Kurzgeschichte Dresden Nickern
Die Reste von vier jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlagen aus dem 6. und 5. Jahrtausend v. Chr. sind Beweise der frühen Besiedlung im Umfeld des Geberbaches. Die Häufung von vier Grabenanlagen auf etwa einem Quadratkilometer ist einzigartig. Neben zwei einfachen Kreisgrabenanlagen fand man 2002/2003 in diesem Gebiet eine Anlage mit doppeltem Graben und eine weitere Anlage mit vier konzentrischen Gräben und Spuren einer frühslawischen Siedlung.
Die Niederungen des Geberbaches boten den vermutlich frühesten, sesshaften Bewohnern des Elbtales fruchtbares Land. In der Nähe von Bannewitz entsprungen, fließt der Geberbach nach Nordosten, vereinigt sich bei Leuben mit einem Seitenarm des Lockwitzbaches, um als »Niedersedlitzer Flutgraben« in Tolkewitz in die Elbe zu münden.
Nickern wird erstmals mit dem Namen »“Nicur“« 1288 urkundlich erwähnt. Der Name des slawischen Dorfes wurde möglicherweise von einem Stammesältesten abgeleitet. Andere Deutungen stellen einen Bezug zum altslawischen „ni kuriti“ her. „Kuriti“ – für Rauchen, Räuchern, Brennen, Heizen – wird in der vermuteten Wortbedeutung verneint (also »nicht räuchern«) und kann mit der Landgewinnung durch Brandrodung zu tun haben. Im Jahr 1349 wird ein „allodium et curia“ (Rittersitz) aufgeführt. Dabei handelt es sich vermutlich um eine in der Sumpfniederung gelegene Wasserburg, deren Reste sich unter dem heutigen Schloss befinden dürften. 1693 ließ Hans von Bose das damals eingeschossige Gebäude in die noch heute erhaltene Form im ländlichen Barock umbauen. Das zweigeschossige Herrenhaus ist eines der ältesten Gebäude im Stadtgebiet Dresdens und damit sowohl bau- als auch ortsgeschichtlich von Bedeutung. Erst 1870 wurde der vorgelagerte Glockenturm in Anlehnung des sächsischen Landbarocks erbaut.
Bis in das 19. Jahrhundert lebten die Bewohner des Ortes von der Landwirtschaft und dem Obstbau. Mit der Industrialisierung wurden auch in Nickern viele Wohngebäude neu errichtet und der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen eingeschränkt. In den 1930er-Jahren wurden große Teile der Nickerner Flur für das Militär umgenutzt. Es entstand eine Fliegerschule der Deutschen Luftwaffe. Kasernenbauten und andere militärische Anlagen veränderten das Landschaftsbild erheblich. Neben Altnickern mit seinem bis heute gut erhaltenen Dorfkern und seinem prachtvollen Schloss entstand die Siedlung Neunickern. Nickern wurde 1923 ins benachbarte Lockwitz und am 1. Januar 1930 nach Dresden eingemeindet.
Nach 1935 konkretisierten sich die Pläne der Nationalsozialisten für eine Besetzung der Tschechoslowakischen Republik. Um dafür eine entsprechend starke Unterstützung von Luftstreitkräften zur Verfügung zu haben, wurde 1937/38 ein ausgedehnter Kasernenkomplex der Deutschen Luftwaffe errichtet. Daran erinnert heute noch das Stabsgebäude an der Heinz-Bongartz-Straße 8.
Am Mittag des 14. Februars 1945 zerstörten bei einem Fliegerangriff amerikanische Bomber den größten Teil des alten Dorfes Nickern. Das Schloss, in dem die Verwaltung des Luftgaukommandos III untergebracht war, bleib weitestgehend unversehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden auf den enteigneten Rittergutfeldern ausgedehnte Obstplantagen. Bauern schlossen sich zur Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) „Florian Geyer“ zusammen. Die Liegenschaften der ehemaligen Deutschen Luftwaffe nutzte ab 1945 eine Panzerdivision der sowjetischen Streitkräfte. Von hier aus rückte die Panzerdivision der Roten Armee 1968 zur Niederschlagung des Prager Frühlings aus. Nach dem Abzug der russischen Panzer 1992/93 übertrug die Bundesrepublik Deutschland die verlassene Militärbrache in Nickern an den Freistaat Sachsen. Neben der Beseitigung von Altlasten wurde damit der Weg für eine komplette Neuordnung des Gebietes frei. Zu Beginn der städtebaulichen Entwicklung bot das Gelände einen trostlosen Anblick. Altlasten und Munitionsreste warteten auf eine fachgerechte Entsorgung. Bauwerke waren verfallen und bis auf wenige Gebäude für eine künftige Nutzung nicht verwendungsfähig. Große versiegelte Flächen sowie unterirdische Bauwerke und Leitungen standen zunächst einer baulichen Neuentwicklung entgegen.
Die Entwicklung der Brachfläche begann 1994 mit dem Ziel, den steigenden Bedarf an Wohnraum, insbesondere die Nachfrage nach Flächen für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern zu decken. Damit sollte auch dem Trend der Abwanderung von jungen Familien in die Nachbargemeinden entgegengewirkt werden, wo sie bessere Möglichkeiten für den Eigenheimbau vorfanden. Die Herausforderung bestand darin, ein ungeordnetes, verwildertes Gebiet zu einem kleinen Stadtteil innerhalb Nickerns neu zu entwickeln. Grundlage für die weitere Entwicklung waren der Kauf der 56 Hektargroßen Brachfläche durch die Landeshauptstadt Dresden und der Beginn eines formellen Förderverfahrens 1994 unter der Bezeichnung „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Nickern“. „Leben zwischen Stadt und Land“ war die Leitidee für die Entwicklung zu einem Wohngebiet.
Zwischen 1995 und 1997 wurden alle nicht mehr benötigten und nicht sanierungsfähigen Gebäude abgebrochen und der komplette ehemals militärische Bereich entsiegelt, die Aufstellflächen, die Panzerstraßen sowie sämtliche bauliche militärische Anlagen rückgebaut. Zur Vorbereitung der späteren baulichen Entwicklung mussten in einem weiteren Schritt bis 2007 alle Versorgungsleitungen, künftige Straßen und Fußwege neu gebaut und gleichzeitig die Anbindung des neuen Wohngebietes an den öffentlichen Personen- und Nahverkehr konzipiert werden. Im Bebauungsplan waren fast die Hälfte der ehemaligen Brachflächen für große und nah gelegene Grün- und Freiflächen, Parkanlagen und Spielplätze vorgesehen und wurden deshalb nicht bebaut oder versiegelt.