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„Toleranz und Integration sind keine Einbahnstraße.“

Internationale Wochen gegen Rassismus: Drei Fragen an Youmna Fouad, aktuelle Marwa-El-Sherbini-Stipendiatin

Vom 12. März bis zum 6. April finden unter dem Motto „100 Prozent Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“ die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Dresden statt.
Es sind bundesweite Aktionswochen der Solidarität mit den Gegnerinnen und Gegnern sowie Opfern von Rassismus, die zum Ziel haben, zu informieren, zu sensibilisieren und zur Selbstreflexion und eigenem Handeln anzuregen. In diesem Zusammenhang berichten in den kommenden Wochen fünf Dresdnerinnen und Dresdner in der Serie „Wir zeigen Gesicht!“ von ihren Erfahrungen mit dem Thema Rassismus.
Den Anfang macht Youmna Fouad. Sie studiert Sprach- und Kulturwissenschaften an der TU Dresden und lebt seit sechs Jahren in Dresden.

Rassismus – Was sagen Sie dazu?

Rassismus ist immer ein Thema, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt.
Es vergiftet die Menschen und die Atmosphäre und tut niemandem gut. Rassisten ist die Nationalität oder Religion egal. Es reicht eine etwas dunklere Hautfarbe oder ein Akzent oder irgendwas, um sofort aussortiert und als nicht mehr dazugehörig angesehen zu werden.
Ich selbst habe auch persönliche Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Es gab Beschimpfungen in der Bahn oder auf offener Straße. Leider scheinen sich einige Menschen von meinem Kopftuch provoziert zu fühlen. Dabei trage ich es nur, weil es zu mir gehört und es mir wichtig für die Beziehung zwischen mir und Gott ist.
Ich werde nicht immer beschimpft oder beleidigt, aber es ist schon ein Teil meines Lebens. Meistens versuche ich, diese negativen Erfahrungen zu ignorieren. Ich will nicht, dass mein Leben davon kontrolliert wird.
Mir hilft es, mich auf die guten Erlebnisse zu konzentrieren, denn es gibt auch viel Schönes in Dresden. Ich habe hier viele Freunde und Bekannte – auch Deutsche, die mich so akzeptieren und respektieren wie ich bin.

Was ist Ihre Meinung zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus?

Also, ich finde das Engagement sehr wichtig und es ist einfach super, wie das alles organisiert wird. Es sind so viele Menschen beteiligt. Das ist ein ganz bunter, vielfältiger „Haufen“. Aus so vielen Initiativen und Vereinen beteiligen sich Ehrenamtliche und Freiwillige. Auch die Religionsgemeinschaften, die sich derzeit in Dresden befinden, gestalten die Aktionswochen mit. Ich finde das echt stark und hoffe, dass es auch in Zukunft so weitergeht.
Es ist wichtig, dass sich alle engagieren, weil nur dadurch reale Erfahrungen ausgetauscht werden können. Nicht alle können bewerten oder einschätzen, was die anderen erleben oder was Ausländer manchmal durchmachen müssen. Das bekommen die meisten Deutschen nicht mit, weil sie dieses Privileg der Sprache, Zugehörigkeit und der Teilnahme an der Gesellschaft haben. Daher ist es sehr wichtig, dass dieser Austausch stattfindet und ich hoffe, dass sich viele beteiligen und die Veranstaltungen besuchen werden.
Ich selbst werde an der Podiumsdiskussion zur Auftaktveranstaltung am 12. März teilnehmen. Ich engagiere mich aber auch sonst viel für Geflüchtete. Ich habe die Sprache gelernt und ich kann mich gut ausdrücken und jetzt gibt es Menschen, die Unterstützung brauchen, weil sie die Sprache noch nicht können. Ich finde es einfach positiv, wenn ich das, was ich hier gelernt habe, an Zuwanderer weitergeben und ihnen helfen kann, sich zurechtzufinden.

Wie stellen Sie sich das Zusammenleben in unserer Stadt im Jahr 2030 vor?

Ich hoffe, dass wir bis dahin offener zueinander geworden sind. Toleranz und Integration sind keine Einbahnstraße, sondern können von beiden Seiten gezeigt werden. Sowohl von den Herkommenden als auch den bereits hier Wohnenden. Es muss in beide Richtungen gehen und nur so können wir friedlich miteinander leben.
Ich möchte, dass wir einander tolerieren und respektieren und aus dieser nationalistischen Mentalität herauswachsen. Daher hoffe ich, dass im Jahr 2030 alle zur Ruhe gekommen sind und erkannt haben, dass wir unterschiedlich leben und zugleich respektvoll miteinander umgehen können. Ein respektvoller Umgang miteinander ist das Wichtigste. Es ist egal wie ein Mensch aussieht, woran er glaubt, wie er redet oder was auch immer. Ich muss nicht alles gut finden was ein anderer macht, aber ich muss es akzeptieren und respektieren.
Dafür ist es wichtig, dass wir zueinanderkommen und miteinander statt übereinander reden, dass wir Fragen stellen und Vorurteile abbauen. Ich muss nicht immer Menschen von meiner Idee überzeugen. Es geht gar nicht darum, zu sagen, wer falsch oder wer richtig ist. Es geht darum, Fragen aufzuklären und Vorurteile abzubauen. Es geht darum, die anderen nicht auszuschließen, nur weil jemand anders aussieht. Wir leben alle gemeinsam auf dieser Welt. Wenn wir immer nur in unseren Filterblasen leben und die anderen ausschließen, bringt das nichts Gutes. Ich hoffe, dass wir irgendwann zueinanderfinden können, denn nur so lässt sich ein gutes Zusammenleben gestalten.

Schon gewusst?

Unter Rassismus sind im Allgemeinen negative und abwertende Einstellungen und Handlungen gegenüber einer anderen Gruppe von Menschen zu verstehen. Antimuslimischer Rassismus ist eine Form von Rassismus, die sich gegen Menschen richtet, denen eine muslimische Religionszugehörigkeit zugeschrieben wird. Betroffen sind also nicht nur gläubige Muslime, sondern alle, denen aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale, ihrer Herkunft oder Kultur ein islamischer Glaube unterstellt wird.

Auszug aus dem Programm

  • Montag, 12. März, 18 Uhr, Neues Rathaus, Plenarsaal, Rathausplatz 1: Islamfeindlichkeit als Herausforderung der Gegenwart. Bundesweite Eröffnung der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Vortrag von Prof. Dr. Kai Hafez mit anschließender Diskussion
  • Dienstag, 13. März 10 Uhr, Dreikönigskirche, Haus der Kirche, Hauptstraße 23: Rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Informationsveranstaltung mit anschließendem Workshop
  • Mittwoch, 14. März 18.30 Uhr, Zentralbibliothek im Kulturpalast, Schloßstraße 2: Unerwünscht. Lesung der iranischen Brüder Sadinam