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https://www.dresden.de/de/leben/gesellschaft/migration/asyl/statements/ob-pk-15-09-30.php 05.10.2015 12:43:41 Uhr 28.03.2024 14:50:52 Uhr

Oberbürgermeister Dirk Hilbert zur Pressekonferenz Asyl am 30.9.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hatte ja bereits bei der vergangenen Stadtratssitzung angekündigt, dass wir mit einer erheblichen höheren Zuweisung Asylbegehrender durch das Land rechnen müssen. In den vergangenen Tagen haben sich nun die Details herauskristallisiert. Dresden wird innerhalb der kommenden Tage rund 500 Asylbewerber aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates überwiesen bekommen.

Insbesondere habe ich mich zu dieser Sonderzuweisung bereit erklärt, weil damit der Freistaat die Chance erhält, die Zelte in der Bremer Straße endlich leer zu ziehen. Angesichts des fortschreitenden Herbstes und der kühlen Temperaturen muss die Bremer Straße geschlossen werden.

Einen Teil dieser Flüchtlinge werden wir in den vorhandenen Ressourcen der Stadt Dresden unterbringen können. Das heißt, wir belegen alle freien Plätze in den Heimen der Stadt, beziehen weitere Wohnungen und können – wie etwa an der Heidenauer Straße – neue Objekte in Betrieb nehmen.

Leider – und dieses Szenario hatten wir ja bereits angekündigt – werden diese Ressourcen nicht ausreichen. Deshalb müssen wir als Stadt Notunterkünfte einrichten, die den kurzfristigen Bedarf decken. Dies betrifft vier Turnhallen im Stadtgebiet, die jetzt zu Unterkünften umfunktioniert werden.

Die vier Turnhallen sind:

  • Turnhalle Ginsterstraße 3: 59 Plätze
  • Turnhalle Thäterstraße: 59 Plätze
  • Turnhalle Terassenufer: 40 Plätze        
  • Turnhalle Schleiermacherstraße: 70 Plätze 

Wir sind jetzt dabei die genannten Turnhallen einzurichten, so dass sie in Kürze in Betrieb gehen können. Dazu gehört sowohl eine soziale Betreuung, als auch die Bindung eines Wachschutzes, um konkrete Gefahrensituationen auszuschließen.

Unser Fokus war es, dass diese Objekte nicht für den Schulsport genutzt werden, sondern ausschließlich von 25 Dresdner Sportvereinen und anderen Nutzern. Schon wegen der Durchführung des Sportunterrichts an den Schulen und aller damit einhergehender Konflikte haben wir uns für diese Verfahrensweise entschieden.

Der Geschäftsbereich von Bürgermeister Dr. Lames hat versucht, heute, am 30. September, alle Sportvereine über diese Tatsache zu informieren, damit eine geordnete Beräumung der Hallen stattfinden kann. Mir ist bewusst, dass dies für die Trainingsgruppen in den Vereinen einen erheblichen Einschnitt bedeutet. Der Eigenbetrieb Sportstätten wird versuchen, freie Kapazitäten in anderen Hallen zu ermitteln und den betroffenen Vereinen zur Verfügung zu stellen.

Ich bitte die Verantwortlichen in den Vereinen, besonnen mit dieser Situation umzugehen. Natürlich bedeutet dies alles Ärger und Frust – für Trainer, Sportler, Eltern und viele mehr. Doch wir wären diesen Schritt nicht gegangen, wenn es kurzfristig machbare Alternativen gegeben hätte. Ich hoffe auch sehr, dass andere Vereine bereit sind sowohl Zeiten abzutreten als auch Trainingsgemeinschaften zu bilden.

Turnhallen sind auch für Flüchtlinge auf Dauer keine geeignete Lösung. Deshalb werden wir mit Hochdruck an weiteren und vor allem besseren Lösungen arbeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, die aktuelle Situation verlangt viel von uns als Stadtgesellschaft ab. Die Aufnahme von Flüchtlingen in die Obhut der Kommune ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe. Sie ist aber auch eine humanitäre Pflichtaufgabe. Ich hätte mir persönlich bessere und einfachere Lösungen für die Unterbringung gewünscht, aber sie sind in dieser Kurzfristigkeit nicht umsetzbar. Zahlreiche Objekte, die wir geprüft haben und weiterhin prüfen, erfordern bauliche Voraussetzungen, die wir erst schaffen müssen. Das geht nicht über Nacht. Meist braucht es mehrere Wochen und Monate. Da die Zahl der Flüchtlinge nicht abreißt, werden wir auch in Zukunft erhebliche Kraft und Ressourcen aufwenden müssen, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Mich treibt allerdings auch eine ganz andere Sorge um. In vielen deutschen Städten und Gemeinden ist die Anspannung über die derzeitige Situation deutlich spürbar. Wir erleben gewalttätige Konflikte innerhalb der Unterkünfte zwischen den Asylbewerbern. Wir sehen rassistische Übergriffe auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf Unterkünfte von Flüchtlingen. Gewalt in dieser Form – egal von wem oder warum – ist mit den Werten unserer Gesellschaft und unserer Verfassung nicht vereinbar. Beides darf von uns nicht toleriert und nicht klein geredet werden. Der Bürger hat ein Recht darauf, dass die Behörden mit aller Kraft gegen solche Vorfälle vorgehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Es ist aber auch in der Mitte der Gesellschaft deutlich zu spüren, dass die Anspannung wächst und die Fragen immer größer werden. Ich gestehe an dieser Stelle offen und ehrlich: Ich habe weder auf alle Fragen eine Antwort, noch kann ich alle Sorgen, die jetzt da sind, vom Tisch wischen. Es ist richtig, dass alle staatlichen Institutionen, vom Bund über Land bis zu uns in der Kommune, unter erheblichem Druck stehen. Ein Druck, den es wahrscheinlich in der Geschichte der Bundesrepublik nicht allzu häufig gegeben hat.

Wichtig sind mir in dieser Situation folgende Dinge: 

  • Erstens: Die Dresdner Bürgerschaft ist aus meiner Sicht stark und entschlossen genug, eine solche Herausforderung zu meistern. Beim Hochwasser 2002 und 2013 haben die Menschen hier gezeigt, dass Hilfsbereitschaft und Einsatz für das Allgemeinwohl fest im Bewusstsein verankert sind. Dies haben wir auch bei der Flüchtlingsfrage in den vergangenen Wochen und Monaten gespürt. Ich appelliere an die Menschen in dieser Stadt, dass trotz der vielen offenen Themen und Fragen, diese Hilfsbereitschaft nicht nachlässt.
  • Zweitens: Der Staat und alle seine Institutionen müssen ihre Leistungsfähigkeit jetzt unter Beweis stellen. Das gilt für alle Ebenen – auch für die Stadtverwaltung. Diese Leistungsfähigkeit bezieht sich aber nicht nur auf die Unterbringung von Flüchtlingen. Es geht auch um Kommunikation zu den Betroffenen hin. Es geht darum, dass Politik Antworten finden muss auf praktische Probleme im Kleinen, aber auch auf die großen Themen.
  • Drittens: Politik und Verwaltung das Vertrauen zu entziehen ist keine Lösung. Es ist keine Lösung, wenn bei den Montagsdemonstrationen Angst und Ablehnung gegen den Staat, gegen Medien und gegen Flüchtlinge gepredigt werden und dieses dann sogar in Gewalt umschlägt. Die Antwort auf das, was wir jetzt bewältigen müssen, liegt nicht auf der Straße.
  • Viertens: Ich sage es noch einmal, wie in meiner Antrittsrede, ganz offen: Wer Fragen hat, wer Ängste hat, wer vielleicht nicht weiß, welche Informationen stimmen und welche es nicht tun, der soll sich an mich wenden. Ich werde mich bemühen, darauf zu reagieren – ehrlich und mit allen Informationen, die mir zur Verfügung stehen. Ich werde keine rassistischen Wortmeldungen dulden, aber jedem der wirklich Sachaufklärung wünscht, auch antworten. Und ich bin offen genug zuzugeben, wenn ich Dinge einfach nicht weiß und werde mich nicht in Politiker-Phrasen retten.