungen werden erst in den nächsten Jahren hervortreten.

1) Psychotrope Substanzen sind pflanzliche, synthetische oder halbsynthetische Wirkstoffe, die eine Veränderungen der Psyche und des Bewusstseins bewirken, zum Beispiel Psychopharmaka, Alkohol und Cannabis.